Interview mit Martin Zeil

"Es geht um die Idee einer Mobile World Capital"

24.05.2011 von Heinrich Vaske
Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) setzt alles daran, den Mobile World Congress (MWC) von Barcelona nach München zu holen. Deutschland soll zum "Hot Spot" für mobile Technologien werden.

CW: München ist unter den letzten vier europäischen Großstädten, die in der Bewerbung um die künftige Ausrichtung des Mobile World Congress noch im Rennen sind. Die Ausscheidung geht jetzt in die heiße Phase. Was unternehmen Bayern und die Stadt München, um den Mobilfunk-Event hierher zu holen?

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil wirbt für die "Mobilfunk-Hauptstadt München".

Zeil: Es geht bei der Bewerbung um weit mehr als den Mobile World Congress. Es geht um die Idee einer Mobile World Capital, deren wichtigstes Element der Mobile World Congress ist. München steht im Finalverfahren für Deutschland. Die Bayerische Staatsregierung unternimmt in einem engen Schulterschluss mit der Bundesregierung, der Landeshauptstadt München und der Messe München alle Anstrengungen, um gemeinsam mit der Industrie und Wissenschaft die Mobile World Capital nach München zu holen.
Die Bandbreite der Aktivitäten umfasst die Unterstützung der Industrie (Sponsoring) und konzeptionelle Überlegungen für die Umsetzung der Idee einer Mobile World Capital mit mobilen Anwendungen ebenso wie einen intensiven Dialog mit dem Weltverband der Mobilfunkindustrie, der GSMA. Ende März 2011 haben GSMA-CEO John Hoffman und einige Mitglieder des Bewerbungs-Boards der GSMA meine Einladung angenommen und München besucht. Wir haben sehr gute Gespräche geführt.

Die Vorteile des Standorts München

CW: Welche Argumente kann München gegenüber den Mitbewerbern Mailand, Paris und erneut Barcelona in die Waagschale legen?

Zeil: München hat eines der schönsten und modernsten Messegelände der Welt, das hervorragend in die Verkehrsinfrastruktur eingebunden ist. München ist eine der sichersten europäischen Metropolen mit ausgezeichneter internationaler Anbindung durch unseren Flughafen. München hat als Ausrichtungsstandort der Fußball-WM 2006 mit dem Medienzentrum gezeigt, dass wir weltweit bedeutende Großveranstaltungen organisieren und umsetzen können. Gleiches gilt für das Oktoberfest mit jährlich zirka sechs Millionen Besuchern.

Der Mobile World Congress

  • Der Mobile World Congress, zuletzt vom 14. bis zum 17. Februar 2011 in Barcelona ausgetragen, beschäftigt sich mit Trends und Neuheiten im Mobilfunkmarkt. Das Publikum setzt sich zusammen aus IT-Herstellern, Netzbetreibern, Entwicklern und Medienvertretern.

  • Der Kongress zählte nach Angaben des Veranstalters GSM Association (GSMA) zuletzt mehr als 60.000 Teilnehmer aus über 200 Ländern. Er ist damit die größte Mobilfunkveranstaltung Europas.

  • In diesem Jahr waren rund 1400 Aussteller präsent. Die Ausstellungsfläche betrug 58.600 Quadratmeter.

  • Über 2900 internationale Print-, Online- und Hörfunkmedien berichteten.

  • 2012 wird der MWC noch sicher in Barcelona stattfinden (27. Februar bis 1. März 2012). Ab 2013 könnte dann München Veranstaltungsort sein. Neben der Bayern-Metropole zählen außer Barcelona auch Mailand und Paris zum Kreis der Finalisten. Wer sich durchsetzt, erhält das Recht, den MWC fünf Jahre auszutragen.

  • Lesen Sie unsere ausführlichen Berichte über den letzten MWC hier!

Das ist aber nicht alles. München ist das Herz der Informations- und Kommunikationstechnologie (ITK) nicht nur in Deutschland, sondern laut Bill Gates sogar das "Hightech-Mekka Europas". Speziell im Großraum München reicht die Struktur der ITK-Branche von internationalen Technologiekonzernen über mittelständische Unternehmen bis hin zu kreativen Startups auch in den Anwenderbranchen. Ergänzt wird dieses Umfeld durch unsere weltweit anerkannte Wissenschafts- und Forschungslandschaft, unsere zwei Eliteuniversitäten, Studienprogramme, etablierte Netzwerke und Plattformen.

Wir sind überzeugt: München bietet der GSMA enormes Entwicklungspotenzial und optimale Ausgangsbedingungen für ihr neues Konzept einer Mobile World Capital. Unter dem Begriff ‚Apps & Alps` haben wir der GSMA eine partnerschaftliche Zusammenarbeit angeboten.

Wandel in nahezu allen Wirtschaftszweigen

CW: Jetzt wissen wir, warum München für den Kongress geeignet ist. Aber warum sind die Stadt und der Freistaat so interessiert daran, die Veranstaltung zu beherbergen?

Zeil: Die großen Wachstumsfelder der Zukunft liegen durch die digitale Konvergenz in den mobilen Consumer- und Business-Applikationen. Um hier erfolgreich zu sein, braucht es neben den Partnern der Mobilfunk- und ITK-Industrie gerade die Anwenderbranchen in den Geschäftsfeldern der Zukunft. Die ITK als Querschnittstechnologie ist mit ihrer Verknüpfung zu vielen anderen Branchen Basis dieser Entwicklung. Vor diesem Hintergrund erleben wir gegenwärtig quer durch nahezu alle Wirtschaftszweige einen massiven Wandel. Wir sehen ein fast grenzenloses Potenzial an Entwicklungsmöglichkeiten und neue Chancen für mobile Geschäftsmodelle und Wettbewerb. Die Consumer-Applikationen und Wettbewerbsmodelle laufen erfolgreich. Der Business-Bereich ist ausbaufähig und hat die größten Wachstumsraten. Die Vorteile Bayerns liegen dabei auf der Hand. Wir sind so aufgestellt, dass wir in den Leitmärkten der Zukunft wie Energie, Finanzen, Automotive, Logistik, Medizin und Medien nicht nur in Forschung und Entwicklung führend sein, sondern auch in der Erstanwendung gerade für mobile, marktfähige Business-Anwendungen an vorderster Stelle stehen werden. Die ganze Welt wird mit diesen Erstanwendungen auf München, Bayern und Deutschland schauen. Kurz gesagt: An den Zielen der GSMA wird hier schon branchenübergreifend gearbeitet. Das sind die Chancen für beide Seiten. Die GSMA bringt ihr Konzept und die Marke Mobile World Capital ein und wir die konkrete Umsetzung. Ein Silicon Valley für mobile Applikationen entsteht. Mit dem Gütesiegel Mobile World Capital würden die Aktivitäten in den Consumer- und Business-Applikationen beflügelt, sie würden nationale und internationale Aufmerksamkeit hinzugewinnen. München und Deutschland würden zum Hot Spot für mobile Technologien.

Chancen für den Mittelstand

CW: Gibt es konkrete Pläne, im Falle eines Zuschlags auch die mittelständisch geprägte deutsche IT-Wirtschaft profitieren zu lassen?

Zeil: In den mobilen Consumer- und Business-Applikationen liegt die Zukunft, gerade auch der mittelständischen ICT-Wirtschaft in Deutschland. Die Reaktionen innerhalb der ICT- und Anwenderindustrie auf die in Bayern gestarteten Aktivtäten anlässlich der Bewerbung waren nahezu euphorisch und haben eine Eigendynamik entwickelt, wie wir sie lange nicht erlebt haben. Unsere Aktivitäten konzentrieren sich jetzt primär darauf, das Finalverfahren zu gewinnen. Klar ist aber, dass wir dieses Wirtschaftspotenzial auch standortpolitisch und bayernweit aufgreifen und nicht nur für eine Bewerbung zielgerichtet unterstützen. Gerade für unseren Mittelstand.

CW: Der Zeitpunkt des MWC liegt traditionell recht eng an dem der CeBIT in Hannover. Müsste der MWC in München nicht später stattfinden,was ja auch angesichts des Wetters nicht schlecht wäre? Und würde sich die GSM Association dar-auf einlassen?

Zeil: Mit der GSMA finden derzeit Vertragsverhandlungen statt, die der Geheimhaltung unterliegen. Insofern bitte ich um Verständnis, wenn ich mich auch hierzu nicht weiter äußern kann. Nur so viel: John Hoffman hat in einem seiner Interviews nach der Finalbekanntgabe auch den Zeitpunkt eines Mobile World Congress in München angesprochen. Die GSMA ist demnach nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegt. Der ideale Zeitpunkt hängt von vielen Faktoren ab. Hierzu werden in den Vertragsverhandlungen intensive Gespräche geführt. Mit dem Konzept der Mobile World Capital entsteht keine Konkurrenzsituation zu bestehenden Messen und Veranstaltungen in Deutschland. Vielmehr wird Mobile World Capital eine Lücke schließen und internationale Aufmerksamkeit schaffen, von der nicht nur die ICT- und Anwenderindustrie in ganz Deutschland profitiert.

CW: In Cannes und später in Barcelona war der MWC stets von einem lockeren, mediterranen Flair geprägt. Stimmung und Lebensgefühl schienen mindestens ebenso wichtig wie technische Perfektion. Wie kann München hier anknüpfen?

Zeil: Mobile World Capital ist ein Ganzjahreskonzept. Wir sind weltweit dafür bekannt, dass wir nicht nur arbeiten, sondern auch feiern und genießen können. Dafür steht das Münchner Lebensgefühl zu jeder Jahreszeit. Das haben wir der GSMA auch im Hinblick auf die Gäste des Mobile World Congress recht eindrucksvoll gezeigt. In München finden Sie alles für alle Jahreszeiten: Kultur, Geschichte, Museen, Freizeitangebote, Seen, Berge, Festivals, junge technikbegeisterte Menschen, internationale Studenten, Biergärten und natürlich das Oktoberfest.

CW: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Android, Blackberry, iPhone - welches Smartphone nutzen Sie eigentlich selbst, Herr Minister? Sind Sie damit zufrieden?

Zeil: Ich nutze derzeit einen Blackberry und werde mir demnächst die Welt eines iPhones erschließen. Über mein Smartphone bin ich nicht nur laufend per E-Mail über Geschäftsvorgänge informiert, sondern auch über die aktuelle Agenturlage. Absprachen mit meinen Mitarbeitern, mit den Abteilungen meines Hauses oder auch mit der Pressestelle, um etwa ein Interview oder Statement zu autorisieren, sind schnell und unbürokratisch möglich. Ich weiß gar nicht mehr, wie das früher ohne Smartphones ging.