IT-Karriere im Handel

"Es reicht nicht, mit einem Tunnelblick durch die Welt zu laufen"

25.01.2010 von Hans Königes
Was IT-Experten im Handel können sollten, erläutert Edeka-IT-Chef Michael Wulst im CW-Gespräch.

CW: Sie sind gerade mit der größten SAP-Einführung im deutschen Lebensmittelhandel beschäftigt. Welches sind die Herausforderungen?

Michael Wulst wünscht sich IT-Mitarbeiter, die mit komplexen Strukturen umgehen können.

WULST: Wir kombinieren das Wissen um Handelsprozesse und IT-Strukturen unter einem Dach und schaffen auf diese Weise ein attraktives Betätigungsfeld für unsere Mitarbeiter. Die Herausforderungen sind entsprechend vielfältig und komplex. Denn unsere IT-Umstrukturierung setzt sich aus verschiedenen Einzelprojekten zusammen, mit dem Ziel, effiziente Handelsprozesse in und zwischen der Edeka-Zentrale, den Regionalgesellschaften und dem selbständigen Einzelhandel umzusetzen. Hierzu ist eine homogene IT-Landschaft Voraussetzung - eine ungemein reizvolle und zugleich eine Mammutaufgabe, die ein Höchstmaß an Planungs- und Konzeptionskapazitäten in Anspruch nimmt. Gleichzeitig ist die Bereitstellung hochwertiger und leistungsfähiger Softwarekomponenten für alle Geschäftsfelder erforderlich - vorrangig in einem SAP-basierenden Technologieumfeld. Und schließlich bedarf es besonders qualifizierter Mitarbeiter, die ein derart interdependentes Projektprogramm begleiten können.

CW: Tun Sie das mit den vorhandenen Mitarbeitern? Setzen Sie stark auf externe Berater, oder stellen Sie fleißig ein?

WULST: Wir haben hervorragende Mitarbeiter, allerdings ist der Bedarf an qualifizierten Spezialisten erheblich. Deshalb haben wir in den zurückliegenden Wochen und Monaten viele zusätzliche Stellen geschaffen und neue Mitarbeiter eingestellt. Und wir sind weiterhin auf der Suche. Teilweise arbeiten wir auch mit externen Beratern zusammen.

CW: Reicht die Qualifikation der internen Beschäftigten für solch eine große Aufgabe? Was tun Sie, um die Mitarbeiter in die neue Struktur mitzunehmen?

WULST: Neue Aufgaben, neue technische Entwicklungen und der Aufbau von Know-how für die Lebensmittelbranche verlangen Qualifikationssprünge in Form von individueller Weiterentwicklung. Deshalb legen wir auf Mitarbeiterförderung einen besonderen Wert und arbeiten eng mit der Personalentwicklung zusammen.

CW: Welches Know-how wird künftig wichtiger, welches weniger wichtig?

WULST: SAP-Know-how und SAP-orientierte Techniken gewinnen an Bedeutung. Es reicht aber nicht, mit einem IT-Tunnelblick durch die Welt zu laufen. Experten müssen stärker als bisher in der Lage sein, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Auch das Einordnen von Prozessen in einen betriebswirtschaftlichen Kontext wird zunehmend wichtig. Die Fähigkeit, sich schnell und gezielt in neue Themen einzuarbeiten, selbständig voranzutreiben und zu verantworten, ist uns wertvoll.

"Die Rahmenbedingungen sind recht günstig"

CW: Sie suchen für diese Umstellung eine Menge SAP-Experten. Wie stellt sich der Markt dar?

WULST: Die Rahmenbedingungen sind recht günstig - das ist sicher auch eine Folge der aktuellen aktuellen wirtschaftlichen Situation. Es fehlt jedoch an SAP-Experten mit Beraterqualitäten und ausgeprägtem íntegrativen Know-how.

CW: Wo erleben Sie die meisten Defizite bei den Bewerbern?

WULST: Neben Lücken vor allem im Technologie- und Integrationsberatungsbereich scheitern Interessenten in vielen Fällen an fehlendem Wissen um Branchenmechanismen, also an den Abläufen im Handel. Teilweise vermissen wir praktische Erfahrungen aus SAP-Projekten. Überraschenderweise tun sich einige Bewerber schwer mit der nötigen Mobilität. Die Edeka-Gruppe ist deutschlandweit vertreten. Ein Großteil unserer Arbeit wird auch zukünftig vor Ort, bei unseren Regionalgesellschaften geleistet.

CW: Worauf legen Sie bei der Rekrutierung der neuen Mitarbeiter besonderen Wert?

WULST: Die Bewerber müssen sowohl in fachlicher Hinsicht als auch durch ihre Persönlichkeit überzeugen und damit langfristig in unsere Aufgabenwelt und in unser Unternehmen passen. Wir suchen zudem versierte Mitarbeiter, die aus dem Stand in die Projekte einsteigen können. Auch exzellente Hochschulabsolventen, die ein hohes Entwicklungspotenzial mitbringen und darauf brennen, in der Praxis schnell Fuß zu fassen und Verantwortung zu übernehmen, sind geeignete Kandidaten. Interessenten sollten sowohl kunden- als auch team- und ergebnisorientiert arbeiten. Mobilität halten wir für selbstverständlich.

CW: Und was tun Sie für die Mitarbeiter im Unternehmen? Welche Förderinstrumente bevorzugen Sie?

WULST: Wir bieten unseren Mitarbeitern einen attraktiven, interessanten und sicheren Arbeitsplatz. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass der Einzelhandel eine krisensichere Branche ist. Schulungs- und Weiterbildungsangebote gehören zu unserem Angebot. Wir haben klare Zielvorgaben und begleiten unsere Mitarbeiter aktiv. Gegenwärtig sind wir dabei, ein Karrieremodell zu entwickeln, dass neben Management-orientierten Perspektiven auch attraktive fachlichorientierte Entwicklungspfade aufzeigt. Außer Frage steht, dass Hamburg als Metropole im Norden mit hoher Lebensqualität lockt.

Edeka

Die Edeka-Gruppe sieht sich als dynamisch wachsender Lebensmittelhändler mit einem "einzigartigen Vertriebskonzept" - dem von Unternehmern geführten Vollsortimentsgeschäft. Ziel ist es, die Position der selbständigen Edeka-Kaufleute im Wettbewerbsumfeld kontinuierlich zu stärken.

Edeka sieht im Lunar-Programm eines der größten IT-Projekte im deutschen Handel. In enger Zusammenarbeit mit den Regionalgesellschaften werden in mehr als 160 Einzelprojekten zukünftige Standards für Handelsprozesse entwickelt und umgesetzt. Das Programm konzentriert sich dabei zunächst auf die gruppenweite Vereinheitlichung der Stammdaten, die Entwicklung eines durchgängigen, einheitlichen Warenwirtschaftssystems für Großhandel, Einzelhandel und die Zentrale sowie die Entwicklung einer Lösung für die logistischen Prozesse in den Regionen.

Michael Wust (58) ist seit Juli 2007 Geschäftsführer der Lunar GmbH. Der promovierte Mathematiker arbeitete seit 1990 bei SAP, wo er die Vorarbeiten zum Lunar-Programm begleitete.