CRM Initiative

Experten raten: CRM muss innen ankommen

30.03.2010
Am Ende der Diskussion waren die Mitglieder der neu gegründeten Expertengruppe der Computerwoche CRM Initiative sich einig: Die derzeit größte Herausforderung für CRM im Unternehmen ist das Thema Change Management. Doch ein Blick zurück zeigt: im Grunde war es nie anders. Was lassen die bisherigen Erfahrungen für die Zukunft erwarten?

Wo geht’s hin im CRM? Diese Frage stand im Mittelpunkt des ersten Expertengesprächs der Computerwoche CRM Initiative. Zunächst mal galt es dabei den Status Quo zu definieren: Wo steht CRM heute und wie kam es dazu? Was wurde erreicht – und warum nicht mehr? Immerhin hat CRM in Deutschland eine etwa dreißigjährige Geschichte. Da verwundert es dann ab und zu auch erfahrene Experten, dass CRM in vielen Unternehmen immer noch große Akzeptanzprobleme hat. Woran liegt das? Wolfgang Schwetz, einer der bekanntesten Berater und Analysten der Szene, dessen CRM Marktspiegel seit 1992 erscheint und als Standardwerk für die CRM-Software-Auswahl gilt, meint: „Die meisten CRM-Verantwortlichen sind nicht in der Lage, messbare Ziele zu definieren, können also einen Erfolg von CRM nicht mit Zahlen belegen.“ Die Folge: Nur die fast immer als zu hoch empfundenen Kosten werden wahrgenommen und Berichte oder auch nur Gerüchte über gescheiterte Projekte in anderen Unternehmen bleiben als Kompensation des eigenen fehlenden Erfolgs im kollektiven Gedächtnis der Anwender haften. Eine mögliche Ursache dieser häufigen Fehlentwicklung in CRM-Projekten sehen die Experten in einer falschen Organisation von CRM Projekten. „Die Verantwortung für das CRM gehört nicht in die IT, sondern in den Vertrieb“ fordert Professor Peter Winkelmann von der Hochschule Landshut in diesem Zusammenhang und fügt hinzu: „Ich stehe für die Verkaufsmannschaft, für den operativen Vertrieb.“ Immer noch werde die Vertriebssteuerung in CRM-Projekten vernachlässigt. Dafür seien allerdings die Vertriebler häufig selbst verantwortlich, weil sie es versäumten, die Führung im CRM zu übernehmen.

Lernen aus der Kundenerfahrung
Bernd Seidel, freier Journalist, Moderator und Trainer, beurteilt den Reifegrad von CRM aus Kundensicht: „ Wer einmal als Kunde eines großen Telekommunikationsunternehmens wegen Fragen zu einer fehlerhaften Rechnung eine halbe Stunde im Call-Center herumgereicht wurde, ohne eine Lösung für sein Problem zu erhalten, der vergisst das nicht so schnell.“ Erst recht nicht, wenn sein Vorschlag, man möge ihn doch zurückrufen, sobald die Ursache für den Fehler gefunden sei, rundheraus abgelehnt wird. Er appelliert deshalb an die Verantwortlichen in den Unternehmen: „CRM muss innen ankommen. Und zwar ganz oben, als strategisches Element der Markenführung“. Nur wenn das der Fall sei, könne CRM im Unternehmen gelebt werden – „und erst dann kann man sinnvoll über aktuelle Entwicklungen wie Social CRM nachdenken“. Und Winkelmann ergänzt: „Nur wenn die Mitarbeiter die Mission verstanden haben, kann ein Unternehmen Kundenzufriedenheitsführer werden. Und dann lernen die Kunden aus positiven Erfahrungen.“ Um das zu erreichen sei nach wie vor Change Management die höchste Tugend des CRM-Verantwortlichen. Hier hakt Kai Hessenmüller, SAP, ein: Trotz aller technologischen Neuerungen habe sich in Kernbereichen der Pflege von Kundenbeziehungen noch immer nicht viel geändert. „Zum Beispiel kann der Kunde eines Weinversands zwar rund um die Uhr online bestellen, doch einen Rabatt erhält er in der Regel nur, wenn er eine durch sechs teilbare Anzahl Flaschen kauft.“ Ein Prinzip, das zwar aus Kostengesichtspunkten nachvollziehbar, aber alles andere als kundenorientiert sei.

Angesichts dieser durchaus kritischen Bestandsaufnahme durch die Experten stellt sich die Frage, wie denn die CRM-Anwender selbst mit ihrem CRM zufrieden sind. Eine Untersuchung der Computerwoche hierzu im Rahmen der CRM Initiative 2009 ergab, dass über 60 Prozent der knapp 180 Befragten bereits ein CRM-System einsetzen. Drei Viertel der Nutzer gaben an, dass die Erwartungen der Unternehmensführung an das CRM eher erfüllt wurden, und 85 Prozent stuften den Nutzen als „groß“ oder „eher groß“ ein. Diese anonymen Zahlen ergänzt Andreas Zipser von der CAS Software AG mit dem Verweis auf konkrete Kundenbeispiele: „In den vergangenen fünf Jahren hat die CRM Initiative -zig Kunden auf die Bühne gebracht, die über ihre – überwiegend positiven – Erfahrungen mit CRM live vor Publikum berichtet und sich der Diskussion mit anderen Anwendern und Experten öffentlich gestellt haben.“ Darüber hinaus gibt es beispielsweise den CRM Award der Fachzeitschrift Acquisa, bei dem die Jury immer wieder die Qual der Wahl aus einer Vielzahl von Bewerbungen hat. Die „Customer Experience“ der CRM Anwender ist also generell positiv. Dennoch, so der Software-Auswahl- und Einführungsberater Wolfgang Schwetz müsse man noch einiges optimieren – etwa im Bereich Vertriebsplanung – doch unter dem Strich werden die Vorteile einer verstärkten Kundenorientierung zunehmend erkannt und die Kommunikation und Interaktion mit den Kunden entsprechend verbessert.

Die CRM Expertengruppe

Das Ziel: Die Zusammenarbeit von Vertrieb, Marketing, Service und IT in den Anwenderunternehmen verbessern.

Die Mitglieder:
Jörg Adams, Serviceplan BRAND ONE,
Martin Bayer, Computerwoche,
Kai Hessenmüller, SAP,
Elmar Neuwirth, Oracle,
Wolfgang Schwetz, Schwetz Consulting,
Bernd Seidel, Seidel & Friends,
Prof. Dr. Peter Winkelmann, FH Landshut,
Carolin Zausinger, Microsoft,
Andreas Zipser, CAS.

Das Programm:
• Die Expertengruppe wird in regelmäßigen Fachgesprächen aktuelle Trends im CRM diskutieren und zu allen Fragen des Kundenbeziehungsmanagements Stellung beziehen.
• Fachbeiträge in Print und online auf Basis dieser Gespräche werden Anwendern helfen, CRM in ihren Unternehmen erfolgreich zu gestalten und weiterzuentwickeln – in enger Zusammenarbeit von IT und Fachabteilungen.
• Die Experten bringen ihr Know-how in die inhaltliche Konzeption der Computerwoche-Fachkonferenz zum Thema CRM ein, die am 29. April in München stattfinden wird.

Das sieht auch Elmar Neuwirth von Oracle so: „Die Prozesse, die mit CRM gesteuert werden, haben sich seit der Einführung des Begriffes CRM permanent gewandelt. Und die Standards bezüglich der Erreichbarkeit von Unternehmen oder bezüglich der globalen Verfügbarkeit von Produkten sowie Informationen und Services zu diesen Produkten, haben sich in dieser Zeit ganz wesentlich verbessert. Diese Erfolge haben entscheidend mit der Fokussierung auf den Kunden im Sinne von CRM zu tun. Und die nächste Herausforderung wartet schon: Im Web 2.0 stellen die Kunden ganz neue Anforderungen an die Unternehmen.“ Die Schwierigkeit liegt vor allem in der Einbindung der neuen Kommunikationskanäle in die Gesamtstrategie der Unternehmen. Neuwirth: „Wir erleben derzeit immer öfter einen Mix von direkten und indirekten Vertriebsaktivitäten im Unternehmen.“ So liefern viele Unternehmen ihre Produkte primär über den Handel aus, kommunizieren aber via Hotline und Internet direkt mit den Endkunden. Und immer mehr Anbieter verkaufen ihre Produkte gleichzeitig indirekt über den stationären Handel und direkt via Internet. Diese Entwicklung, da sind sich die Experten einig, erfordert von den Unternehmen ein hohes Engagement und viel Fingerspitzengefühl beim Partner Relationship Management.

Die Ziele bleiben, die Wege ändern sich
An den übergeordneten Zielen von CRM im Unternehmen ändert all das wenig, stellt CRM Produktmanagerin Carolin Zausinger von Microsoft Deutschland fest: „Unternehmen müssen weiterhin Kunden binden, neue Interessenten und Käufer gewinnen, die Rentabilität der Kunden verbessern und die Kosten im Griff behalten“. In diesem Zusammenhang sieht sie das Social Web als Herausforderung und Chance für die Unternehmen zugleich: Unternehmen müssen sich zunehmend nicht nur mit eingehender Kundenkommunikation beschäftigen, sondern auch mit Aussagen, die gar nicht unmittelbar an das Unternehmen gerichtet sind. Das erfordere eine völlig neue Art der Kommunikation. Gleichzeitig liege aber genau hierin auch die große Chance, über Social Media und Communities Zielgruppen zu erreichen, deren Potenzial bislang nicht erschlossen werden konnte. Dem pflichtet Jörg Adams, Geschäftsführer ServicePlan Brand One GmbH bei: „Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass die Dialogkommunikation bei der Neukundengewinnung enorm an Bedeutung gewonnen hat. Im Web 2.0 bekommt die Entwicklung noch mal neuen Schub.“ Wer den Kundenwert nachhaltig steigern und die Kundenbindung verbessern will, sollte jedoch von den neuen Kommunikationsmöglichkeiten nicht zuviel erwarten: „Gerade angesichts der inflationären Zunahme von Informationen, die Menschen verarbeiten müssen, kommt es immer mehr darauf an, was gesagt wird. Kommunikation muss relevant sein, sonst dringt sie nicht durch.“ Aber was ist relevant? Und für wen? Für die Beantwortung dieser Fragen liefert das Social Web eine Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte.

Datenschutz: Fußfessel oder Chance im Wettbewerb?
Mit modernen Analysetools lassen sich bereits aus dem Nutzungsverhalten im Netz Personen identifizieren. Dass hierin große Potenziale für das Marketing, Vertrieb und Service liegen, darüber sind sich die Experten ebenso einig wie über die wachsende Bedeutung des Datenschutzes. Andreas Zipser bringt es auf den Punkt: „Das Thema Schutz der Daten und der Privatsphäre kommt ja nicht erst mit dem Web 2.0 und auch nicht mit der Novelle des Datenschutzgesetzes auf den Tisch. Es handelt sich vielmehr um ein Grundbedürfnis des Menschen, das Unternehmen ebenso respektieren müssen wie der Staat.“ Dass es sich bei diesem Bedürfnis keineswegs nur um ein Phänomen in älteren Verbrauchergruppen handelt, zeigt die wachsende Zahl von Protesten auch von Google-Befürwortern, auch in den USA. Trotz aller berechtigten Kritik an unklaren und praxisfernen Regelungen des Datenschutzes sieht Zipser in dem Thema auch eine Chance für Unternehmen, die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung und damit die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Hier können CRM-Lösungen wertvolle Hilfe leisten, indem sie rechtssichere Prozesse abbilden und durch intelligente Benutzerführung die Mitarbeiter in Marketing, Vertrieb und Service vor Risiken schützen. Denn, so Zipser: „Letztlich hängt Datenschutz immer am Kontakt, an der Adresse – und die ist der Kern von CRM“.

CRM-Top-Themen

Die 13 Top-Themen der CRM-Expertengruppe:

1. Change Management
2. Partner Relationship Management (PRM)
3. Analytisches CRM
4. Datenschutz
5. Software as a Service (/Saas)/CRM aus der Cloud
6. Social Media und CRM
7. Vertriebssteuerung
8. Service-Management
9. Adress-Management
10. Marktstrategien
11. Kunden-Wissensmanagement
12. Integrierte Vertriebsformen (B-to-B, B-to-C und Hybrid)
13. RoI von CRM Einführungen

Daran ändern auch neue Konzepte der Nutzung von CRM-Software wie Software as a Service (SaaS) und Cloud-Computing nichts. Im Gegenteil: Ebenso wie die zunehmenden Aktivitäten von Firmen und Personen im Social Web haben auch die Möglichkeiten von SaaS und Cloud das Bewusstsein der Menschen für den Datenschutz gefördert. „So fragen die Anwender beispielsweise bei On-Demand-Modellen schon frühzeitig nach dem Ort der Datenhaltung“, erklären die Anbietervertreter unter den Mitgliedern der Expertengruppe, und betonen: „Auch für uns bleibt der Wandel die wichtigste Konstante im CRM.“