Mitarbeiterempfehlung

Firstbird setzt auf Mitarbeiter als Headhunter

04.04.2017 von Hans Königes
Studien zufolge gelten Mitarbeiterempfehlungsprogramme als effizienteste Methode des Recruiting. Das hat sich das Startup Firstbird mit einer eigens dafür geschaffenen Plattform zunutze gemacht.

Es ist bekannt, dass vor allem IT-Unternehmen vor der Schwierigkeit stehen, bestimmte Positionen vor allem im Entwicklerumfeld, schnell und gut zu besetzen. Ebenso zählt zu den Allgemeinplätzen, dass eine Einarbeitung Geld, manchmal sogar viel Geld kostet - Personaler sprechen von Kosten um die 100.000 Euro, wenn ein Hochqualifizierter nach Einarbeitung die Firma verlässt. Und wenn man drittens noch bedenkt, dass ein gut eingespieltes Entwicklungsteam die halbe Miete sein kann, liegt es auf der Hand, sich mit Empfehlungsprogrammen für die Mitarbeiter etwas näher zu beschäftigen und zu entwickeln. Und selbstverständlich gleich eines auf digitaler Basis.

Arnim Wahls, Gründer von Firstbird: "Oft kommen die ersten Bewerbungen über Firstbird bereits einen Tag nach Veröffentlichung eines Jobs."
Foto: Firstbird

"Die Menschen verlieren in einer Zeit der medialen Dauerbeschallung mehr und mehr das Vertrauen in Marketing-Botschaften und wenden sich wieder verstärkt an den Rat von Freunden und Verwandten", ist Firstbird Gründer Arnim Wahls überzeugt. Der 33-jährige Betriebswirt hat gemeinsam mit zwei Partnern - natürlich in Berlin - ein digitales Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programm entwickelt.

"Wir vertrauen auf die Empfehlungen von Menschen, die wir kennen und schätzen", so Wahls. So sei es nur konsequent, die persönlichen Empfehlungen auch für die Jobsuche zu nutzen. Das heißt, die Mitarbeiter bereits von Beginn an in das Recruiting-Verfahren einzubeziehen, damit verbunden die Hoffnung, Kollegen an Bord zu holen, die ähnliche Wertvorstellungen haben und damit die Chance zu erhöhen, homogene, schlagkräftige Teams zu bekommen. Ziel müsse es laut Wahls sein, "jeden Mitarbeiter zu einem Headhunter zu machen, der in seinem privaten und beruflichen Netzwerk aktiv Ausschau hält nach passenden Kollegen für das eigene Team." Über Firstbird stellen die Firmen mittlerweile bis zu 60 Prozent ihrer neuen Mitarbeiter über ihr eigenes Netzwerk ein.

Beständig wachsende Community

In der Praxis funktioniert es so, dass sich Arbeitgeber einen Account auf Firstbird einrichten und Mitarbeiter, Alumni und Business Partner einladen, Talent Scout zu werden. Die Unternehmensführung versorgt die so geschaffene und beständig wachsende eigene Community mit aktuellen Stellenausschreibungen. Diese sollen dann die Jobs in ihren sozialen Netzwerken teilen, damit die Reichweite vervielfachen und potenzielle Kandidaten mit persönlichen Empfehlungen vorschlagen. Das Endergebnis sollte dann ein Pool an persönlich empfohlenen Talenten sein, die perfekt zum Unternehmen passen. "Der gesamte Vorgang ist transparent und jeder beteiligte Mitarbeiter kann den Status der ausgeschriebenen Stellen einsehen und mitverfolgen", versichert Wahls. Die Plattform dokumentiert alle Aktivitäten der Angestellten und ermöglicht der Unternehmensführung dadurch, Geld- und Sachboni für erfolgreiche Empfehlungen und besonderen Einsatz auszuloben. "Oft kommen die ersten Bewerbungen über Firstbird bereits einen Tag nach Veröffentlichung eines Jobs und nicht selten ist Firstbird schon wenige Wochen nach Einführung der effektivste Recruitingkanal", erzählt der Gründer stolz.

Damit aber die eigenen Mitarbeiter zu überzeugenden Botschaftern auf dem Arbeitsmarkt werden, müssten Unternehmen jedoch auch in ihr Personal investieren. Anstatt Recruitingbudgets für Online-Anzeigen, Personalberater oder Videos auszugeben, sollten Arbeitgeber "noch mehr in die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter investieren und ihre Empfehlungstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt belohnen".

Gutes Management ist wichtig

Wenn die eigenen Mitarbeiter das Recruiting stemmen, bleibt die Frage, welche Aufgaben Personaler übernehmen. Wahls gibt zu bedenken: "Die Umsetzung eines Empfehlungsprogramms benötigt gutes Management und strikte Qualitätskontrolle, um nicht in eine Freunderlwirtschaft abzugleiten. Das gewährleitet eine professionelle HR-Abteilung." Dieser Paradigmenwechsel bedeute also nicht das Ende von HR, sondern vielmehr einen Wechsel der Verantwortung - weg vom operativen Recruiting und hin zur Auswahl der besten Empfehlungen und dem Management von Empfehlungsnetzwerken.

Recruiting: Die 10 Schritte des optimalen Auswahlprozesses
1. Bedarfserkennung und Formulierung
Der gesamte Prozess startet, wenn das Unternehmen eine Vakanz erkennt und formulieren kann, wen es sucht. Dabei sollte gegebenenfalls der Betriebsrat hinzugezogen werden.
2. Profilbestimmung
Soll die Belegschaft homogen gehalten werden, was das Führen einfacher macht, oder heterogen sein, um durch neue Blickwinkel und Perspektiven die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu steigern - solche Fragen sind zu klären.
3. Marktbearbeitung
Ob die Personalsuche über digitale und mobile Kanäle erfolgt oder als ganz klassische Stellenanzeige - sie muss zu potenziellen Bewerbern passen. Grundsätzlich sagen Stellenausschreibungen immer auch etwas über das Unternehmensimage aus.
4. Kandidateninformation
Busold rät von schwammigen Formulierungen wie "managementerfahren" ab. Besser seien konkrete Anforderungen wie "nachweisbare Erfahrung in der Führung von Teams mit fünf bis sieben Mitarbeitern".
5. Kandidatenauswahl zum Gespräch
Bei Vorstellungsgesprächen sollten Entscheider bedenken, dass Bewerber Multiplikatoren sind. Sie können Kunden oder Konsumenten sein - und jetzt abgelehnte Bewerber zu einem späteren Zeitpunkt eben doch "der Richtige".
6. Zweites Gespräch/Assessment Center
Im Rahmen eines Assessment Centers testet das Unternehmen das Verhalten der Kandidaten in verschiedenen Situationen. Hier sollen Verhaltensweisen und Sozialkompetenzen deutlich werden.
7. Einstellungsprozess/Vertragsverhandlung
Mit der Einstellung und dem unterschriebenen Vertrag ist der Prozess noch nicht zu Ende. Der Vertrag stellt lediglich einen Zwischenschritt dar.
8. Onboarding-Prozess
Im Onboarding-Prozess geht es darum, neue Mitarbeiter so gut wie möglich in das Team zu integrieren. Ziel ist immer die Bindung guter Mitarbeiter.
9. Tag des Starts
Kommt der neue Mitarbeiter an seinem ersten Tag ins Unternehmen, müssen folgende Dinge geregelt sein: Schreibtisch, Laptop, Handy, Visitenkarten und Passwörter. Die anderen Mitarbeiter sollten informiert sein. Der Vorgesetzte nimmt den Neuen unter seine Fittiche und führt ihn durch die Firma.
10. Die ersten sechs Monate
Das Unternehmen sollte einen Fahrplan für die ersten sechs Monate des neuen Mitarbeiters erstellen. Dem Neuen sollte ein erfahrener Kollege als Mentor zur Seite stehen.
Tipps von Matthias Busold, Kienbaum
Matthias Busold ist Principal beim Personalberater Kienbaum. Den optimalen Auswahlprozess eines Bewerbers unterteilt er in zehn Schritte.