Führung in digitalen Zeiten bringt gravierende Änderungen mit sich. Im Gegensatz zu früher kommunizieren die "Dinge" direkt miteinander. Die Folge: Der Mensch bleibt außen vor. Statt zu führen, führt er nur noch aus. Die nachfolgenden Aspekte beleuchten Herausforderungen, Widersprüchlichkeiten und Notwendigkeit einer neuen Führungskultur. Was die angesprochenen Themen eint, ist die Gewissheit, dass diese Art der Veränderung das neue "Normalsein" sein wird und immer kürzere Zyklen durchläuft.
Foto: keport - shutterstock.com
Führung als selbsttätiger Organismus
Ohne Führung wird es auch künftig nicht gehen. Doch wird sie weniger von oben eingesetzt beziehungsweise angeordnet sein, sondern eher situativ entstehen. Ein Teammitglied wird aus der Situation heraus für ein bestimmtes Thema die Führung übernehmen. Und zwar diejenige Person, die sich das zutraut und gleichzeitig die notwendige Kompetenz mitbringt. Die Akzeptanz der anderen Gruppenmitglieder erfolgt dann nahezu automatisch, auch weil diese Person nach der erfolgreichen Aktion wieder als Mitglied in die Gruppe zurücktritt. So entsteht kein Zugzwang wie bei programmatisch eingesetzten Führungskräften, die stets die richtigen Antworten haben müssen, um den eigenen Status zu festigen oder nicht zu verlieren.
Zusammenarbeit organisieren
Durch die sozialen Medien hat der Freundschaftsbegriff eine ganz neue Dimension erfahren. Auch in der Arbeitswelt wird sich dieser Trend durch die zunehmende Projektarbeit und damit verbundenen Teams auf Zeit immer stärker ausbreiten. Da virtuelle Teams orts- und zeitunabhängig gemeinsam an einem Thema arbeiten können, ist es im Gegensatz zur bisherigen Gewohnheit nicht mehr zwingend notwendig, sich persönlich zu kennen. Doch wenn diese neue Form der Zusammenarbeit funktionieren soll, muss sie auch organisiert werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass jemand die Führung übernimmt. Das Gefühl der Gemeinsamkeit, der viel beschworene Teamgeist ist dabei auf andere Weise zu erzeugen als bisher. Altbewährte Instrumente wie Präsenzmeetings oder Workshops werden durch Elemente aus der Welt der Social Media abgelöst werden. Gleiche Interessen, Gruppen, Posts, gemeinsame Bekannte oder virtuelle Gruppen erzeugen das zukünftige Zusammengehörigkeitsgefühl.
Arbeitnehmer suchen sich passende Unternehmen
Verändern wird sich auch das Personalmanagement. Human Resources muss sich zu Human Relationship weiterentwickeln. Kernaufgabe des Personalwesens wird zukünftig die Bereitstellung von Rahmenbedingungen und Orientierung sein. Barrieren sind zu beseitigen anstatt zu errichten. Übermäßige Kontrollen, Rechtfertigungsmeetings, Genehmigungstorturen sind hier genauso zu vermeiden wie die Einengung von Möglichkeiten. Flexible Beschäftigungsmodelle, neue nichtmonetäre Belohnungssysteme, Vereinbarkeit von privaten Interessen mit dem geschäftlichen Auftrag sind nur ein paar Beispiele dafür. Permanentes Kompetenzmanagement wird deutlich wichtiger.
Auch wird es weniger von Belang sein, welche Ausbildung eine Person vor 20 Jahren erfolgreich abgeschlossen hat, sondern wer für die anstehende Aufgabe die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringt. Die Gegenwart wird damit wichtiger als alte Verdienste. Recruiting verändert sich von "das Unternehmen sucht aus" zu "der Arbeitnehmer sucht sich die passende Firma aus". Kultur, Freiheitsgrad, Sinn und Nutzen der Tätigkeit sind da wesentliche Kriterien. Diese Attraktivität für zukünftige Teammitglieder zu erhalten, ist die Herausforderung für Unternehmen.
Hierzu drei Thesen.
1. Konfliktmanagement
Missverständnisse sind vorprogrammiert: Permanent online sein und Informationen nahezu in Echtzeit mit unbegrenzt vielen Adressaten teilen zu können birgt Gefahren, die zu Konflikten führen können. Ereignisse in der gleichen Geschwindigkeit zu analysieren und zu bewerten ist nicht mehr möglich. Die dafür notwendige Zeit wird bereits von Gegenkommentaren, Antworten, Weiterleitungen genutzt. So verselbständigen sich Informationen, was zu Missverständnissen oder gar Unwahrheiten führen kann. Um in Unternehmen daraus keine gravierenden Konflikte entstehen zu lassen, muss in Form von Aufklärung, Mediation und Moderation präventiv gegengesteuert werden.
2. Die Möglichkeit Fehler zu machen
Trotz des nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehenden Wissens aus dem Internet wird nicht jeder dieses auch zielgerichtet abrufen und anwenden können. Vielmehr kommt es auf den richtigen Umgang mit Wissen an. Auf das Können - wie mit Erfahrungen und Mut bestimmte Dinge angepackt werden. Das schließt zwar die Möglichkeit ein, Fehler zu machen, gleichwohl gibt sich niemand gerne diese Blöße. Missgeschicke zu erlauben ist also nicht zielführend, bedeutet es doch, dass etwas, was man hätte wissen müssen, falsch gelaufen ist. Die gefragte Reaktion einer Fehlerkultur muss sein, aus dergleichen zu lernen. Inwieweit das dann zum Erfolg führt, hängt vom Können ab. Das heißt: Können wird wichtiger als Wissen.
3. Flexibles Miteinander
One-fits-all gehört für Unternehmen der Vergangenheit an. Heute sind Firmen gut beraten, auf die Vorstellungen ihrer Mitarbeiter möglichst einzugehen. Manche wollen in ihrer gewohnten IT-Umgebung arbeiten (Apple versus Windows), andere haben eigene Auffassungen über Ort und Zeit ihrer Arbeit. Neue Beschäftigungsmodelle und Belohnungssysteme können ebenfalls individuell ausfallen. Wer in Zukunft flexibel auf die Anforderung von Mitarbeitern reagiert, wird dauerhaft gute Talente um sich scharen und Erfolg haben. (pg)