20 Jahre Mobilfunk in Deutschland

Funkstille war einmal

05.10.2012 von Joachim Hackmann und Manfred Bremmer
Im Sommer 1992 gingen die Mobilfunknetze D1 und D2 an den Start. Die ersten Handys kamen heraus, klobig und unansehnlich. Seitdem hat sich einiges getan.
Foto: Telekom

Der Start des D-Netzes verlief alles andere als reibungslos. Eigentlich waren die beiden D-Netz-Betreiber Telekom und Mannesmann Mobilfunk bereits 1991mit ihrem Netz startklar, doch es fehlten die Telefone. In dieser Zeit wandelte sich das Kürzel GSM (Global System for Mobile Telecommunications) für den digitalen Mobilfunkstandard in eine Art Stoßgebet: "God Send Mobiles" (siehe Telekom: Digitaler Mobilfunk gerät vom Start weg ins Stocken). Erst Anfang 1992 erhielten Ericsson und Motorola die europaweite Zulassung für ihre Prototypen. Die Hersteller konnten ihre Produktion hochfahren und Ende Juni 1992 erste Mobiltelefone liefern.

"Das Thema Endgeräte und ihre Zulassung war in der Vergangenheit immer ein Ärgernis", schimpfte Klaus Hummel, damaliger Mobilfunk-Vorstand bei der Telekom, zum Betriebsstart. Der staatliche Carrier versprach den Kunden, man könne nun 10.000 Geräte von zwei Herstellern bereitstellen. Das Mobilfunkvergnügen war nicht billig: Die ersten Portablen verkaufte die Telekom zu Preisen von 3190 und 3850 Mark, hinzu kamen monatliche Grundgebühren von rund 80 Mark und Minutenpreise von zwei Mark. Kein Wunder, dass das mobile Telefonieren anfangs nur Begüterten, Managern und Enthusiasten vorbehalten war, denn der Durchschnittsverdienst eines Arbeitnehmers betrug damals 46.820 Mark pro Jahr.

20 Jahre Mobilfunk
20 Jahre Mobilfunk
Seit Juli 1992 können deutsche Kunden im digitalen Mobilfunknetz telefonieren. Die damals gestarteten D-Netze konnten zügig das vorhandene, aber sparsam genutzte analoge C-Netz ersetzen. Wir erinnern an Meilensteine in der nunmehr 20-jährigen Geschichte des GSM-Netzes in Deutschland.
Juli 1992 - Start der D-Netze in Deutschland
Die D-Netze von Telekom (D1) und Mannesmann Mobilfunk (D2) nehmen den Betrieb auf. Der private Herausforderer hat die Nase vor: Das D2-Netz geht am 30. Juni an den Start, D1 folgt am Tag darauf. Um die D2-Lizenz hatten sich zehn Firmenkonsortien beworben, darunter BMW, Springer, MAN und Daimler.
Juli 1992 – GSM – God send Mobiles
Der Betriebsstart hatte sich verzögert, weil es zunächst keine Handys gab. Das Kürzel GSM (Global System for Mobile Telecommunications) für den digitalen Mobilfunkstandard wurde zum Stoßgebet: "God Send Mobiles“. Im Juni können Ericsson und Motorola endlich eine europaweite Zulassung vorweisen. Zum Start stehen nur mobile Telefone im Kofferformat wie das Motorola "International 1000" bereit. Die Telekom wirbt zum D1-Netz-Start mit zwei unterschiedlichen Modellen zum Preis von 3190 Mark und 3850 Mark. Die Grundgebühren belaufen sich auf 79 Mark pro Monat.
Herbst 1992 – Das erste GSM-Handy
Im Herbst folgen tragbare Mobiltelefone. Das erste GSM-fähige Handy ist das „Motorola International 3200“, genannt „der Knochen“. Der Hersteller Loewe greift erstmals den neuen Gattungsbegriff "Handy" in der Produktbezeichnung seines "HandyTel 100" auf.
Dezember 1992 – SMS wird eingeführt
Der Short Message Service (SMS) wird eingeführt. Zunächst ist der Dienst eine kostenlose Ergänzung zur Telefonie, weil die Provider ihn als überflüssiges Anhängsel des GSM-Standards erachten. Erfolg und Gebührenpflicht kommen erst Jahre später.
Mai 1994 – Das E-Netz startet
Mit E-Plus tritt der zweite private Betreiber in den TK-Markt ein. Hinter E-Plus stehen Vebacom (Tochter des Energiekonzerns Veba, heute e.on) sowie der Thyssen-Konzern (Thyssen Telecom). Das neue digitale Mobilfunknetz sendet in einem höheren Frequenzband und wird als E-Netz bezeichnet.
1995 – SMS startet durch
Der SMS-Siegeszug beginnt, häufig abgeschickt von einem Nokia 2110, das damals so verbreitet ist, dass es den Beinamen „Volks-Handy“ trägt.
Februar 1997 – Prepaid-Karten beschleunigen den Handy-Absatz
Die ersten Prepaid-Karten kommen auf den Markt. Bei Mannesmann heißen sie CallYa, die Telekom vertreibt sie unter dem Namen Xtra.
Oktober 1998 – Das zweite E-Netz nimmt den Betrieb auf
Bereits im Februar 1997 hatte Viag Interkom (heute O2) die Lizenz bekommen, ein weiteres GSM-Netz zu betreiben. Am 1. Oktober 1998 startet der Provider in acht Ballungszentren. Viag Interkom wird später an die BT Group verkauft, heute ist O2 eine Marke der spanischen Telefonica.
1999 – WAP, erster Startversuch ins mobile Internet
Das "Wireless Access Protocol" wird eingeführt, anfangs fehlen entsprechende Handys (WAP = "Where Are the Phones?"). Das Nokia 7110 ist das erste WAP-fähige Handy in Deutschland. Der Zugang zum mobilen Internet bleibt jedoch dürftig. Es gibt nur wenige WAP-fähige Seiten, die Datenübertragung ist langsam und teuer.
1999 – Das erste Slider-Handy kommt von Siemens
Siemens beweist Gespür für den Markt und verkauft mit dem SL10 das erste Slider-Handy.
4. Februar 2000 – Vodafone gewinnt Übernahmeschlacht gegen Mannesmann
Mannesmann wird nach einer monatelangen Abwehrschlacht von Vodafone übernommen. Der Preis: 370 Milliarden Mark (etwa 190 Milliarden Euro). In der Folge zerschlägt Vodafone den Industriekonzern und verkauft die Einzelteile. Nur das Festnetz (Arcor) und den Mobilfunk behält Vodafone.
Juli 2000 – UMTS-Versteigerung
Im Mobilfunkmarkt herrscht Goldgräberstimmung. Sechs Carrier ersteigern für insgesamt über 100 Milliarden Mark (gut 50 Milliarden Euro) UMTS-Lizenzen für Deutschland. Mobilcom und Group 3G (Quam) geben ihre Lizenzen später zurück.
2001 – Mobile Datenübertragung auf GPRS-Basis
Die GPRS-Übertragung läuft an. Sie soll dem mobilen Internet zum Durchbruch verhelfen.
Februar 2002 – Blackberry kommt nach Deutschland
Der Blackberry kommt nach Deutschland, nachdem RIM mit seinem Push-Dienst für E-Mails den nordamerikanischen Markt für Business-Kunden erobert hatte.
2004 – Die UMTS-Netze gehen an den Start
Nach und nach fahren die deutschen Carrier ihre UMTS-Netze hoch. Den Anfang macht Vodafone, dicht gefolgt von der Telekom. Im Sommer 2004 sind auch E-Plus und O2 soweit. Das erste UMTS-fähige Handy im Vodafone-Netz ist das „Sony Ericsson Z1010“.
2005 – Siemens verkauft Handy-Sparte an Benq
Der erst wenige Monate amtierende Siemens-CEO Klaus Kleinfeld verkauft Siemens mobile an den taiwanesischen Hersteller BenQ. Zuvor war der Marktanteil von Siemens am weltweiten Handy-Geschäft kontinuierlich geschrumpft und die Sparte in die Verlustzone gerutscht.
März 2006 – Mobiler Datentransfer mittels HSDPA
Beim mobile Datenverkehr setzen die Carrier ab sofort auf HSDPA-Basis (High Speed Downlink Packet Access)
September 2006 – BenQ mobile stellt Insolvenzantrag.
Im Herbst 2006 zeichnet sich das Ende der Fertigung von ehemaligen Siemens-Handys in Deutschland ab. Benq mobile stellt Insolvenzantrag, Ende des Jahres wird der Betrieb stillgelegt.
2007 – T-Mobile verkauft iPhones in Deutschland
Ab November 2007 gibt es das erste iPhone in deutschen Läden. T-Mobile verkauft die Apple-Smartphones exklusiv zum Preis von 399 Euro und einer Mindestgrundgebühr von knapp 50 Euro je Monat. Das iPhone macht den mobilen Datenverkehr massentauglich, obwohl die erste Generation kein HSDPA unterstützt, sondern mit der GPRS-Erweiterung EDGE arbeitet.
Januar 2008 – Nokia schließt das Handy-Werk in Bochum
Anfang 2008 kündigt der finnische Hersteller Nokia an, seine deutsche Produktionsstätte in Bochum bis Mitte des Jahres zu schließen. Die Fertigung wird ins rumänische Cluj verlagert. Mittlerweile hat Nokia die Fertigung dort aber auch schon wieder eingestellt.
2009 – Die ersten Android-Smartphones
Im Februar bringt T-Mobile das erste Android-Smartphone auf den deutschen Markt. Das „T-Mobile G1“ von HTC hatte zuvor in den USA Verkaufsrekorde gebrochen.
2012 – Das erste LTE-fähige Handy
Das HTC Velocity 4G ist das erste LTE-fähige Handy.

Mobilfunk für Manager

Ab Herbst 1992 gab es dann endlich die ersten Handgeräte zum Preis von knapp 4000 Mark, legendär ist etwa das erste GSM-fähige Handy "International 3200" von Motorola, genannt "der Knochen". Wann, wo und warum sich der Begriff "Handy" für die portablen Geräte etablierte, ist unklar, denn anfangs sprach man oft auch vom "Funktelefon". Auf jeden Fall reagierte der Hersteller Loewe am schnellsten und integrierte den neuen Gattungsbegriff in die Produktbezeichnung "Handytel 100". Der Handy-Begriff konnte sich auch nur in Deutschland durchsetzen. Im englischen Sprachraum sind "Cellphone", "Mobile" und "Portable" gängige Bezeichnungen, und die Schweizer telefonieren mit dem "Natel" (abgeleitet von Nationales Autotelefon) mobil.

Die Entwicklung der Mobilfunkverträge in Deutschland: Besonders erfolgreich verlief das Jahr 2000.
Foto: Bundesnetzagentur/Statista

Die hohen Preise taten dem Siegeszug des Mobilfunks indes keinen Abbruch: Im Lauf des Jahres 1993 knackte die Branche die Marke von einer Million Teilnehmer, 1998 konnte sie den zehnmillionsten Kunden begrüßen. In guter Erinnerung dürfte den Providern das Jahr 2000 sein, als sie die Zahl der Verträge in Deutschland binnen Jahresfrist von knapp 24 Millionen auf über 48 Millionen verdoppeln konnten. Heute gibt es in Deutschland über 113 Millionen Mobilfunk-Verträge.

Kampf um Kunden: subventionierte Handys und Prepaid-Karten

Ein wesentlicher Grund für das stürmische Wachstums dürfte der enorme Wettbewerb gewesen sein, denn 1994 startete mit E-Plus der dritte Carrier, und 1998 kam mit Viag Interkom (heute O2) ein weiterer Konkurrent hinzu. Ab 1997 verkauften die Carrier zudem Prepaid-Karten, und Verträge mit subventionierten Handys sorgen dafür, dass sich mehr und mehr Bundesbürger ein mobiles Gerät leisten konnten. Einige Jahre zuvor hatte insbesondere Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) den Ausbau des SMS-Dienstes vorangetrieben, so dass Kunden auch über Netzgrenzen hinweg Kurznachrichten versenden konnten. Vom Erfolg des anfangs belächelten Dienstes wurde die gesamte Branche überrascht. 2011 versendeten alle Handy-Nutzer in Deutschland insgesamt rund 55 Milliarden SMS, fast ein Drittel mehr als im Vorjahr. Mit "simsen" hat der Mobilfunk zudem eine weitere Wortkreation dem allgemeinen Sprachgebrauch hinzugefügt.

Die ersten Handys der CIOs
Die ersten Handys der CIOs
Die COMPUTERWOCHE befragte deutsche IT-Chefs und Ex-IT-Chefs nach ihren ersten Handys und den schönsten Anekdoten.
Karlheinz Brandenburg, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie (IDMT) und Entwickler des MP3-Kompessionsverfahrens:
Was war Ihr erstes Handy?<br> <br> „Soweit ich mich erinnere, war es ein Gerät von Motorola. Das muss etwa in den Jahren 1994 und 1995 gewesen sein. Ich muss gestehen, dass ich mich an den genauen Zeitpunkt nicht mehr so genau erinnere.“
Karlheinz Brandenburg, Leiter des Fraunhofer-IDMT
"Ich weiß nicht, ob es tatsächlich dieses erste Handy war, aber ich erinnere mich, dass ich auf Dienstreisen das Handy schon recht bald als Wecker verwendet habe. Die Handys dieser Generation durften allerdings nicht ausgeschaltet sein, damit der Wecker auch tatsächlich funktionierte. Auf einer Dienstreise bekam ich dann eines Tages gegen drei Uhr, also mitten in der Nacht, einen Anruf. Die überraschte Anruferin aus den USA hatte damit gerechnet, dass man sein Handy natürlich nachts abschaltet und sie mir einfach eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen kann."
Karlheinz Brandenburg, Leiter des Fraunhofer-IDMT
Was ist Ihr aktuelles Handy? <br><br> „Zurzeit benutze ich mehrere Handys parallel. Im Auto ist noch ein gutes, altes Nokia-Gerät im Einsatz, das man noch nicht als Smartphone bezeichnet. Mein dienstliches Telefon ist ein Samsung-Smartphone. Bei allen Vorteilen vermisse ich doch einige Eigenschaften des guten, alten Handys: Es hat immer zuverlässig funktioniert, es ist so gut wie nie abgestürzt und hatte dabei eine Akku-Laufzeit von einer halben bis einer Woche. Das gibt es bei modernen Smartphones nicht mehr.“
René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom:
Wann habe Sie Ihr erstes Handy bekommen? <br><br> „Das war ein C-Netz-Handy und kam von Alcatel. Es hatte so eine Art Brikettform und hieß damals ironischerweise Pocky. ..."
Karl-Heinz Streibich, CEO der Software AG
Was war Ihr erstes Handy?<br><br> „Das war im Jahr 1988 ein C-Netz-Handy, ein portables Gerät, das im Kofferraum installiert wurde. Es kam von der Firma AEG."
Karl-Heinz Streibich, CEO der Software AG
„Wir haben alle auf die nächste superkleine Version gewartet, um den Kofferraum etwas zu entlasten, das das C-Netz Handy etwa so groß wie ein Schuhkarton war, und nur an ganz wenige Kollegen ging.“
Rolf Schwirz, CEO bei Kontron
Was war Ihr erstes Handy? <br><br>„1989 bekam ich mein erstes Firmen-Handy. Das war das Siemens C1, ein C-Netz Mobiltelefon, das man in einer Art „Umhängetasche“ trug.“
Rolf Schwirz, CEO bei Kontron
"Das C-Netz funktionierte damals lückenhaft und ab und zu unterbrach die Funkverbindung. Als ich eines Tages mit meinen Vertriebskollegen auf dem Weg zu einem Kunden in Rostock war, rief mich unser Chef auf diesem Handy an, um uns zu einem internen Meeting nach Berlin zurück zu rufen. Wir aber wollten unbedingt diesen letzten wichtigen Kunden auf unserer Akquisitionsliste gewinnen. Ich gab vor, dass die Funkverbindung hin und wieder zusammenbrach und ich meinen Chef daher nicht verstehen konnte. Wir fuhren zu besagtem Kunden nach Rostock und schlossen schließlich ein Geschäft mit ihm ab."
Dr. Michael Gorriz, CIO Daimler:
Was war Ihr erstes Handy? <br><br>„Meine erstes „Mobiltelefon“ war von Motorola und eher zur Selbstverteidigung als zum Telefonieren geeignet. Ich hatte ein Vorführmodell 1992 bekommen. Immerhin hat es gut zwischen die Sitze meines 190E gepasst und so konnte ich zwischen München und Stuttgart zumindest an einigen Stellen immer meine Sekretärin mit irgendwelchen unnötigen Anrufen auf den Nerv gehen. In Sachen Akkudauer sind wir leider wieder auf dem damaligen Stand angekommen. Mehr als einen Tag hält mein Blackberry selten.“
Volker Smid, Ex-Geschäftsführer der Hewlett-Packard Deutschland GmbH:
Was war Ihr erstes Handy?<br> <br>„Das war ein Analog-Handy, das ich im Jahr 1993 bekam.“
Volker Smid, Ex-Geschäftsführer der Hewlett-Packard Deutschland GmbH:
„Der Besuch der CeBIT 1993 war mit dem Gerät schwierig, weil gefühlte acht Kilogramm an meinem rechten Arm über 10 Stunden lasteten."
Hasso Plattner, SAP-Gründer und –Aufsichtsrat:
Was war Ihr erstes Handy?<br><br> „Mein erstes Handy habe ich ungefähr im Jahr 1992 bekommen, es war ein Nokia oder Motorola – an die Marke kann ich mich leider nicht mehr genau erinnern.“
Hasso Plattner, SAP-Gründer und –Aufsichtsrat:
„1999 kenterte ich mit dem Mini-Beiboot vor den Bermudas: Das Handy brummte noch dreimal, das war es dann.“
Winfried Materna, Geschäftsführender Gesellschafter der Materna GmbH:
Was war Ihr erstes Handy?<br><br> „Mein erstes mobiles Gerät - ein Autotelefon - war eine Siemens C2 im C-Netz mit einem Gewicht von etwa 7 kg im Jahre 1990. Es war ein gutes Kommunikationsmittel bei den ersten „Ausflügen“ in die neuen Bundesländer. Im D-Netz war das erste Gerät ein Siemens S1, ebenfalls Anfang der 90er Jahre, danach verläuft sich meine Erinnerung, wegen der Vielzahl von Geräten. Bevorzugt habe ich Nokia-Geräte genutzt, wegen der intuitiven Bedienung."
Winfried Materna, Geschäftsführender Gesellschafter der Materna GmbH:
„Mein Siemens S1 hat auch unserem Nachbarhund gut gefallen, so dass dieser es in einem unbeobachteten Augenblick schnappte und davon lief. Nur mein beherztes Eingreifen rettete das Gerät – es war nur leicht lädiert, aber funktionsfähig.“

Das Jahr 2000: Partylaune und Katerstimmung

Das Jahr 2000 markiert den Höhepunkt der Euphorie im Mobilfunkmarkt. Im Februar des Jahres ging Vodafone als Gewinner aus einer wochenlangen Übernahmeschlacht hervor. Der britische Carrier hatte die Gegenwehr der Mannesmann-Manager gebrochen, musste dafür aber sehr tief in die Tasche greifen. Der Wert der Akquisition belief sich auf 370 Milliarden Mark (etwa 190 Milliarden Euro). Es ist bis dato die teuerste Übernahme weltweit.

Im Juli des Jahres wurden zudem neue Mobilfunk-Frequenzen versteigert. Sechs Carrier zahlten jeweils über 16 Milliarden Mark für eine UMTS-Lizenz, der deutsche Staat nahm insgesamt über 100 Milliarden Mark ein (siehe UMTS: Der Stoff, aus dem die Träume sind). Die finanzielle Last der Frequenzversteigerung hat dem Geschäft nicht gut getan. Mit Mobilcom und Group3 (Quam) gaben zwei Anbieter ihre Lizenzen später zurück, sie sahen sich nicht in der Lage, die Auflagen beim Netzausbau zu erfüllen. Die Weltwirtschaftskrise zu Beginn des Jahrzehnts setzte auch den übrigen Carriern zu, so dass die Installation nur schleppend voran ging.

Erst zur CeBIT 2004 starteten die ersten Mobilfunkanbieter ihre UMTS-Netze. Der erhoffte Boom bei den Datendiensten ließ dennoch eine Weile auf sich warten. Dafür gab es verschiedene Gründe: Zum einen wollten die Carrier zumindest einen Teil ihrer immensen Investitionen möglichst schnell wieder einspielen und verschreckten in Folge besonders Privatnutzer mit den nach wie vor teuren Spezialtarifen. Zum anderen fehlte es in der Anfangszeit an erschwinglichen UMTS-Handys, auch an die kleinen Displays der Geräte angepasste Web-Seiten waren Mangelware - weshalb der 3G-Standard zunächst vor allem mit Notebook und UMTS-Datenkarte genutzt wurde.

Mit Flatrate und iPhone ins mobile Internet

Foto: Ivelin Ivanov - Fotolia

Im Laufe der Zeit verbesserte sich aber die Situation. So brachte etwa E-Plus im September 2005 die erste richtige Daten-Flatrate (mit Skype-Unterstützung!) für 40 Euro monatlich und setzte damit die Wettbewerber in Zugzwang. Gleichzeitig begannen die Carrier ab 2006 mit dem stufenweisen HSDPA-Ausbau, der höhere Bandbreiten versprach. Last, but not least stieg im Laufe der Jahre dann auch die Anzahl an - zumindest theoretisch - UMTS-fähigen Handys und Smartphones. Hier machte sich besonders Nokia mit vielen neuen Geräten verdient.

Doch es war Apple vorbehalten, das mobile Internet in Schwung zu bringen. Erst das 2007 erschienene iPhone machte Datenverbindungen via Smartphone wirklich massentauglich. Originellerweise unterstützte das Apple-Handy der ersten Generation dabei nicht einmal UMTS, sondern nur die GPRS-Erweiterung EDGE. Ausschlaggebender war indes, dass Nutzer das Gerät bei T-Mobile, bis zum iPhone 4 Exklusivpartner in Deutschland, nur in Verbindung mit einem Datentarif erwerben konnten. Auch viele der erst mit dem iPhone populär gewordenen Apps erforderten eine mobile Internet-Verbindung.

Nichts geht mehr ohne Smartphone

Foto: Violetkaipa, Fotolia.de

Mittlerweile ist jedes dritte Mobiltelefon in Deutschland ein Smartphone, bei neuen Geräten haben die Westentaschen-PCs einfache Handys sogar schon überholt. Bevorzugt sind dabei iPhones und die zahlreichen Modelle mit Android-Betriebssystem im Einsatz. Das Schicksal von einstmals bedeutenden Herstellern wie Palm, RIM oder Nokia, die das iPhone und damit verbundene Trends lange Zeit nicht ernst nahmen, im Anschluss nicht schnell genug reagieren konnten oder die falsche Entscheidungen trafen, ist dagegen bereits besiegelt oder steht auf Messers Schneide.

Und auch die Bedeutung der Handys hat sich gewandelt: Stand die Telefonie am Anfang im Vordergrund, ist sie heute nur noch eine Funktion unter vielen. Das Smartphone ist bereits jetzt auch MP3-Player, Fotokamera, Spielekonsole, Navi oder Mini-Computer - künftig kommen etwa mobile Geldbörse, medizinisches Meßinstrument oder Diktiergerät hinzu. Und mit dem Ausbau der LTE-Netze (Long Tem Evolution) sind auch die Tage der klassischen GSM-Telefonie gezählt. In einigen Jahren, so der Plan, könnte sie durch datenbasierte VoIP-Gespräche (VoLTE) ersetzt werden.