Sorgenkind Business Intelligence

Gartner beklagt große Widersprüche bei der Nutzung von BI

22.01.2009 von Sascha Alexander
IT-Manager geben regelmäßig Tools und Anwendungen für Business Intelligence höchste Priorität. Doch was sie dann mit diesen machen, finden die Analysten mehr als bescheiden.

Beinah schon gebetsmühlenhaft beklagen die Auguren von Gartner jedes Jahr auf ihrer Fachkonferenz "BI Summit" die Versäumnisse der Anwender bei der Umsetzung von Business-Intelligence-Initiativen. Es gebe (zu) viele Widersprüche bei der heutigen Nutzung von BI, mahnte Andreas Bitterer, Vice President Research, zum Auftakt der diesjährigen Veranstaltung im niederländischen Den Haag.

Vielleicht liege es daran, dass CIOs zwar seit 2006 und dem Thema auch für 2009 "höchste Priorität" einräutmen, aber "jeder letztlich etwas anderes darunter versteht", rätselte Bitterer. Vielleicht werde aber BI aber einfach nur deshalb so oft zitiert und in Produkte und Dienstleistungen investiert, weil es bestehende BI-Systeme zu modernisieren gilt.

Statt über Wege zu einer integrierten Unternehmenssteuerung nachzudenken, bilden Anwender bisher vor allem bestehende (Finanz)prozesse ab und freuen sich an einem verbesserten Berichtswesen. Von einem strategischen, ganzheitlichen Vorgehen beim Einsatz von BI sei die große Mehrheit der befragten Unternehmen weit entfernt (siehe auch den Bericht über den letzten BI Summit). .IT-getriebene Lösungen, interne politische Querelen, Silo-Lösungen und ein Zoo aus Werkzeugen bestimmten das Bild. "Vielleicht wird BI von den IT-Verantwortlichen einfach nur deshalb so oft zitiert, weil sie laufend in bestehende BI-Systeme und Dienstleistungen investieren müssen, nicht aber, weil sie eine Strategie verfolgen."

Unternehmen im Blindflug

Systematische Ansätze wie der eines "Business Intelligence Competency Center" (BICC) als Steuerorgan für BI-Aktivitäten fehlten. Ebenso mangelt es an gemeinsame Standards und Definitionen, einem breiten Vertrauen in die Lösungen und ihre Reports sowie an Fachwissen (das allerdings laut Anwendern auch bei Herstellern oft fehlt). Die angesichts der aktuellen Wirtschaftslage bedenklichen Folgen sind laut Gartner, dass beispielsweise über 35 Prozent der Global-5000-Unternehmen auch in den kommenden drei Jahren keine fundierten Entscheidungen auf der Basis der Analyse von Geschäftsinformationen treffen können.

Andreas Bitterer, Vice President Research bei Gartner, machte zum Auftakt der Konferenz deutlich, dass es heute in Unternehmen eine große Diskrepanz zwischen der Bedeutung und Nutzung von Business Intelligence gebe.

"Es kann doch nicht sein, dass immer mehr Geld in BI investiert wird und sich strategisch nicht ändert", wundert sich Bitterer. Die vielen Gegensätze zwischen Anspruch und Wirklichkeit müssten endlich aufgelöst werden: "Wollen Sie ein Data Warehouse oder ein Data Dump (Datenhalde)? Wollen Sie Datenqualität oder Data Penalty, eine BI-Strategie oder BI-Anarchie? Stehen Kennzahlen nur für CYA (Cover Your Award) und sollen lediglich helfen, Boni zu sichern?" (siehe auch den Beitrag "Verstehen Sie Etwas von Corporate Performance Management?")

Einmal mehr betonten die Analysten vor Teilnehmern aus 34 Ländern, dass es heute keine technischen Probleme mehr seien, die Unternehmen von einer effizienteren Nutzung der Tools und Anwendungen abhalten. Was fehlt, ist vielmehr oft der "Business Case" für BI (siehe auch den Beitrag "Gartner fordert einen Masterplan für BI"). Hierbei sei vor allem mehr Engagement der Fachabteilungen gefragt. Sie sollte nicht im Alleingang BI-Lösungen an der IT vorbei aufbauen, sondern zusammen mit dieser beispielsweise in Workshops zunächst klare Anforderungen definieren. Diese Zusammenarbeit sei umso wichtiger, da laut Bitterer die Leute in den Fachbereichen oft gar nicht wüssten, was sie bräuchte, "außer, dass sie Reports haben wollen".

Analysesoftware als SaaS

Aber auch die IT müsse sich intern besser verkaufen. Viele Fachabteilungen hätten laut Gartner das Vertrauen verloren, dass die IT angemessen und schnell auf die steigenden und wechselnden Informationsbedürfnisse reagieren könne. Die Folge sei, dass Fachbereiche wieder mehr eigene, oft Excel-basierende Lösungen aufbauten und mit individuellen Kennzahlen versuchten, ihre finanzielle Performance zu messen. Ebenso sei laut der Analysten ein wachsendes Interesse an analytischen Anwendungen zu beobachten, die bereits Standardprozesse etwa für Planung, Budgetierung, Forecasting abbilden. Laut Prognosen der Auguren wird dabei auch die Nutzung externer Analyseanwendungen als Software-as-a-Service zunehmen.

Bis 2010 werden rund 20 Prozent aller Unternehmen industriespezifische Analyseanwendungen nutzen, erwartet Gartner-Analyst Kurt Schlegel. Er sieht in diesem Zusammenhang vor allem das Aufkommen von "Powerbrokern" wie Nielsen, Thomson Reuters oder IMS Health, die Kunden mit aufbereiteten Marktanalysen versorgen und Abonnenten vielfältige Reporting- und Analyseoptionen über das Web zur Verfügung stellen. Schlegel rechnet damit, dass es künftig Hunderte solche Powerbroker geben wird, die für einen Bruchteil der Kosten, die intern durch den Aufbau von BI-Systemen und die Beschäftigung eigener Analysten entstehen, ihre Dienste anbieten können.

Hinzu kommen Anbieter wie FirstAmerican oder AdaptivePlanning die vor allem Standardanwendungen für Planung oder Budgetierung im SaaS-Modell anbieten, diese aber auch in die internen Prozesse der Kunden einbinden lassen. "So ein Szenario wäre vor wenigen Jahren nicht denkbar gewesen", sagte Gartner Research Vice President Kurt Van Decker auf der Veranstaltung.

Gewinner in der Wirschtschaftskrise

Doch bei so viel Schatten in der BI-Praxis muss sich auch Licht finden. Und tatsächlich gibt es durchaus eine wachsende Gruppe von Unternehmen, die ihr BI-Stückwerk durch ein an einer Strategie ausgerichtetes Vorgehen ersetzen wie beispielsweise die Volkswagen AG. So hatten Teilnehmerbefragungen im letzten Jahr auf den BI Summits in den USA und Europa gezeigt, dass rund 31 Prozent bereits über ein BICC verfügen und weitere 38 Prozent eines planen.

Und noch eines zeige sich laut Kristina Robinson, Vice President und General Manager Business Intelligence Solutions bei Hewlett-Packard. Man könne gerade in Krisenzeiten deutlich erkennen, dass diejenigen Unternehmen, die bereits zuvor BI und Corporate-Performance-Management systematisch eingeführt haben, jetzt davon profitieren, indem sie schneller als andere auf Marktveränderungen reagieren können. "Die starken Firmen werden in der Krise noch stärker werden", sagte Robinson.