Dritte Ära der IT

Gartner: CIOs von Digitalisierung überrannt

29.01.2014 von Christiane Pütter
Jeder zweite CIO könne mit dem Tempo der Digitalisierung nicht mithalten. Sie seien der dritten Ära der Enterprise IT nicht gewachsen, behauptet Gartner.

Die sonst so kühlen Analysten vom US-Marktforscher Gartner begeben sich ins Reich der Fabelwesen. "Taming the digital dragon: the 2014 CIO Agenda" nennen sie eine aktuelle Studie unter 2300 IT-Entscheidern weltweit. Die befragten Drachenbändiger zeigen sich allerdings mutlos.

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Das heißt in Zahlen: 51 Prozent der Studienteilnehmer äußern die Befürchtung, mit dem Tempo der Digitalisierung nicht Schritthalten zu können. 42 Prozent beklagen außerdem fehlende Skills. Gartner betrachtet die Digitalisierung als dritte Ära der Unternehmens-IT. Ein kurzer Rückblick auf die Gartner-Definitionen:

Dabei wischen die neuen Anforderungen alte nicht vom Tisch, betont Gartner. CIOs stehen 2014 vor zwei Aufgaben: einerseits das Paradigma der Digitalisierung mitgestalten, andererseits immer noch für Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen sorgen. Das erfordere zwei verschiedene Fertigkeiten.

Nicht mehr Kollege, sondern Chef

Graham Weller, Vice President und Executive Partner bei Gartner, rät IT-Chefs zu einem neuen Umgang innerhalb der Firma. Haben CIOs in der Vergangenheit gelernt, den Anwender als Kunden und die Entscheider aus den Fachabteilungen als Kollegen zu betrachten, müssen sie sich nun in eine Führungsrolle entwickeln. Es ist die des Digital Leader.

Gartner mag den CIOs wachsende Bedeutung innerhalb der Unternehmen zuschreiben - die Budgets wachsen nicht mit. Wie die Analysten in einer anderen Studie erhoben, stagnieren die Etats. Die Situation sei "herausfordernd", kommentieren die Analysten.

Die 10 CIO-Prioritäten für 2014
Der CIO muss sich 2014 um den Mehrwert der IT für das Unternehmen kümmern. Das ist seine persönliche Aufgabe und Herausforderung, meint Luis Praxmarer von der Experton Group.
1. Aufbau von Innovationsteams
In fast allen Unternehmen steht das Thema Innovation ganz oben auf der Agenda. Die IT muss funktionsübergreifende Teams aufbauen, um alle Innovationsbereiche aktiv angehen zu können: also Innovationen bei Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen. Fast 75 Prozent der Verantwortlichen auf der Geschäftsseite sehen die IT nicht als Innovationsführer, und noch mehr sprechen den IT-Experten die dafür erforderlichen Qualifikationen ab.
2. Business Prozess Know-how, Self-Service, TCE
Entwicklung von Geschäftsprozesswissen; Geschäftsprozess-Masterplan, Self-Service, Total Customer Experience (TCE); Total Customer Experience
3. BI, Big Data, Enterprise Performance Management
Business Intelligence steht auf der Prioritätenliste schon eine ganze Weile ganz oben. Die Implementierung schreitet allerdings nach wie vor relativ schleppend voran und erfolgt meist auf isolierte Weise für einzelne Applikationen. Jetzt steht mit dem Schritt auf die nächste Ebene die Implementierung eines Enterprise-Performance-Management-Konzepts an. Angesichts der zunehmenden Datenmenge aus vielen unterschiedlichen Quellen bieten "Big Data" Konzepte vielen Unternehmen einen exzellenten Mehrwert.
4. Industrie 4.0, Branchen-Trends, IT als Produkt
Der vierten industriellen Revolution, kurz Industrie 4.0, bescheinigt die Experton Group enormes Potenzial und dies obwohl es von der Regierung initiiert wurde. Laut Wiki ist Industrie 4.0 ein Zukunftsprojekt in der Hightech-Strategie der Bundesregierung, mit dem die Informatisierung der klassischen Industrien, wie z.B. der Produktionstechnik, vorangetrieben werden soll.
5. Workspace of the Future - Mobility
Nicht mehr der Arbeitsplatz steht im Mittelpunkt sondern der Arbeitsraum. Wer hat noch einen festen Arbeitsplatz im herkömmlichen Sinn? Ja, es werden noch viele in den nächsten Jahren sein, aber eben schon lange nicht mehr alle. Es kommt zu einer radikalen Verschiebung durch die Mobilität, die wir heute mit dem Einsatz von ICT erreicht haben. Der "Bring-your-own-Device"-Ansatz (BYOD) hat zu allerlei Kontroversen geführt. Doch Tatsache ist: BYOD wird nicht mehr zu unterbinden sein.
6. Social Business, Strategie & Richtlinien
Social Collaboration bedeutet Dezentralisierung der Organisation und des internen Kommunikationsstils. Bei der externen Kommunikation und geschäftlichen Ausrichtung wird oft vom Social Enterprise / Social Business gesprochen, auch wenn das mit "sozial", verantwortungsvollen Investitionen oder Achtsamkeit eigentlich nichts zu tun hat. Wir alle wissen ja, wie sich durch die sozialen Medien der Kommunikationsstil zwischen Menschen und Organisationen verändert hat. Das muss bei der übergreifenden ICT-Strategie bedacht werden, und die IT-Organisation ist gefordert, entsprechende Empfehlungen für das Unternehmen aufzusetzen.
7. Dynamic Infrastructure dem Business anpassen (Cloud!)
Cloud Computing als neue IT-Architektur des Jahrzehnts, ermöglicht mehr Flexibilität und Business-Fokus für die IT-Strategie. In den meisten Unternehmen gibt es inzwischen eine stabile IT-Umgebung und auch die Effizienz wurde in den vergangenen Jahren gesteigert. Eine agile IT ist allerdings in den meisten Fällen noch nicht umgesetzt worden. Agilität bedeutet, die sehr schnelle Anpassung der Ausgaben und Ressourcen an sich verändernde Märkte.
8. Security & Datenschutz (Cloud, BYOD, Mobility)
Cloud Computing, BYOD und Mobility werden immer wichtiger. Damit sind Sicherheit und Datenschutz ein Muss und eine unabdingbare Voraussetzung. Das Thema Identitätsmanagement nimmt ja bereits seit einiger Zeit eine hohe Priorität ein. Bei der Implementierung vieler Cloud-Lösungen spielt es nun eine ganz entscheidende Rolle. Es muss ein Cloud-Framework aufgebaut werden, das auch die Themen Single-Sign-On, Provisionierung, Verrechnung und Sicherheit adressiert. Das Thema Datenschutz hat und hatte insbesondere in Deutschland immer schon einen sehr hohen Stellenwert und muss natürlich all diese neuen Lösungen mit beinhalten.
9. Skill Analyse & HRM-Strategie
In der Mehrheit der Unternehmen liegt bei der IT-Qualifikation der Fokus zu 90 Prozent darauf, die Systeme am Laufen zu halten. Es geht also um Skills wie Management des IT-Betriebs, Helpdesk, Infrastrukturmanagement, Desktops und mobile Endgeräte und Anwendungsunterstützung. IT-Architekten und Geschäftsprozess-Spezialisten sind dagegen dünn gesät. Anders ausgedrückt, die meisten Skills sind in Bereichen vorhanden, die bereits heute oder spätestens in nächster Zukunft Standard sind und dem Unternehmen keine Wettbewerbsdifferenzierung bieten.
10. Sourcing Strategie überarbeiten (Commodity/Value)
Insgesamt 80 Prozent des Server-basierten Computings wird bis zum Jahr 2020 ausgelagert sein. Es gilt, diesen Trend zu verstehen und sich entsprechend vorzubereiten, zu entscheiden, was Standard ist und was dem Unternehmen einen Mehrwert bringen kann. Auch wenn die Rechenzentren regelmäßig aufgerüstet wurden, sind viele doch nicht in der Lage, moderne Strom- und Kühlungsbedarfe zu erfüllen.

Welche Projekte CIOs planen

Die Studienautoren haben IT-Chefs nach ihrem konkreten Vorgehen im neuen Jahr befragt. Auch dazu ein paar Zahlen:

Gartner will CIOs aber nicht mutlos sehen. Wer den Drachen Digitalisierung zähme, der ermögliche seinem Unternehmen immense neue Wertschöpfungsmöglichkeiten und erneuere seine eigene Rolle, versichern die Analysten.