Kommentar zur neuen Infrastruktur für das industrielle IoT

General Electric entwickelt die Predix-Cloud

21.10.2015 von Frank Sempert
General Electric kündigte kürzlich an: Mit der Predix-Cloud soll im Jahr 2016 – ergänzend zur bestehen-den Predix-Plattform – eine neue Cloud-Infrastruktur zur Speicherung industrieller Daten und deren Analysen auf den Markt kommen.

Für Predix PaaS, ein Cloud-basiertes Platform-as-a-Service-Modell, pflegt General Electrics (GE) bereits Beziehungen zu vielen Cloud-Partnern, wie etwa Amazon Web Services (AWS) und Verizon, deren Services in erster Linie auf Entwicklung und Prüfung ausgerichtet sind.

Die neue Predix-Cloud-Infrastruktur wird an GEs bestehendes PaaS angepasst und auf die Verarbeitung von industriellen Datenströmen und Maschinendaten ausgerichtet sein - mit zusätzlichem Fokus auf Leistungsfähigkeit, Interoperabilität, Governance und Sicherheit. Damit ist die Predix-Cloud eine speziell entwickelte Plattform und Infrastruktur für das industrielle Internet der Dinge (IoT). Die Predix-Cloud verwendet die Pivotal Cloud Foundry, um Anwendungsentwicklung, Bereitstellung und Betrieb zu unterstützen.

Vernetzt, überwacht und sicher über den Wolken: Das Turbofan-Triebwerk von General Electric in einer Boeing 747-8.
Foto: Sergey Kohl - shutterstock.com

Zudem ist GE davon überzeugt, dass Cloud Computing zu Innovationen in der Industrie führe und in seinen wichtigsten Kundensegmenten - Luftfahrt, Energie, Gesundheit und Verkehr - eine bessere Datennutzung, eine schnellere Analyse und eine qualitativere Asset-Performance ermögliche. Das passt auch sehr gut zu den Ergebnissen der jüngsten Cloud Infrastructure-Umfrage 2015, in der Unternehmen eine Präferenz für IT-Ressourcen andeuteten, die einer bestimmten Auslastung standhalten können.

Der Markt für Private Clouds ist im Begriff zu wachsen, und Unternehmen möchten zunehmend eigene Clouds einrichten. Die Möglichkeit, eine Private Cloud und Plattformen durch ein Unternehmen wie GE zu beziehen, kann die Komplexität dieser Angelegenheit verringern - vor allem in High-Performance- und regulierten Branchen, wie GE sie bedient.

Der Plan

Das industrielle Internet entwickelt sich, um den sich verändernden Anforderungen von Maschinendaten gerecht zu werden. Deshalb durchlaufen Unternehmen gerade eine digitale Transformation. Außerdem müssen anlagenintensive Unternehmen die Kosten für diesen bedeutenden Investitionsbereich besser verwalten. Für die Verwaltung und Überwachung dieser Anlagen explodieren die industriellen Datenströme geradezu - zeitgleich mit dem rasanten Ausbau internetfähiger Industrieanlagen.

Mit Asset Performance Management (APM) entsteht ein Testfeld, das dazu dient, die Verwaltung von Industrieanlagen - sei es in Bezug auf die Maschinen oder die Arbeitnehmer - zu verbessern. Pitney Bowes, ein weltweit operierender Technologieanbieter und Hersteller von Systemen der Unternehmenskommunikation, hat kürzlich bekannt gegeben, der erste Predix-Cloud-Kunde von GE sein zu wollen, um die APM-Funktionen auf der Predix-Plattform zu stärken.

Die Auslastung des industriellen Internets zieht Anforderungen an eine IT-Infrastruktur nach sich, denen man mit öffentlichen Cloud-Services nicht gerecht werden kann. Zum Beispiel benötigt man im Gesundheitswesen und in der Logistik Echtzeit-Datenströme für schnelle Entscheidungen. In der Luftfahrt und Energieindustrie ist ein hoher Datenschutz von oberster Priorität. Hier stellt GE die Predix-Cloud der öffentlichen Cloud gegenüber: öffentliche Cloud-Services seien für jede Person oder Organisation zugänglich. Die Predix-Cloud hingegen verwende ein "Gated Community"- Modell, womit ein begrenzter Zugang zur Cloud sichergestellt sei.

IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player.
Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten.
Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit.
Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert.
Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird.
IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können.
Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann.
Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit.
SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing".
Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren.
PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.

Die Auswirkungen auf den Markt

GE behauptet, dass sich Maschinendaten in ihrer Vielfalt, Menge und Geschwindigkeit von gewöhnlichen Daten unterscheiden. Daher seien Cloud-Services für Consumer-Anwendungen nicht auf Bedürfnisse von Maschinendaten ausgelegt. GE behauptet außerdem, die Predix-Cloud sei bezüglich Asset-Konnektivität, Verfügbarkeit, Sicherheit, Governance und Interoperabilität anderen Clouds überlegen und biete zusätzlich Einblicke für Entwickler.

Letztendlich werden die Zielmärkte von GE darüber entscheiden, ob die Predix-Cloud als Ergänzung oder als Ersatz öffentlicher Cloud-Services wie AWS eingesetzt werden wird. Darüber hinaus sind GEs eigene Produkte ein geeignetes Testfeld für ihre neue Plattform. Düsentriebwerke, Züge und andere Sensoren von GE erzeugen täglich riesige Mengen Terabyte an Informationsdaten. Eine derartige Ansammlung von Daten ist in der öffentlichen Cloud zwar möglich, GE weist jedoch darauf hin, dass es entscheidend ist, dass diese Datenströme direkt mit den Operationen des Anwenderunternehmens verbunden sind. Man benötigt also eine Plattform, die nicht nur analysiert, sondern auch kontrolliert.

Generell ist in den letzten Jahren ein Trend erkennbar, demnach sich die Unterscheidung zwischen Infrastructure-as-a-Service (IaaS) und Platform as a Service (PaaS) aufhebt. Insgesamt rücken Plattformen und Infrastruktur näher zusammen. Während man vor Ort zunehmend auf eine konvergierte Infrastruktur setzt, dominiert in der Cloud eine Mischung aus PaaS und IaaS.

Ein Paradebeispiel hierzu ist AWS: Es hat nicht nur wichtige und neue Infrastruktur-Arten geliefert, sondern bietet auch zusätzliche Services, die von APIs gesteuert werden. AWS-Kunden können über die AWS-Plattform nicht mehr nur Server und Speicher nutzen, sondern auch eine wachsende Anzahl fortschrittliche und wertvolle Zusatz-Funktionen wie Machine Learning Service, Lambda, Kinesis und Redshift.

Andere Anbieter haben in Sachen Cloud-Services eine ähnliche Richtung eingeschlagen. IBMs "Bluemix PaaS" zum Beispiel ist nun fester in IBM "SoftLayer Hardware" eingebunden, sowohl virtuell als auch den "Bare-Metal-Server" betreffend. Ein weiteres Beispiel ist die neue "Deploy to Docker"-Funktion in Bluemix, die Code innerhalb eines Docker-Containers laufen lässt, der wiederum automatisch von SoftLayer verwaltet wird.

IoT-Kongress "LiveWorx 2015" in Boston, Mai 2015, ThingWorx, PTC
IoT-Kongress LiveWorx 2015
Jim Heppelman, Präsident und CEO von PTC, der Mutter von ThingWorx, eröffnet den IoT-Kongress LiveWorx 2015.
IoT-Kongress LiveWorx 2015
In einer sinnfälligen Bühnen-Demo zeigte ThingWorx ein scheinbar normales BMX-Bike, das jedoch derart mit Sensoren gespickt war, dass daraus eine digitale Kopie erzeugt werden konnte.
IoT-Kongress LiveWorx 2015
Diese Kopie empfing per WLAN Sensordaten von Federung, Bremse, Verschleißteilen, so dass beim realen Fahren des Bikes laufend Verhaltensdaten an diese Kopie geliefert wurden.
IoT-Kongress LiveWorx 2015
Sämtliche Leistungsdaten dieses "digital twin" ließen sich auf einem mobilen Endgerät wie etwa einem Tablet abrufen, um so die Performance zu beobachten.
IoT-Kongress LiveWorx 2015
Michael Porter, Professor an der Harvard Business School, warnt vor den im Zusammenhang mit IoT anstehenden Umwälzungen in IT und Business.
IoT-Kongress LiveWorx 2015
Michael Porter, Professor an der Harvard Business School: "Viele der heute gültigen Technologiestapel werden für IoT-Zwecke nicht mehr geeignet sein."
IoT-Kongress LiveWorx 2015
Der Höhepunkt des zweiten Konferenztages war zweifellos die Anwesenheit von Apple-Mitgründer Steve Wozniak.
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Das junge Team "SmartSign" gewann im IoT-Wettbewerb de Preis in der Kategorie "Barrierefreiheit für Blinde".
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Als Jurymitglied hatte Steve Wozniak die knifflige Aufgabe übernommen, das beste IoT-Projekt eines vor der Konferenz begonnenen Experiments zu küren.
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Steve Wozniak mag nicht mehr der Jüngste sein, aber er ist immer noch begeistert von den Möglichkeiten, die die IT bietet, damals, wie künftig.
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In der IoT-Technologiepyramide, die IDC veröffentlicht hat, stehen Analytik und Apps ganz oben, Connectivity hingegen gehört zu den Fundamenten des ganzen Technikstapels.

GE-Partner Cisco veröffentlichte Ende Juni 2015 das neue Internet der Dinge (IoT)-System - Ciscos Antwort auf die Komplexität der Digitalisierung von Anschlussgeräten mit sechs Technologieelementen: Netzwerkkonnektivität, Fog-Computing, Sicherheit, Datenanalyse, Management/Automatisierung und APIs. Dazu zählen 15 neue IoT-Produkte innerhalb dieser Bereiche. Die GE Predix nutzt das System von Ciscos Fog-Computing.

In der verarbeitenden Industrie ist ein zeitnaher Profit durch das Internet der Dinge abzusehen. Während dieser Sektor beim Cloud-Einsatz nachhinkte, scheint er das Internet der Dinge willkommen zu heißen.
Die neue GE Cloud-Lösung veranschaulicht und bestätigt die Bedeutung von Cloud Computing für die verarbeitende Industrie und verringert für Unternehmen die Risiken beim Übergang zur Cloud.

Auf Seiten GEs besteht allerdings das Risiko, dass die Unterscheidungen zwischen den Cloud-Services für die Industrie und den Verbraucher-Systemen die Kunden interessieren wird, die GE sicherlich eine Prämie für die Zusatzleistungen dieses Services zahlen würden. Doch bei neuen Services sind gewisse Risiken nie ausgeschlossen. Und doch sollte der Käufer durch Pilotinstallationen, eine solide Cloud-Transition-Planung und durch die starke Präsenz von GE auf dem Markt des Industrie-Internets diese Risiken entschärfen können. (bw)