Kolumne

"Gesicht wahren ist alles"

20.07.2001
Christoph Witte Chefredakteur CW

Die erste Runde im Ringen um eine Einigung zwischen Microsoft, der amerikanischen Bundesregierung und den 18 noch verbliebenen Einzelstaaten, die Microsoft wegen Monopolmissbrauchs verklagt hatten, ist eingeläutet. Noch hat keine Seite entscheidend gepunktet oder - um im Bild zu bleiben - zum Schulterwurf des Gegners angesetzt. Noch ist die Gefahr zu groß, in diesem Kampf ausgekontert zu werden.

Obwohl die Kontrahenten sich gegenseitig weismachen, dass ihnen eine erneute Auseinandersetzung vor Gericht willkommen sei, dürfte zumindest Microsoft eine richterlose Beilegung des Falles favorisieren. Eine weitere Verhandlung vor einem Distriktgericht, in der das Strafmaß neu festgesetzt wird, muss Microsoft schon deshalb fürchten, weil die dort verhängten Sanktionen weitaus weniger verhandelbar sind als zwischen den betroffenen Parteien. Die Zusagen, nicht hauseigene Browser-Symbole auf dem Startbildschirm zuzulassen und die Lizenzverträge mit den OEM-Partnern so umzustricken, dass auch die Icons externer Softwareprodukte in die Windows-Oberfläche integriert werden können, möchten die Redmonder deshalb als deutliche Friedenssignale verstanden wissen. Es handelt sich dabei keineswegs um Zugeständnisse: Der Browser-Krieg ist längst entschieden. Mit weit über 80 Prozent Marktanteil tut sich Microsoft leicht, Windows für andere Internet-Zugangssoftware zu öffnen.

Doch auch die Antitrust-Behörde steht unter Druck, weiß der leitende Staatsanwalt Charles James doch, dass die Bush-Administration an einer gütlichen Einigung interessiert ist. Außerdem hat das Berufungsgericht zwar bestätigt, dass Microsoft sein Monopol missbraucht hat, machte das aber nicht an der Kopplung von Betriebssystem und Browser fest, sondern in erster Linie an den unlauteren OEM-Verträgen, von denen Microsoft behauptet, sie schon längst geändert zu haben. Darüber hinaus läuft die Zeit gegen die Kläger. Wenn Microsoft Windows XP im Herbst so ausliefern darf wie geplant, hat der ganze Antitrust-Zinober für den Verbraucher, dessen Wahlfreiheit es ja eigentlich zu schützen gilt, nichts gebracht.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass es jetzt vor allem darum geht, dass die Klägerpartei ihr Gesicht nicht verliert. Will Microsoft also eine außergerichtliche Einigung, dann tut es gut daran, echtes Entgegenkommen zu zeigen: zum Beispiel, indem es sich verpflichtet, frühzeitig und verbindlich zu erkären, was es noch auf welche Weise in sein Betriebssystem zu integrieren gedenkt. Dann hätte das Unternehmen weiterhin die "Freiheit zur Innovation", die Konkurrenz könnte eigene Produktstrategien entwickeln, die nicht durch ein neues Microsoft-Bundling zur Makulatur werden würden (Real Player), und der Anwender hätte wieder eine echte Wahl.