Keine Konkurrenz zu Second Life

Google Lively bringt neues Publikum in virtuelle Welten

09.07.2008 von Wolfgang Sommergut
Google kündigt mit "Lively" seine eigene Anwendung für Online-3D-Welten an. Es integriert Inhalte aus anderen Diensten und lässt sich in Websites und soziale Netzwerke einbinden.

Der aus den Google Labs stammende Service für 3D-Welten erlaubt Benutzern, aus einer vorgegebenen Sammlung einen digitalen Stellvertreter (Avatar) auszuwählen und eigene virtuelle Räume einzurichten. Diese dienen als Treffpunkt für die Kommunikation mit anderen Nutzern, die man dorthin einladen kann. Die Möblierung dieser Chat-Rooms muss ebenfalls aus einem Katalog zusammengestellt werden. Innerhalb dieser virtuellen Begegnungsstätten können sich Anwender über ihre Avatare entweder privat eins-zu-eins unterhalten ("flüstern") oder mit allen Anwesenden austauschen.

Benutzer können ihren digitalen Stellvertreter aus einem bis dato noch überschaubaren Katalog auswählen.

Mit derartigen Funktionen reproduziert Lively Bekanntes aus anderen Online-3D-Welten. Allerdings verfolgt die Anwendung nicht den Anspruch von Second Life, ein ganzes digitales Universum inklusive Ländereien und Immobilien zu errichten, sondern beschränkt sich auf Räume, die der Begegnung und Kommunikation dienen. Im Unterschied zu anderen virtuellen Realitäten etabliert Lively auch keine eigene Ökonomie auf Basis von realen oder fiktiven Währungen. Und schließlich sieht der Service zumindest vorerst nicht vor, dass Benutzer wie bei anderen Diensten eigene Avatare oder Einrichtungsgegenstände kreieren. Sie müssen sich auf eine Auswahl aus einem indes umfangreichen Angebots beschränken.

Ganz offensichtlich verfolgt Google das Anliegen, dank seiner Reputation und der einfachen Handhabung von Lively breite Anwenderschichten für virtuelle 3D-Welten zu erschließen. Gleichzeitig dient der neue Service als Ort, an dem sich verschiedene Inhalte und Anwendungen aus dem Google-Portfolio zusammenführen lassen. So sind etwa virtuelle Fernsehgeräte in der Lage, auf Youtube gespeicherte Videos abzuspielen, während sich in Bilderrahmen Fotos aus Picasa einblenden lassen.

Verankerung im realen Web

Während etwa Second Life zwar über eine Programmierschnittstelle verfügt, mit der sich Ausschnitte aus der virtuellen Welt in Web-Seiten einbinden lässt, repräsentiert es dennoch einen relativ abgeschotteten Kosmos, der primär über die proprietäre Client-Software zugänglich ist. Lively benötigt zwar auch einen eigenen Client, den es zurzeit ausschließlich für Windows XP und Vista gibt, aber Google möchte den Service vor allem im realen Web verankern. Benutzer können ihre Räume einfach in Web-Seiten einbinden, indem sie wie bei Youtube eine vorgegebene URL in deren HTML-Code kopieren. Außerdem lassen sich die Chatrooms auf einfache Weise in soziale Netze wie Facebook oder MySpace einbinden, so dass Anwender ihre Kontakte dorthin einladen können.

Für eine weite Verbreitung von 3D-Chatrooms sollen zudem Gadgets sorgen. Es handelt sich dabei um Mini-Anwendungen, die sich wie Portlets in Google Desktop oder das Portal iGoogle einklinken lassen. Besonders interessant erscheint die umgekehrte Variante, bei der Gadgets innerhalb von virtuellen Räumen ablaufen können. Eine entsprechende Schnittstelle existiere laut Mel Guymon, Googles Leiter für 3D-Projekte, bereits und soll in wenigen Wochen verfügbar sein. Benutzer könnten dann etwa ein RSS-Gadget dafür verwenden, um mit einem virtuellen Projektor die Schlagzeilen einer Nachrichten-Site oder die neuesten Einträge aus ihrem Weblog an die Wand zu werfen.

Werbung statt Gebühren

Der Service befindet sich in guter Web-2.0-Manier derzeit noch im Betastadium und ist wie bei Google üblich kostenlos. Laut Guymon verfüge das Unternehmen bereits über Pläne, wie es damit Einnahmen erwirtschaften wolle, gebe diese aber derzeit nicht bekannt. Der Benutzer solle dadurch aber möglichst wenig beeinträchtigt werden. Aufgrund von Googles Erfolg im Werbegeschäft kann man davon ausgehen, dass auch Lively zum Umfeld für Anzeigen wird.

Konkurrierende Anbieter, deren Service Lively stärker nachempfunden ist als Second Life, fühlen sich nach eigenem Bekunden nicht durch den jüngsten Schritt des Web-Riesen eingeschüchtert. Das gilt besonders für IMVU, ein Unternehmen mit über 20 Millionen Mitgliedern. Es wurde von Mel Guymon mitbegründet, der nun federführend an Lively mitarbeitete. Google hatte 2005 erfolglos versucht, dieses Startup zu übernehmen. Der jetzige CEO Cary Rosenzweig begrüßt laut Virtual World News den Markteintritt von Google, weil dies neue Benutzerschichten in die virtuellen Welten bringe und damit auch die Chancen der Mitbewerber erhöhe.