IT-Arbeitsmarkt

Harte Zeiten für Arbeitgeber

08.03.2012 von Karen Funk
IT-Profis werden in allen Branchen und allen Funktionen händeringend gesucht. Über den Fachkräftemangel, Maßnahmen dagegen, aber auch über Verlierer am Arbeitsmarkt diskutierten Experten im Job&Karrierezentrum der COMPUTERWOCHE auf der CeBIT 2012.

Mit seinem Statement "So hart wie jetzt war es noch nie für die Arbeitgeber!" brachte Stephan Pfisterer die derzeitige Lage auf den Punkt. Der Bereichsleiter Bildungspolitik und Arbeitsmarkt beim Branchenverband Bitkom erklärte auf der CeBIT, dass Deutschland in Bezug auf die unbesetzten Stellen in der IT jetzt fast bei einem Allzeithoch angekommen sei. Bitkom selbst zählte unlängst 38.000 offene Positionen. Bei nur 23.000 arbeitssuchenden IT-Fachkräften sei das Reservoir an geeignetem Personal klein. Allein im Bereich Software und IT-Services seien 20.000 Stellen vakant.

Dass die Situation prekär ist, darüber waren sich alle Teilnehmer einig, die die COMPUTERWOCHE zur Eröffnungsdiskussion ihres Karrierezentrums auf der diesjährigen CeBIT geladen hatte. Winfried Holz, Deutschlandchef des IT-Dienstleisters Atos, bestätigte: "Das, was wir dieses Jahr erleben, habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt," und meinte damit vor allem die Bandbreite an IT-Experten, die gesucht wird. So fehle es an der gesamten Palette, die die IT bedient. Holz hob im Einzelnen die Projekt-Manager, Domainspezialisten, Business-Intelligence (BI)- und Big-Data-Experten hervor, nannte aber auch die neuen Trends wie Cloud und E-Mobility, wo händeringend Personal gesucht würde. Oft müssten sich die Arbeitgeber mit weniger zufrieden geben, wie auch Atos: Statt der gewünschten 700 neuen Mitarbeiter habe man im vergangenen Jahr nur 350 einstellen können. Holz gab zu: "Wir könnten mehr Geschäfte machen, wenn wir mehr Leute hätten."

Erfahrene Profis haben ihren Preis

Besonders gefragt - und damit Mangelware - sind bei Anwendern, Herstellern und Dienstleistern gleichermaßen IT-Spezialisten mit Berufserfahrung. Und Arbeitgeber sind bereit, für diese Profis tiefer in die Tasche zu greifen. "Erfahrung ist wertvoll, aber Erfahrung ist auch teuer", bestätigte Christoph Bauhofer, General Manager der Internet-Agentur Conrad Caine aus München. Und: "Man muss gezwungenermaßen auf Einsteiger zurückgreifen." Das haben auch die großen IT-Beratungsunternehmen wie Accenture verinnerlicht und suchen neben gestandenen Consultants verstärkt junge Mitarbeiter, wie Frank Mang, Executive Partner bei Accenture Deutschland, bestätigte.

Es gebe allerdings auch Verlierer auf dem Arbeitsmarkt, relativierte Christiane Benner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, die Aussagen der Mitdiskutanten. "Die Bereiche Hardware und Telekommunikation sehen wir skeptischer. Da sind viele Arbeitsplätze weggefallen", sagte sie. Nach einer Erhebung von Bitkom ging die Zahl der Beschäftigten in der Telekommunikation seit 2007 um 46.000 auf 222.000 zurück. Die Gewerkschafterin sprach sich dafür aus, mehr Qualifizierungsmaßnahmen zu ergreifen, um Mitarbeiter an Bord zu behalten. Zwar könne man sicher nicht aus jedem Hardware-Profi einen IT-Berater machen, aber es gebe auch andere Profile, die passen könnten. "Wenn es einem Unternehmen schlecht geht, setzen wir uns mit dem Betriebsrat und der Personalabteilung zusammen und entwerfen eine Zielmatrix. Das heißt, wir definieren, wo will man hin und welche Profile sind dafür notwendig", führte Benner aus. Darauf abgestimmt könne man Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln.

Immer weniger Firmen bilden aus

Zudem bedauerte Benner, dass immer weniger IT-Unternehmen ausbilden: "Vor zehn Jahren gab es noch 20.000 Ausbildungsplätze, heute sind das 15.600." Auch wenn sich das duale Hochschulsystem sehr gut entwickelt habe, wiege es den Wegfall der Ausbildungsstellen noch nicht auf. Deutlich gesunken sei auch die Zahl der weiblichen IT-Auszubildenden. Die Gewerkschafterin machte sich stark für mehr Aufklärungsarbeit und forderte, die sperrigen Namen der IT-Berufe aufzubrechen, um eine IT-Karriere auch für Frauen attraktiver zu machen.

Bitkom-Vertreter Pfisterer erinnerte an das kurze Hoch bei den Ausbildungsplätzen um 2001 und 2002. Seitdem sei die Zahl zwar gesunken, aber stabil geblieben. Das habe auch etwas mit dem Strukturwandel der Branche zu tun: "Vor zehn Jahren gab es noch Fertigung in Deutschland, und Systemelektroniker beispielsweise waren noch gefragt. Heute ist das anders." Er nannte als Beispiel IBM, das inzwischen weitgehend zum Beratungsunternehmen geworden sei. Statt der Facharbeiter stünden heute eher höhere Schulabschlüsse und tertiäre Abschlüsse auf der Wunschliste der Arbeitgeber. "Gerade Hochschulabsolventen werden gesucht, weil man ihnen eher zutraut, mit der Innovationsgeschwindigkeit in der IT mitzuhalten," erklärte der Arbeitsmarktexperte.

it-arbeitsmarkt
IT-Arbeitsmarkt 2012
Wer sind die Gewinner, wer sind die Verlierer auf dem IT-Arbeitsmarkt? Wir haben Manager, Personaler und Headhunter befragt.
Atos-Chef Winfried Holz....
sucht über 700 neue Mitarbeiter: "Der IT-Arbeitsmarkt ist sehr hart, bei Jobprofilen wie SAP-Beratern oder Softwareentwicklern ist er zum Bewerbermarkt geworden.
Auch für Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte des Bitkom,..
...steht fest: Der Arbeitsmarkt für Software- und Servicespezialisten ist der wichtigste Wachstumstreiber.
Im Bereich TK-Infrastruktur...
... werden dagegen Stellen abgebaut, wie die Massenentlassunmg bei Nokia Siemens Networks zeigt. Hier wird die Jobsuche immer schwieriger.
Personalberater Lars-Rüdiger Fink (Next Level):
"Wer nur breite Javalenntnisse hat, ist austauschbar und läuft Gefahr, seinen Job zu verlieren." Pluspunkte bringt dagegen Domainspezifisches Wissen im Banken- oder Energiesektor.
Programmiersprachen wie PHP...
...oder Ruby on Rails sind wichtig für Webentwickler, die derzeit besonders in Berlin gefragt sind.
In Berlin...
... baut etwa die KfW-Bank ihren IT-Entwicklungsstandort auf.
Julia Fietkau, zuständig für Personalmarketing in der KfW:
"In Berlin spüren wir einen verstärkten Wettbewerb um Anwendungsentwickler. Diese werden auch von vielen Internet-Agenturen oder -Unternehmen gesucht."
Auch Cloud Computing...
...kurbelt die Nachfrage nach IT-Profis an: Gefagt sind Systemarchitekten, IT-und Prozessberater.
IT-Sicherheitsexperten....
...sind dort gefragt, wo große Daten verwaltet werden müssen: Ob in Banken oder bei Online-Spielefirmen.
Projektleiter....
.... haben nach wie vor beste Aussichten auf dem IT-Arbeitsmarkt.
Headhunter Guido Happe (Steinbach & Partner):
Besonders gefragt sind Manager von Großprojekten, die über eine Projekt-Management-Ausbildung und fundiertes Methodenwissen verfügen. Zudem bauen Anwender viele Inhouse-Consulting-Stellen auf. Dafür suchen sie Kandidaten, die über IT-, Branchen- und Prozesswissen verfügen und dieses in andere Bereiche übertragen können."
pmOne-Vorstand Rolf Hoellger...
...sucht Softwarearchitekten im Bereich Data Warehouse, von denen es sehr wenige auf dem Markt gibt.
Auch Karl-Heinz Bornscheuer, Abteilungsleiter Personal bei der KfW,...
...weiß um die schwierige Suche nach ausgewiesenen Experten: "In ganz Europa gibt es nur ein paar Dutzend Experten für das Handelssystem Summit. Hier müssen wir die Stecknadel im Heuhaufen finden, was in der Regel nur über Headhunter gelingt."
Erfahrene SAP-Profis....
...sind eine weitere begehrte Spezies auf dem IT-Arbeitsmarkt.
Personalberaterin Dagmar Schimansky-Geier (1a Zukunft)..
..muss zum Beispiel lange nach SAP-Retail-Spezialisten oder Application Managern suchen.
Dennoch ist die Zeit der großen Gehaltssprünge vorbei.
Ein Jobwechsel ist nicht mehr automatisch mit einer deutlichen Gehaltssteigerung verbunden.
Auch Christoph Bauhofer,...
General Manager der Internet-Agentur Conrad Caine, will das Gehlats-Pingpong mancher Kandidaten nicht mitmachen. Er sucht vor allem Mitarbeiter für Beratung und Konzeption. Die Webentwicklung hat die Agentur nach Brasilien ausgelagert.
Softwareentwickler...
...gehören dagegen zu den gesuchtesten Gruppen auf dem IT-Arbeitsmarkt. Allerdings muss dürfen sie nicht zu breit aufgestellt sein.

"Jeder ist uns willkommen", hielt Atos-Mann Holz dagegen und bezog sich damit auch direkt auf die jungen Nachwuchskräfte. Atos zähle 300 Auszubildende und über 80 Absolventen der dualen Studiengänge pro Jahr. Dennoch passe nicht jeder zum Unternehmen, wie Bauhofer von Conrad Caine einwarf: "Es geht darum, die Stellen mit den richtigen Kräften zu besetzen." Gerade in München, wo Conrad Caine ansässig ist, sei es schwierig, an guten IT-Nachwuchs heranzukommen, denn es gebe viele attraktive Arbeitgeber. "Jeder, der von der TU München abgeht, landet bei Google", beklagte der Agenturmann den harten Konkurrenzkampf um die Talente. Die Lösung war für die Internet-Agentur letztendlich, einen Entwicklungsstandort in Brasilien zu eröffnen.

Ausweg Offshoring?

Ein Weg, den die großen Unternehmen, schon lange beschritten haben. Accenture-Mann Mang nannte konkrete Zahlen: Im Jahr 2000 habe das Beratungsunternehmen in Deutschland zirka 2500 und in Indien 1000 Mitarbeiter gezählt. Jetzt seien es hierzulande 5000 und in Indien 80.000. "Wir können in Indien 1500 bis 2000 Mitarbeiter im Monat einstellen", so Mang. Es handele sich nicht nur um Programmierer, sondern auch viele Berater. Diese Dimensionen seien in Deutschland gar nicht denkbar. Dennoch gefährde dieser Trend keineswegs deutsche Arbeitsplätze, sondern schaffe auch hier neue Stellen. "Wir können offshore nur wachsen, wenn wir onshore wachsen und umgekehrt", resümierte Mang.

Atos-Manager Holz ist überzeugt, dass gerade Cloud Computing und die "deutsche Cloud" mit ihren Wettbewerbsvorteilen Datenschutz und -sicherheit auch hierzulande für genügend Arbeitsplätze sorgen werden. "Die Rechenzentren werden in Deutschland bleiben", prognostizierte er. "Und auch die Innovationen machen Sie mit dem Kunden vor Ort." Etwa beim Thema E-Mobility und Tankstellenabrechnung werde es neue Jobs geben. Einig waren sich die Diskutanten darin, dass zwar die reinen Codiertätigkeiten weitgehend abgewandert seien, aber Fachkräfte mit technischem Wissen, Sozialkompetenz, analytischem Denken und betriebswissenschaftlichen Kenntnissen in Deutschland langfristig gute Chancen haben werden.