HP Enterprise und HP Inc.

Hewlett-Packard ist ab heute zweimal auf dem Börsenzettel

02.11.2015 von Heinrich Vaske
Hewlett-Packard tritt von heute an zweigeteilt am Markt auf: Die Hewlett-Packard Enterprise (HPE) soll Unternehmenskunden versorgen, die HP Inc. baut weiter PCs, Printer und in Kürze auch 3D-Drucker. Marktbeobachter beurteilen den Schritt unterschiedlich.
  • HPE muss sich ohne Public-Cloud-Angebot durchschlagen
  • HP Inc. macht mehr Umsatz mit viel weniger Mitarbeitern
  • PC- und Druckersparte will mehr in F&E investieren

Nach jahrelanger Vorbereitung ist es heute so weit: HP-Chefin Meg Whitman wird an der New York Stock Exchange (NYSE) die Glocke läuten für den Börsengang der Hewlett Packard Enterprise Co. Damit ist die Spaltung vom PC- und Druckergeschäft, das unter der Führung von CEO Dion Weisler als HP Inc. an den Start geht, abgeschlossen.
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Die große Frage, die beide Unternehmen auf Dauer beschäftigen wird, lautet: Wie gelingt es HPE und HP in einem sich rasant ändernden Marktumfeld relevant zu bleiben? Wie das "Wall Street Journal" analysiert, wird es für Weisler darum gehen, die noch immer hohen Gewinnmargen aus dem Printer-Business dafür zu verwenden, den Forschungs- und Entwicklungsetat deutlich zu erhöhen. Der Manager ist zuversichtlich: Ein Großteil der Gewinne aus dem Drucker- und PC-Geschäft sei in den vergangenen Jahren auch von Geschäftsbereichen absorbiert worden, die heute in der HPE aufgehen. Insofern werde Geld frei, um der Entwicklungsabteilung einen Schub zu versetzen.

HP Inc. will Aktionäre belohnen

HP werde in seine bestehenden Technologien investieren und neue Felder erschließen - etwa den 3D-Druck oder den Kopierermarkt, auf dem es ebenfalls noch viele Optionen gebe. Zudem soll ein Gutteil der Erträge als Dividende an die Investoren ausgeschüttet werden. So hofft Weisler, die Aktie attraktiv zu halten.

Die Story von Hewlett-Packard
Die Story von Hewlett-Packard
Hewlett-Packard (HP) durchlebt seit drei, vier Jahren sehr stürmische Zeiten. Das liegt nicht nur an Verschiebungen auf dem Markt und starkem Wettbewerb, sondern auch an der Sprunghaftigkeit sowie Fehlentscheidungen im Topmanagement und in der Unternehmensstrategie. Allerdings hat der Konzern seit seiner Gründung bereits erfolgreich eine respektable Metamorphose durchgemacht.
1939: In der Garage fing alles an
In der mittlerweile wohl berühmtesten Garage der Welt findet Hewlett-Packard 1939 seinen Anfang. Damals gründen Bill Hewlett und David Packard ihr Unternehmen und schrauben neben ihren eigentlichen Jobs in der Garage gleich auf dem Grundstück in Palo Alto, auf dem sie wohnen, einen Tongenerator zusammen. Sie legen damit unbewusst den Grundstein für das Silicon Valley, die vielbeachtete Hightech-Region in Kalifornien.
Die Walt Disney Studios zählen zu den ersten Kunden ...
... und kaufen gleich acht Oszillatoren HP200B, um ein innovatives Tonsystem für den Film "Fantasia" zu entwickeln.
1957: Der Gang an die Börse mit Messtechnik
1951 erfindet HP mit dem 524A ein Hochgeschwindigkeits-Frequenzmessgerät. Damit ist technisch die Grundlage für das Analysegeschäft gelegt. Fünf Jahre später baut das Unternehmen sein erstes Oszilloskop. 1957 geht HP an die Börse. Eine Aktie kostet 16 Dollar. (In Frankfurt wurde die HP-Aktie am 30. April 2013 für knapp 15,50 Euro gehandelt.)
1959: Produktion in Deutschland
Die erste Produktion außerhalb der USA baut HP 1959 in Deutschland auf. Hier hat das amerikanische Unternehmen die meisten Kunden im europäischen Geschäft. Die Standortentscheidung für Baden-Württemberg ist angeblich eine Entscheidung gegen Bayern: In München soll ein Ministeriumsvertreter bei Gesprächen mit Bill Hewlett die bayerische Lebensart mit deftiger Brotzeit und Bier allzu sehr gelobt haben. Der Amerikaner war aber mehr an Produktivität als an Lebensgenuss interessiert und entschied sich deshalb für das als tüchtig und arbeitsam geltende Schwaben.
1962: Böblingen verantwortet das Softwaregeschäft
Der nächste Umzug steht im Jahr 1962 an: Über 150 Mitarbeiter ziehen in das HP-eigene Werk in der Herrenberger Straße, an der noch heute der Sitz der deutschen Tochter liegt. Im Jahr 1963 wächst die technologische Bedeutung der deutschen GmbH: Böblingen baut eine Entwicklungsabteilung auf.
1966: Marktpremiere des ersten HP-Computers
1967 zeigt HP Deutschland, dass das Unternehmen nicht nur technologisch an der Spitze stehen will und führt als internationaler Vorreiter flexible Arbeitszeiten ein. Stechuhren haben ausgedient, auch in der Produktion. In den USA führt HP ein solches Arbeitszeitmodell erst sechs Jahre später ein.
1972: Der Taschenrechner hält Einzug
Mit dem HP-35 bringt Hewlett-Packard 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner der Welt auf den Markt, zwei Jahre später kommt der erste programmierbare Taschenrechner dazu, der HP 65.
1977: Miniaturisierung mit dem HP-01
n der Elektronik treibt HP die Miniaturisierung voran und bringt 1977 eine Art Personal Digital Assistant fürs Handgelenk heraus: Die HP-01 trägt sich wie eine Armbanduhr, zeigt aber nicht nur die Uhrzeit an, sondern dient auch als Taschenrechner und Kalender.
1980: Der erste Personal Computer HP 85
Im Jahr 1980 bringt HP seinen ersten Personal Computer auf den Markt, den HP 85. Mit kleinem Bildschirm und schmalem Druckwerk erinnert er noch stark an eine Schreibmaschine. Für die deutsche Tochtergesellschaft gewinnt das Softwaregeschäft an Bedeutung: Die GmbH übernimmt die Verantwortung für Entwicklung und Vermarktung von Anwendungssoftware im CAD/CAM-Bereich und behält sie auch bis zur Abspaltung des Geschäftsbereichs im Jahr 2000.
1988: Die fetten Druckerjahre kommen
Ab 1988 beliefert Hewlett Packard mit seinem Tintenstrahldrucker HP DeskJet den Massenmarkt, ab 1991 auch mit einem Farbdrucker, dem DeskJet HP 500C.
1993: Jörg Menno Harms prägt HP Deutschland
Im Jahr 1993 übernimmt Jörg Menno Harms den Vorsitz in der Geschäftsführung der HP GmbH. Bis heute ist er dem Unternehmen verbunden und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats inne. Die ersten x86-Server von HP kommen unter dem Namen ProLiant auf den Markt.
1998: Jordana - der erste PDA
Mit dem HP Jornada PDA baut Hewlett-Packard 1998 seinen ersten echten Personal Digital Assistant.
2001: Fusion mit PC-Hersteller Compaq
Eine weitere Änderung äußert sich 2001 in der Gründung von HP Services. Der Computerhersteller will stärker auch mit Dienstleistungen Geld verdienen und bietet jetzt Consulting, Outsourcing, Support und Solution Deployment Services an. Das Internet und elektronische Dienstleistungen bilden den Kern der neuen HP-Strategie. Nach dem Abschluss der Übernahme von Compaq geht auch in Deutschland das neue Unternehmen HP am 3. Mai an den Start.
2004: Geschäftsfeld IT-Services wird ausgebaut
Das Unternehmen erweitert sein Angebot für Privatanwender um digitale Unterhaltungstechnik vom Fotodrucker bis zum Personal Media Drive. Im selben Jahr macht HP einen großen Schritt in Richtung Dienstleister und schließt zum 1. April 2004 die Akquisition von Triaton ab, dem von ThyssenKrupp ausgegründeten IT-Dienstleister des Stahlkonzerns.
2005: HP feuert Fiorina und holt Mark Hurd
Der Verwaltungsrat entlässt 2005 die Konzernchefin Carleton Fiorina. Ihr Compaq-Deal bleibt umstritten. Ihr Versuch, Konkurrenten wie Dell im unteren und IBM im oberen Leistungsbereich des IT-Geschäfts anzugreifen, gilt als wenig erfolgreich. Ihr Nachfolger wird Mark Hurd, Chef der NCR Corporation.
2008: EDS-Übernahme macht HP zum Servicegiganten
Mit dem Zukauf von einer ganzen Reihe an Unternehmen will HP sein Geschäft in den Bereichen Software und Services stärken. 2008 übernimmt HP schließlich für 13,9 Milliarden Dollar den IT-Dienstleister EDS, nach der Compaq-Übernahme der zweitgrößte Deal der Unternehmensgeschichte. EDS beschäftigte damals knapp 120.000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 21,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. HP wird damit im Dienstleistungsgeschäft zu einem absoluten Schwergewicht mit 210.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Milliarden Dollar.
2009: HP kauft den Networking-Spezialisten 3Com
Seine Netzwerkkompetenz baut HP schließlich 2009 durch die Akquisition der 3Com Corporation aus. In Deutschland übernimmt zum 50-jährigen Bestehen der HP GmbH Volker Smid den Vorsitz in der Geschäftsführung. Er leitet bis heute die Deutschland-Tochter.
2011: eBay-Chefin Meg Whitman übernimmt das Ruder
Der Verwaltungsrat ist gegen Apotheker und holt eBay-Chefin Meg Whitman. Seit dem 22. September 2011 ist sie CEO von HP. Sie geht einen anderen Weg, sieht das Hardwaregeschäft als wichtiges Standbein. Mittlerweile hat sie HP einen harten Sparkurs verordnet. Die Geschäftszahlen für 2012 waren noch katastrophal: Bei einem Umsatz 120,4 Milliarden Dollar machte HP einen Verlust von 12,7 Milliarden Dollar.
2013: Das PC-Geschäft bricht ein
Unter Whitman will HP wieder in die technologische Offensive gehen. Neue Produkte rund um Cloud Computing, Big Data und Analytics sollen helfen, das Runder herumzureißen. Sie sollen das wegbrechende PC-Geschäft kompensieren helfen. HP ist zwar noch Marktführer, doch die PC-Verkäufe sind im ersten Quartal 2013 um fast 24 Prozent abgesackt.
2014: Die Aufspaltung kommt
Anfang Oktober 2014 nimmt der einstige Branchenprimus Anlauf für den finalen Befreiungsschlag: Bis November 2015 soll der Konzern durch einen Aktiensplitt aufgeteilt werden in HP Inc. als Anbieter von Personal Computern und Drucker sowie in Hewlett-Packard Enterprise (HPE) mit Unternehmenslösungen für Infrastruktur, Software und Services.
2015: Neues Enterprise-Logo
Im April stellt Hewlett-Packard Enterprise sein neues Logo vor.

Die Herausforderung für HPE besteht indes darin, Unternehmenskunden bei der Stange zu halten, die sich zunehmend an den Cloud-Angeboten von Amazon Web Services (AWS) und Microsoft orientieren. HPE hat hier nichts anzubieten: Erst in der vergangenen Woche erklärte das Unternehmen seinen Rückzug aus einem bereits mehrere Jahre andauernden Vorhaben, ein konkurrierendes Angebot zu AWS auf die Beine zu stellen.

Kein Public-Cloud-Angebot

Toni Sacconaghi, Analyst bei Sanford B. Bernstein & Co., sagte im Gespräch mit dem Journal, dass sich ein Großteil des Markts in eine Richtung entwickle: die Public Cloud. Diesen Kunden habe HPE nicht viel anzubieten. Grundsätzlich hätten traditionelle Anbieter ihre Probleme, diesen disruptiven Wandel mitzugehen - aber andere Wettbewerber stellten sich dabei schlauer an als HPE. IBM etwa habe sich mit seinem Zwei-Milliarden-Dollar-Investment in SoftLayer eine ordentliche Ausgangsposition verschafft, und Oracle zeige sich mit seiner Ankündigung, das Datenbank-Geschäft stärker auf die Cloud auszurichten, diesbezüglich ebenfalls in besserer Verfassung.

HPE-Manager Bill Hilf sieht das Fehlen eines Public-Cloud-Angebots gelassen: Wenn die Kunden unbedingt möchten, könne man mit AWS oder Microsoft zusammenarbeiten.
Foto: Bill Hilf

HPs Wette sieht indes anders aus. HP-Manager Bil Hilf, verantwortlich für das Cloud-Geschäft, prophezeite erst vor einem Monat, dass die Mehrheit der Cloud-Ausgaben auch in Zukunft auf Systeme im unternehmenseigenen Rechenzentrum entfielen. Und wenn Kunden wirklich in die Public Cloud wollten, spräche nichts dagegen, dass HPE mit Unternehmen wie AWS oder Microsoft zusammenarbeite.

HPE - kleine Schwester mit fünffacher Mitarbeiterzahl

Trotz allem steht HP als zweigeteiltes Unternehmen vor ähnlich schwierigen Aufgaben wie zuvor als Monolith. Seitdem die Spaltung des Konzerns angekündigt wurde, hat die HP-Aktie 27 Prozent an Wert verloren. HPE wird 252.000 Mitarbeiter beschäftigen, aber weniger Einnahmen erzielen als die mit 50.000 Beschäftigten deutlich kleinere PC- und Printer-Schwester. Im letzten Geschäftsjahr brachte es HPE rechnerisch auf 53 Milliarden Dollar, während die HP Inc. 57,3 Milliarden Dollar verbuchte.

Dion Weisler wird als CEO die Geschicke der HP Inc. lenken. Zunächst will er mehr für Forschung & Entwicklung in den Bereichen 3D-Druck und Kopiersysteme ausgeben.

Vor dem Hintergrund, dass Dell soeben angekündigt hat, EMC für 67 Milliarden Dollar zu übernehmen, fragen sich Analysten inzwischen, was die bessere Vorgehensweise ist: Konzerne dieser Größenordnung aufzuteilen oder im Rahmen von Akquisitionen das Volumen weiter zu vergrößern. Die Antwort lautet wohl, dass beide Unternehmen ihre Entscheidungen unter immensem Druck getroffen haben: Dell seitens der privaten Investoren, HP seitens der Börse. Am Ende steckt der Markt in einem dramatischen Wandel, und die klassischen IT-Hersteller versuchen mit drastischen Maßnahmen das Ruder herumzureißen - ohne wirklich zu wissen, ob sie erfolgreich sein werden.