Hintergrund: Sun setzt alles auf die Middleware-Karte

07.07.2005 von Sascha Alexander
Software und Sun sind bis heute zwei Begriffe, die vor allem Stirnrunzeln auslösen. Zu lange schon versucht der Hersteller, mehr Gewinn aus der Java-Plattform zu schlagen und durch Zukäufe zu einem führenden Anbieter für Entwicklungs- und Integrationswerkzeuge aufzusteigen. In schlechter Erinnerung sind bis heute Versuche mit Software von "Netscape" der Allianz mit AOL und den "iPlanet"-Produkten oder der Vermarktung und Neuorganisation des Portfolios als "Sun One" geblieben, die allesamt kläglich endeten.

Scott McNealy (links) und Jim Demetriades bei der Ankündigung der Übernahme Seebeyonds auf der Java One 2005.

Seitdem engagierte sich Sun in Open-Source-Projekten etwa zugunsten der Entwicklungsumgebung "Netbeans" (vormals "Forte") und versucht seit 2003, mit dem "Enterprise Java System" diverse Java-Server und -Tools als Infrastrukturkomponenten für die Anwendungsentwicklung zu vermarkten.

Neue Hoffnung keimte nun auf der diesjährigen Javaone auf. So will Sun seine Software nicht nur durch Herausgabe von noch mehr Code für Entwickler attraktiver machen (siehe auch "Java trifft den Enterprise Service Bus"), sondern auch bei der Anwendungs- und Prozess-Integration künftig ein Wort mitreden. Der Schlüssel hierzu ist der Spezialist für Anwendungs-, Daten- und Prozessintegration Seebeyond, den Sun für 387 Millionen Dollar in bar übernehmen möchte. Mit dessen Produkten könnte die Unix-Company nicht nur Lücken im Angebot an Infrastruktursoftware schließen, sondern auch einer Strategie zum Aufbau Service-orientierter Architekturen (SOAs) Leben einhauchen. So buhlen mittlerweile alle relevanten Hersteller von Integrationstechnik mit SOA-Angeboten um die Kunden, während sich Sun seit längerem den Vorwurf gefallen lassen musste, dem nichts entgegen halten zu können.

Jonathan Schwartz, Scott Mc Nealy und Jim Demetriades (von Links): "Produktlinien überschneiden sich kaum".

Seebeyond mit Firmensitz in Monrovia, Kalifornien, ist seit 15 Jahren im Integrationsgeschäft zu Hause und bietet mit der Suite "Integrated Composite Application Network" (Ican) ein umfangreiches Integrations-Framework. Über dieses sollen sich Geschäftsprozesse und Composite Applications ebenso entwickeln, ausführen und verwalten lassen, wie Technik für die System-, Anwendungs- und Datenintegration bereitsteht. Ican wurde 2003 neu entwickelt und verfügt über einen Integrations-Server, der laut Hersteller mit der Java 2 Enterprise Edition (J2EE) konform ist, gängige Java-Applikations-Server unterstützt und für die Entwicklung Netbeans verwendet. Eine durchgängige Infrastruktur für alle Ican-Komponenten, ein einheitliches Modell für Geschäftsobjekte sowie Transformationsdienste gelten als weitere Stärken. Allerdings sind manche Kunden bisher nicht auf die neue Produktplattform

umgestiegen. "Wir haben noch kein Projekt mit Ican 5.0 gemacht, da Kunden bisher den Vorläufer 'Business Integration Suite 4.5.3' einsetzen und jetzt erst wechseln wollen", schildert Hans-Dieter Gatzka, Abteilungsleiter ITS Enterprise Application Solutions beim Seebeyond-Partner Softlab in München. Das Beratungshaus betreut drei Seebeyond-Kunden in Deutschland, darunter die Hypovereinsbank. Sun sei bisher in Projekten nur als Hardwareanbieter aufgetreten.

Seebeyond, das laut eigener Auskunft rund 2000 Kunden hat, muss sich im Markt vor allem gegen Konkurrenten wie IBM, Bea Systems, Tibco oder Webmethods wehren und schrieb zuletzt rote Zahlen. So stieg zwar im letzten Quartal (Ende: 31.März) der Umsatz um acht Prozent gegenüber dem Vergleichzeitraum des Vorjahres auf 37,3 Millionen Dollar. Doch blieben unter dem Strich Nettoverluste von 2,6 Millionen Dollar. Im letzten Jahr erwirtschaftete der Hersteller einen Umsatz von 164 Millionen Dollar mit einem Plus von vier Millionen Dollar - der erste Gewinn nach sechs erfolglosen Jahren. Angesichts dieser Zahlen geht es bei der Übernahme nicht um den Kauf von Marktanteilen, sondern um Technik, die Sun den Einstieg in das SOA-Geschäft ermöglichen soll.

Bei der Ankündigung auf der Entwicklermesse Javaone in San Francicso sagte Scott McNealy, Chief Executive Officer von Sun, dass die Ican-Suite als "Java System Integration Suite" das sechste Softwarepaket innerhalb des Enterprise Java Systems bilden werde. Man habe seit längerem nach einem passenden Übernahmekandidaten gesucht, um im milliardenschweren Markt für Business-Software Fuß zu fassen. Ican soll nun das Herzstück von Suns künftiger SOA-Produktstrategie bilden. Auch sieht das Management keine Integrationsprobleme sowie "nur geringe funktionale Überschneidungen" zwischen den Produktlinien. Dies kann Softlab-Manager Gatzka aus der Praxis bestätigen. Lediglich bei Portalsoftware hätten beide Hersteller ein Angebot. Bezüglich der Integrationsschichten sei die Seebeyond-Technik hingegen deutlich weiter entwickelt als die von Sun. Zudem kooperieren beide Unternehmen seit Oktober 2004 bei der Produktintegration und im Vertrieb und betreuen

gemeinsame Kunden. In Deutschland ist dies in erster Linie BMW.

Gefragt, wie sich der Zukauf mit der gleichzeitigen Freigabe von Code für den Aufbau eines Enterprise Service Bus vertrage, der ebenfalls als Basis für eine SOA dient, winkte Sun-President Jonathan Schwartz ab. Man habe lediglich eine Implementierung des neuen Java-Standards "Java Business Integration" (JBI) ausgegeben. Für Sun hingegen ist Seebeyond, das heute schon JBI-Komponenten wie die Business Process Execution Language for Web Services (BPEL4WS) nutzt, die Zukunft. Weitere Details zum Produktfahrplan sollen erst nach Abschluss der Übernahme im Herbst bekannt gegeben werden.

In ersten Reaktionen begrüßten Marktbeobachter den Deal und bezeichneten ihn als eine sinnvolle Entscheidung. Neil Ward-Dutton, Berater und ehemaliger Technology Analyst bei Ovum, warnte Sun jedoch davor, dieselben Fehler zu begehen wie nach den Übernahmen der Softwarefirmen Forte, Kiva und Netdynamics und die Firmenorganisation von Seebeyond zu zerschlagen. Vielmehr solle Sun dem Integrationsspezialisten Raum lassen, um auch weiterhin innovative Lösungen für den kom-plexen Integrationsmarkt entwickeln zu kön-nen, selbst wenn dabei Erweiterungen nötig sind, die über den Java-Standard hinausgehen. Auch sei davon abzuraten, Ican künftig nur noch unter "Solaris" zu vermarkten, da Kun-den gerade in der freien Betriebssystem-Wahl einen Vorteil sähen. Die Gefahr, Seebeyond könne in der Sun-Organisation an Innovationskraft verlieren, sieht auch Softlab-Manager Gatzka. Für ihn überwiegen aber die Vorteile, da sich durch Sun für Seebeyond eine

viel breitere Kundenbasis eröffnet. Sun versucht zudem seit einiger Zeit, Partner im EAI-Markt zu gewinnen. Er rechne daher damit, dass die Kooperation mit Softlab auch nach der Übernahme weitergehen werde.