Wacker-CIO Dirk Ramhorst

Home-Office schützt auch Kollegen in der Produktion

15.02.2021 von Alexandra Mesmer
Dirk Ramhorst, CIO und CDO der Wacker Chemie, arbeitet mit seiner Mannschaft seit März 2020 remote. Die virtuelle Zusammenarbeit geht soweit, dass der Chemiekonzern eine neue Produktionsanlage in Südkorea digital unterstützt in Betrieb nahm.
Dirk Ramhorst, CIO der Wacker Chemie: "Jeder, der bei uns nicht ins Büro geht, trägt dazu bei, seine Kollegen, die in der Produktion arbeiten, zu schützen."
Foto: Wacker Chemie

Damit verteilte Teams besser zusammenarbeiten können, hatte Dirk Ramhorst bereits im August 2019 den Digital Workplace im Chemiekonzern eingeführt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat Remote Work für Wacker Chemie enorm an Bedeutung gewonnen. CIO Ramhorst und seine IT-Mannschaft arbeiten nun bald ein Jahr größtenteils von zuhause aus. Im ersten Lockdown haben sie von einem Tag auf den anderen weltweit mehr als 6.000 Beschäftigte remote arbeitsfähig gemacht.

Herr Ramhorst, wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte um mehr Home-Office?

Dirk Ramhorst: Remote zu arbeiten haben wir bei uns in der IT seit Anfang der Pandemie relativ konsequent durchgezogen, auch um Risiken zu verringern. Unser Konzern ist Teil der kritischen Infrastruktur. Es gilt, die Produktion aufrechtzuerhalten. Jeder, der bei uns nicht ins Büro geht, trägt dazu bei, seine Kollegen, die in der Produktion arbeiten, zu schützen. In den 60 Buslinien, die unsere 10.000 Mitarbeiter in das Stammwerk nach Burghausen bringen, gilt schon lange Maskenpflicht. Auch die Sitzordnung ist so verteilt, dass genügend Abstand zwischen den Personen ist.

Im Stammwerk von Wacker Chemie in Burghausen arbeiten 10.000 Beschäftigte.
Foto: Wacker Chemie

Was raten Sie Führungskräften, die sich mit dem Thema Home-Office noch schwer tun?

Ramhorst: Wir haben gemerkt, dass man das Thema erst mal entmystifizieren sollte. Früher vermuteten ja noch einige, ein Tag Home-Office ist gleichbedeutend mit einem Tag frei. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die Arbeit remote mitunter effektiver ist, wenn ich zuhause die richtige Arbeitsumgebung habe und nicht zum Beispiel durch paralleles Homeschooling mit kleineren Kindern belastet bin. Wir haben im April schon begonnen, in regelmäßigen Newslettern Tipps und Tricks zur virtuellen Zusammenarbeit zu geben.

Etwa, wie man digitale Events durchführt oder wie die Design-Thinking-Methode auch virtuell funktioniert. Das Feedback war sehr gut, so dass wir bis heute über digitale Tools informieren, aktuell zum Beispiel, wie sich Mitarbeitergespräche mit Teams führen lassen. Wir als IT müssen Führungskräften wie Mitarbeitern helfen, aber auch zeigen, wie wir in den neuen Arbeitsformen leben können.

Die IT als Vorbild und Helfer, um verteiltes Arbeiten zu ermöglichen. Funktioniert das nur für die Büros oder auch in anderen Unternehmensbereichen?

Ramhorst: Im vergangenen Jahr mussten wir eine neue Anlage in Südkorea in Betrieb nehmen, ohne dass unser Ingenieurteam die Kollegen vor Ort unterstützen konnte. Dieses mehrjährige Bauprojekt konnte schließlich nur erfolgreich beendet werden, weil wir über Videoconferencing, online verfügbare Engineering-Dokumente und Anlagendaten die Kollegen in Südkorea begleiteten. Die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage ist ein hochkomplexer Prozess, hunderte von Daten wie Temperatur oder Drücke müssen stimmen, damit die einzelnen Teile der Anlage in einer systematischen Abfolge live geschaltet werden können.

Digitale Abstimmung mit Kollegen in Südkorea

Werden solche Tools wie die digitale Anlagendokumentationen oder auch Videokonferenzen das Zusammenarbeiten auch nach Corona prägen?

Ramhorst: Ja, sie führen nachhaltig dazu, dass Geschäftsreisen beziehungsweise die Notwendigkeit dazu in Frage gestellt werden. Natürlich fällt die virtuelle Zusammenarbeit viel leichter, wenn sich die Teams vorher bereits kennen. Neu zusammengestellte Teams sind dagegen virtuell limitiert. Dem kann man entgegensteuern, indem man bewusst auf Zwischenmenschliches achtet. Also auch mit den Kollegen mal in Teams ratschen und nicht nur von einer Konferenz in die nächste hetzen. Selbstdisziplin und Zeit-Management spielen hierbei auch eine entscheidende Rolle.

Wie schaut diese Selbstdisziplin für Sie aus?

Ramhorst: Im Virtuellen ist das nächste Meeting immer nur zwei Klicks entfernt, darum muss man sich auch mal bewusst rausnehmen. Zugleich sollte man die Kamera auch bewusst als Kommunikationsinstrument einsetzen und durch sie die Aufmerksamkeit für das Gegenüber spiegeln. Also mit der eingeschalteten Kamera zeigen "Ich bin dabei" und nicht nebenher noch Mails beantworten oder andere Dinge tun. Ein Jour fixe oder Mitarbeitergespräche gehen nur mit eingeschalteter Kamera.

Was ist Ihre Prognose für die Zusammenarbeit post Corona?

Ramhorst: Ich kann mir hybride Szenarien sehr gut vorstellen. Die Menschen werden vor allem in die Büros gehen, um sich zu treffen und auszutauschen und um dort alle die Limitationen zu überwinden, die das Videoconferencing mit sich bringt Zuhause lassen sich dann eher fokussierte Arbeiten verrichten, wenn die Arbeitsumgebung vorhanden ist. Ich gehe davon aus, dass man Büro und Home-Office auch an einem Tag mischen kann. Morgens beginne ich zuhause zu arbeiten, fahre dann erst um elf Uhr ins Büro, um an dem ersten Meeting teilzunehmen. Durch verschiedene Anfangszeiten im Büro könnten sich auch die Pendlerströme entzerren.

Dirk Ramhorst …

… leitet seit September 2016 als CIO und CDO bei Wacker Chemie AG eine global aufgestellte Organisation mit etwa 350 Mitarbeitern. Zuvor war er in verschiedenen führenden Positionen bei Siemens und BASF im In- und Ausland tätig. 2013 wurde er zum ersten Chief Digital Officer (CDO) im deutschen DAX ernannt. Darüber hinaus ist er Vorsitzender der Kieler Woche, der größten Segelveranstaltung der Welt. Die IT bei WACKER sieht Ramhorst als innovativen Berater und zentralen Befähiger des Geschäfts. Über eine seit 2017 eingeleitete Digitalisierungs-Offensive werden dabei IT-gestützte Prozesse im Unternehmen gezielt ausgebaut und gefördert.

Die Wacker Chemie AG …

… wurde 1914 gegründet und stellt hoch entwickelte chemische Spezialprodukte her, die sich in unzähligen Dingen des täglichen Lebens wiederfinden, vom Kosmetikpuder bis zur Solarzelle, von der Bau- und Automobilindustrie bis zur Food- und Medizinbranche. Das Portfolio besteht aus mehr als 3.200 Produkten, die an 24 Produktionsstandorten hergestellt und in über 100 Länder geliefert werden. Mit über 14.000 Mitarbeitern erzielte WACKER 2019 einen Jahresumsatz von 4,93 Milliarden Euro.

Gemeinsam im Kampf gegen Corona

Am Wacker-Standort Amsterdam werden seit 20 Jahren Impfstoffe für die klinische Entwicklung wie auch die kommerzielle Versorgung hergestellt. Im ersten Halbjahr 2021 soll mit der GMP- (Good Manufacturing Practice) Produktion der mRNA-Wirkstoffsubstanz für CVnCoV begonnen werden. Ziel ist es, pro Jahr mehr als 100 Millionen Dosen des Impfstoffes von CureVac herzustellen. "Wir sind stolz darauf und hoch motiviert, gemeinsam mit CureVac einen Beitrag im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu leisten", sagte Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender von Wacker.