Lotusphere

IBM baut am Fundament für das Enterprise 2.0

02.02.2011 von Markus Strehlitz
Die klassische Geschäftswelt wandelt sich zum Social Business – das war die Kernbotschaft auf der Lotusphere in Orlando, der Anwenderkonferenz von IBMs Collaboration-Sparte. Basis dafür ist das schon länger bekannte Project Vulcan, das sich nun erstmals in konkreten Produkten zeigt.

Unter Social Business versteht IBM Lösungen, die mithilfe von Web-2.0-Technik den Geschäftsalltag von Unternehmen unterstützen sollen. „IBM hat sich im vergangenen Jahr klar auf diese Strategie ausgerichtet“, sagte Gartner-Analyst Tom Austin auf der Lotusphere. „Mit den Lösungen, die hier gezeigt werden, verfolgt man diesen Weg konsequent – und das ist die wichtigste Nachricht.“

Nicht die eigentliche Technik, sondern ihr Nutzen für die Firmen sollte den Schwerpunkt der Anwenderkonferenz bilden. Nach Meinung von Austin genau richtig: „Social Business wird die Art und Weise verändern, wie Unternehmen künftig arbeiten.“ Den Geschäftsnutzen von Social Software versuchte IBMs General Manager Alistair Rennie mit einem Ergebnis einer konzerneigenen CEO-Studie zu unterstreichen: Demnach sagen 57 Prozent der Unternehmen, die Social-Business-Systeme einsetzen, dass eine bessere Zusammenarbeit ihnen dabei geholfen habe, sich gegen Konkurrenten durchzusetzen.

Zumindest auf den ersten Blick blieben somit die spektakulären Produktankündigungen auf der Lotusphere in diesem Jahr aus. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass das Project Vulcan, das bereits auf der vergangenen Anwenderkonferenz Hauptthema war, nun konkrete Formen annimmt. Ziel dieses Konzeptes ist die nahtlose Integration sämtlicher Lotus-Produkte. Im Januar 2010 war dies noch eher eine Vision. Mittlerweile gibt es jedoch erste Ergebnisse, die zeigen, wie auf Basis von Vulcan die verschiedenen Systeme zusammengeführt werden. Die zeigen sich vor allem in den kommenden Versionen der Lotus-Produkte Notes, Connections und Sametime.

So wird die neue Version von Notes – angekündigt als Notes Next - einen so genannten Activity Stream bieten. Damit wollen die Lotus-Verantwortlichen einen einheitlichen Posteingang für alle Informationskanäle zur Verfügung stellen, die ein Mitarbeiter nutzt. Der Anwender hat damit einen Überblick über alle relevanten Informationen aus Social-Software-Anwendungen wie Facebook, aus Geschäftsapplikationen wie SAP sowie den Lösungen von weiteren Drittanbietern. Neben Notes soll es auch in den kommenden Versionen der anderen Collaboration-Produkte von Lotus die Möglichkeit geben, einen Activity Stream einzurichten. Dabei müsse dieser den klassischen Posteingang nicht notwendigerweise ersetzen, sondern lasse sich zusätzlich zu diesem nutzen, erklärt Ed Brill, Director für Messaging und Collaboration bei Lotus.

Damit der Mitarbeiter in dieser Datenflut nicht untergeht, dient Analysetechnik als Filter. „Der Nutzer erhält nur die Informationen, die für seine Tätigkeit wichtig sind“, verspricht Brill. Solche Filterfunktionen sind zentraler Bestandteil des Projekts Vulcan. Wie effizient diese Features tatsächlich sein können, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Laut Brill sollen die Filtermöglichkeiten stetig ausgebaut werden. In der aktuellen Version 3 von IBMs Social-Software-Plattform Connections sei bereits Analysetechnik der mit Cognos übernommenen Produkte integriert.

Weitere Funktionen in Lotus Notes Next verdeutlichen ebenfalls die stärkere Integration zwischen den verschiedenen Applikationen. So lassen sich etwa Mail-Anhänge innerhalb von Notes nicht nur öffnen, sondern auch bearbeiten. Erhält ein Nutzer zum Beispiel einen Report, kann er im Client auf diesen zugreifen und direkt Änderungen darin vornehmen.

Von der Social-Media-Technik, die IBM mit seinen Softwarewerkzeugen zur Verfügung stellt, sollen auch Unternehmen profitieren, die mit Konkurrenzprodukten von Microsoft arbeiten. Rennie und sein Team wollen die Kopplungsmechanismen verbessern, die Lotus-Systeme mit Plattformen wie Exchange oder SharePoint verbinden. Eine der kommenden Versionen von Connections soll sich komplett mit SharePoint integrieren lassen.

An einer stärkeren Verknüpfung mit den Produkten aus Redmond führt für IBM ohnehin kein Weg vorbei. Schließlich ist die Dominanz von Microsoft mit Werkzeugen wie Office und SharePoint in der Geschäftswelt ungebrochen. Das Social-Business-Konzept von IBM hat also wohl nur dann Erfolg, wenn die Techniken der Mitbewerber miteinbezogen werden.

Bilder von der Lotusphere finden Sie hier.

Projekt „Northstar“

Bildet Vulcan die technische Basis für IBMs Social-Business-Strategie, gilt das Projekt „Northstar“ als fast noch wichtiger, dient es doch letztlich dazu, Social Business in den Unternehmen voranzubringen, so Gartner-Mann Austin. Project Northstar sei IBMs Roadmap für Softwaresysteme, mit denen Unternehmen die Loyalität ihrer Kunden fördern können. Im Mittelpunkt stehe die Customer Experience Suite, in der verschiedene Werkzeuge für den Aufbau eines Online-Channels zusammengefasst sind. Dazu zählen unter anderem Portal-Software, Web-Content-Management, Instant Messaging und Social Software. Auf der Lotusphere wurden Funktionen der Customer Experience Suite gezeigt - den größten Eindruck hinterließ dabei die Möglichkeit, Inhalte jeder Art relativ einfach per Drag and Drop online zu publizieren.

Um die Verbreitung von Social Computing zu fördern, will IBM außerdem Softwareentwickler darin unterstützen, entsprechende Anwendungen zu programmieren. Dafür bietet Big Blue ein entspechendes Social Business Toolkit, das APIs und Tutorien beinhaltet. So ausgestattet, können Entwickler Elemente wie Wikis, Blogs oder Diskussionsforen in ihre Anwendungen integrieren.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Lotus-Strategie ist auch, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Social-Business-Lösungen sowohl inhouse zu installieren, als auch als Web-basierende Systeme zu nutzen. In diesem Zusammenhang spielt das Cloud-Angebot Lotus-Live eine wichtige Rolle. Anwender können diese Plattform nun auch nutzen, um Dokumente auszutauschen und gemeinsam zu bearbeiten. So stellt IBM Funktionen seiner Office-Software Symphony als Cloud-Service unter der Bezeichnung Lotus-Live Symphony zur Verfügung. Mitarbeiter können damit sowohl innerhalb des Unternehmens als auch über Firmengrenzen hinweg mit Kollegen und Partnern an Dokumenten arbeiten. Bethann Cregg, Director für Online Collaboration, sieht vor allem in der engen Integration mit Social Software ein Alleinstellungsmerkmal des Angebots. Nutzer hätten zum Beispiel die Möglichkeit, beim Bearbeiten eines Dokuments die Profile anderer Mitarbeiter aufzurufen oder Kommentare in Form von Blogs zu verfassen.

Mit dem Angebot Domino Utility Server for Lotus-Live können Nutzer jetzt zudem die Cloud-Version von Notes um eigene Collaboration-Anwendungen erweitern. Dafür erwerben sie Server-Lizenzen und stellen die eigenentwickelten Applikationen dann auf die Cloud-Plattform.

Schon in den vergangenen Jahren hat IBM die Betrieb seiner Lotus-Produkte mit unterschiedlichen Endgeräten, insbesondere mobilen Plattformen stark vorangetrieben. Jetzt kündigte Rennie weitere Integrationen in diesem Bereich an. Unter anderem gibt es Pläne, die Echtzeit-Collaboration-Plattform Sametime für Blackberry, iPhone, Android und Nokia-Betriebssysteme sowie für die Tablet-Computer iPad und Playbook verfügbar zu machen. Zudem sollen Anwender dieser Endgeräte künftig auch mit einem Activity Stream arbeiten können.

Um sein Engagement für Social Business und einschlägige Software zu unterstreichen, brachte IBM auch Anwenderbeispiele auf die Lotusphere. Vor allem große Unternehmen investieren demnach verstärkt in entsprechende Plattformen. Der Chemiekonzern BASF etwa nutzt IBMs Connections, das Web-2.0-Dokumentensystem Quickr sowie Messaging-Lösungen von Big Blue. „Mithilfe von Social Software können wir Probleme in relativ kurzer Zeit lösen, weil wir den passenden Experten in unseren weltweiten Niederlassungen viel schneller finden“, berichtet CTO Fareed Mohammed. Aufgrund von Compliance- und Sicherheitsanforderungen habe sich sein Unternehmen dafür entschieden, Web-2.0-Lösungen einzusetzen, die speziell auf die Anforderungen in der Geschäftswelt zugeschnitten sind. Frei im Internet verfügbare Werkzeuge seien daher keine Alternative gewesen. Laut Mohammed arbeitet BASF gerade daran, Möglichkeiten zu finden, um den Nutzen der Social-Software-Anwendungen konkret messen zu können. Denn bisher lässt sich der tatsächliche Geschäftsnutzen des Social Business in der Regel nur schwer quantifizieren. (ue)