"Ich kenne die Bedeutung sicherer Arbeitsplätze"

20.12.2006 von Joachim Hackmann
Gerhard Fercho, Vorsitzender der Geschäftsführung von CSC in Deutschland, kündigt im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann an, den IT-Dienstleister wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

CW: Sie sind seit wenigen Wochen Chef von CSC Deutschland. Was haben Sie vorgefunden?

FERCHO: Ich habe zunächst einmal versucht, mich mit der Kultur des Unternehmens auseinanderzusetzen und sie zu verstehen. Das Unternehmen war – und ist auch heute noch – stark vom Geist des Unternehmensgründers Klaus Plönzke geprägt. Viele Kollegen sind dort nie abgeholt worden. In der Vergangenheit war nicht immer klar, wo die deutsche CSC-Niederlassung steht, möglicherweise auch, weil sie zeitweilig von englischen Kollegen geführt wurde. Sie haben aber bereits einen Prozess angestoßen, CSC Deutschland in die weltweite Organisation einzubinden. Vieles wurde auf den richtigen Weg gebracht.

CW: Wie lässt sich denn der Plönzke-Geist beschreiben?

FERCHO: Ich bin auf Herrn Plönzke zugegangen und habe ihn dreimal getroffen. Zudem habe ich mit dem US-amerikanischen Headquarter und hiesigen Mitarbeitern gesprochen. Wenn ich die Quellen zusammenführen ergibt sich folgendes Bild: Herr Plönzke hat eine sehr ausgeprägte Vertrauenskultur geschaffen. Der Mitarbeiter war das höchste Gut, er wurde nicht kritisiert. Wenn etwas schiefgelaufen ist, war nicht der Mitarbeiter schuld, sondern er war falsch eingesetzt worden. Herr Plönzke hat seinen Beschäftigten persönlich zu Jubiläen, Geburtstagen und Feiertagen gratuliert. Er kannte Mitarbeiter mit dem Namen und wusste – auch als das Unternehmen schon gewachsen war –, in welchen Projekten sie zuletzt gearbeitet haben. Das alles fand in den Boom-Zeiten statt, doch dann kam der Bruch.

Wenn finanzielle Erwartungen nicht mehr erfüllt werden, dann wird - wie in jedem Unternehmen – kontrolliert. Das hat in einer Organisation, die die Freiräume der Mitarbeiter gefördert hat, zu Spannungen geführt. Wenn dieser Übergang nicht sorgfältig gestaltet wird, entstehen große Probleme.

CW: Die Sie nun beheben müssen.

FERCHO: Ich werde auf die Mitarbeiter zugehen. Das ist eine Aufgabe, die mir liegt und die mir Spaß macht. Ich habe bereits Betriebs- und Betriebsräteversammlungen besucht, um mich den Mitarbeitern vorzustellen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich für den Kulturwandel, Erfolg sowie starkes, organisches und profitables Wachstum stehe.

CW: Was ist Ihre dringlichste Aufgabe?

FERCHO: Die Herausforderung besteht nun darin zügig Änderungen mit Substanz herbeizuführen, ohne dabei in Hektik zu verfallen. Wichtig ist zum Beispiel, Vertriebs- und Business-Funktionen stärker zu verschmelzen und uns auf strategische Märkte zu konzentrieren. Das dürfen wir nicht, wie historisch oft geschehen, aus rein deutschem Blickwinkel. Wir müssen die weltweiten Referenzen, Kompetenzen und Kunden stärker in Deutschland zur Geltung bringen. Wenn wir etwa ein solch großes Projekt wie das mit der britischen Gesundheitsbehörde National Health Services betreiben können, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Gesundheitsbranche nicht auch in Deutschland zu unseren strategischen Märkten zählen sollte – zumal wir schon mit den Rhön-Kliniken einen attraktiven Kunden haben.

Mit einem guten Account-Management können wir es schaffen, die Kundenbeziehungen noch attraktiver und volumenstärker aufzubauen. Das Account-Management ist bislang nicht in der notwendigen Qualität und Intensität betrieben worden.

CW: CSC hat bereits im April angekündigt, in Europa mehr als 2650 Stellen abzubauen. Wir stark ist die deutsche Belegschaft betroffen?

FERCHO: Dazu veröffentlichen wir keine Zahlen. Wir verhandeln zurzeit mit den Mitbestimmungsgremien und wollen die Restrukturierung Ende Juni 2007 abschließen. Die Menge der betroffenen Stellen hängt auch vom Geschäftsverlauf der kommenden Monate ab. Sind wir schneller als geplant erfolgreich, wird sich das Ausmaß reduzieren. Allerdings zeichnet sich das Geschäft mit Großkunden durch sehr lange Vertriebszyklen aus.

CW: Als Sie Deutschland-Chef von Atos Origin waren, haben Sie gesagt: "Ich investiere lieber in die Ausbildung meiner Mitarbeiter als in die Restrukturierung." Gilt das auch bei CSC?

FERCHO: Ja. Ich komme aus einfachen Verhältnissen und kenne die Bedeutung sicherer Arbeitsplätze. Ich habe bei meinem früheren Arbeitgeber gesagt, dass es unter meiner Führung keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, weil ich auf ein intelligentes Vertriebskonzept setze. Das strebe ich auch bei CSC an. Dazu müssen wir aber eine belastbarere Absprungbasis schaffen. Dazu müssen wir aber eine belastbarer Absprungbasis schaffen.

CW: Den von der aktuellen Restrukturierung betroffenen Arbeitnehmern können Sie demnach keine Hoffnung mehr machen.

FERCHO: Die Restrukturierung habe ich zu akzeptieren.

CW: Wird es zu Standortschließungen kommen?

FERCHO: Das ist bei einem Outsourcing-Anbieter immer ein Thema.

CW: Hannover, Bielefeld und Immenstaad sollen zum Jahresende geschlossen werden.

FERCHO: Immenstaad ist vom Nearshore-Konzept betroffen, das auf Europa-Ebene entworfen wurde. Dort werden Supportleistungen betrieben, die nach Prag verlagert werden sollen. Andere Standorte werden immer wieder daraufhin überprüft, ob sich Niederlassungen zusammenlegen lassen. Konkret betroffene Städte möchte ich nicht nennen.

CSC Deutschland

Das Europa-Geschäft von CSC ist laut offiziellen Angaben im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres um stattliche sieben Prozent geschrumpft. Zwar veröffentlicht der Konzern keine lokalen Zahlen, doch das dürftige Ergebnis in Europa geht unter anderem auf die Schwäche der deutschen Dependance zurück. Hier dürfte das Geschäft um nahezu zehn Prozent eingebrochen sein. Dabei ist es weder um das Projekt- noch um das Outsourcing-Geschäft gut bestellt. "Ich hatte erwartet, dass sich CSC in diesem Jahr aus der Krise befreit. Das hat das Unternehmen leider noch nicht geschafft", sagte PAC-Geschäftsführer Christophe Chalons.

Im Markt für Projektservices musste das Unternehmen, das laut PAC-Zählung im vergangenen Jahr 428 Millionen Euro mit IT-Services in Deutschland eingenommen hat, in den vergangenen Jahren überdurchschnittliche Einbußen hinnehmen. "Das alte Geschäftsmodell basierte zum erheblichen Teil auf Body-Shopping und Commodity-Services. Das funktioniert in Krisenzeiten nicht", so der PAC-Berater. Andere Quellen berichten von großer Fluktuation unter den Mitarbeitern. Auch der Durchbruch im Outsourcing-Geschäft wollte bislang nicht gelingen. Oft stand CSC auf der Shortlist von großen Deals, etwa bei der Deutschen Bank oder dem Herkules-Projekt der Bundeswehr, gewonnen haben immer andere. "Der deutsche Markt zieht an", beschreibt Chalons. "Doch konnte CSC bislang nicht davon profitieren, weil man sich auf die Sanierung statt auf das Wachstum konzentriert hat."

CW: Einige Kunden beäugen die Verlagerung des Supports nach Prag sehr kritisch. Basell holt dem Vernehmen nach den Support wieder zurück in eigene Verantwortung, andere CSC-Kunden, etwa ISS und Deutsche Leasing, sollen wenig begeistert reagiert haben.

FERCHO: Die Bedenken der Kunden nehmen wir sehr ernst. Wenn es Probleme geben sollte, werden wir gemeinsam eine Lösung finden. Grundsätzlich müssen IT-Dienstleister Near- und Offshore-Kapazitäten unterhalten, damit sie Arbeiten in Länder mit günstigen Löhnen verlagern können. Unsere Reaktion auf den drohenden Arbeitsplatzverlust kann nur sein, die Mitarbeiter zu schulen, so dass sie höherwertige Dienste betreiben können.

CW: Warum hat sich CSC ausgerechnet für Prag entschieden? Dort steigen die Löhne, und der Arbeitsmarkt für IT-Experten ist leer gefegt.

FERCHO: Lohnkostenvorteil ist nur ein Argument. Die Verlagerung der Arbeiten nach Prag ist eine unternehmerische und strategische Entscheidung auf Europa-Ebene gewesen, in die eine Vielzahl von Überlegungen eingeflossen ist.

CW: Das deutsche CSC-Geschäft hat in der US-amerikanischen Zentrale keinen guten Ruf. Der Umsatz ist, gemessen an den weltweiten Einnahmen, gering. Große Outsourcing-Deals sind Mangelware. Haben Sie Freiräume für einen deutschen Sonderweg?

FERCHO: Das Thema stand mehrfach auf der Agenda meines Einstellungsprozesses, der immerhin rund zehn Monate gedauert hat und in dessen Verlauf ich mit vielen CSC-Managern gesprochen habe. Es stimmt auch nicht, dass CSC nur große Outsourcing-Deals vereinbaren möchte. Der deutsche Mittelstand mit Projekten, wie ich sie in meiner Vergangenheit bereits erfolgreich abschließen konnte, gehört ganz klar zum Zielmarkt von CSC Deutschland.

CW: Auch im Outsourcing-Geschäft?

FERCHO: Ja, auch wenn es um Betriebsservices für Infrastruktur und Applikationen geht. Aber ich möchte CSC im höherwertigen Segment positionieren und nicht mit reinen Commodity-Anbietern um den günstigsten Preis konkurrieren. Wir werden an der einen oder anderen Stelle sicher Mitnahmeeffekte haben. Grundsätzlich erfolgt die Differenzierung heute über die Qualität der Mitarbeiter und Prozesse.

CW: Wie soll das gehen?

FERCHO: CSC hat eine unglaublich breite, hervorragende Basis mit 1000 aktiven Kunden. Wir werden diese Geschäftsbeziehungen analysieren und mit Hilfe eine inhaltlichen, intensiven und hochwertigen Account-Managements entwickeln. Dazu gehören großvolumige Festpreis- und aufwandsbezogene Projekte, aber es werden sich auch mittlere und große Outsourcing-Projekte im Bereich des Applikations- und Infrastrukturbetriebs ergeben.

CW: Daran hat es in der Vergangenheit bei CSC ja gehapert.

FERCHO: Richtig, ich habe CSC in meiner vorherigen Position nicht als Wettbewerber im Outsourcing wahrgenommen. Das ist für mich Herausforderung genug, die Marke CSC wieder zu beleben.

CW: CSC trennt das Servicegeschäft in den Systemintegrations- und den Outsourcing-Teil. Wie wollen Sie diese Bereiche jeweils aufstellen?

FERCHO: Zunächst einmal habe ich kein Verständnis dafür, dass es bei CSC in Deutschland inklusive der von Ihnen angesprochenen Unternehmensteile sowie der Schulungstochter insgesamt drei getrennte GmbHs gibt. Wir prüfen derzeit die Auswirkungen einer Zusammenführung unter einem Dach. Ergeben sich keine finanziellen Nachteile und erhebt die Arbeitnehmervertretung keine Einwände, werden wir zum 1. April kommenden Jahres eine CSC Deutschland GmbH haben.

Es hat in der Vergangenheit einige Kommunikationsbrüche gegeben, die die Durchlässigkeit zwischen dem Build- und dem Run-Bereich behindert haben. Dieser Mangel lässt sich nicht allein beseitigen, indem man die gesellschaftsrechtliche Organisation ändert, sondern indem man das Management-Team in einer entsprechenden Struktur zusammenbringt. Das habe ich bereits in die Wege geleitet.

Zudem werden wir den Design-, also Beratungsteil, deutlich verstärken. Ein schlagkräftiges Account-Team ist nur eine Seite der Medaille. Um höherwertige Services anbieten zu können, benötigen wir Business Consultants, die wissen, welche Probleme die Kunden plagen, und die ihnen sagen können, wie sie Schwierigkeiten mit Hilfe von IT beheben und vermeiden.

CW: Stellen Sie Consultants ein?

FERCHO: Ja. Im Segment Financial Services haben wir 100 offene Stellen. Zudem suchen wir 40 Business Consultants.

CW: Das Synergiepotenzial zwischen Beratung, Systemintegration und Betrieb ist umstritten.

FERCHO: Ich fühle mich als oberster Vertriebsmitarbeiter und habe mit meinen langjährigen Erfahrungen Zugang zur obersten Entscheidungsebene. Alle risikobehafteten und langjährigen Projekte sind geprägt durch intensive Beziehungen der Top-Manager. Wenn Schwierigkeiten auftauchen ist es wichtig, sich frühzeitig zusammenzusetzen und Lösungen zu erarbeiten.

Je länger ein Vertriebsprozess dauert, desto weniger wichtig ist der Preis, der partnerschaftliche Gedanke rückt ins Zentrum. Die Kunden fragen, ob der Partner bereit ist, ein Risiko zu tragen und die Probleme des Kunden zu verstehen und zu beheben. Outsourcing der dritten oder vierten Generation, wie wir es zurzeit erleben, lebt nicht von der Kosteneffizienz, sondern von schlüssigen Konzepten zur Mitarbeiterintegration.

CW: Am Ende des Tages werden Sie an Zahlen gemessen. CSC ist zuletzt in Europa und Deutschland geschrumpft. Sie müssen die Wende einleiten. Was sind Ihre Ziele?

FERCHO: Ich war zuvor bei einem Unternehmen tätig, dass in Deutschland kaum bekannt war und das nicht durch marktschreierische Aktivitäten, sondern durch substanzielles Wachstum sowie starke und attraktive Kundennamen den Weg ins Bewusstsein der Branche und Klientel geschafft hat.

Das Gleiche ist mit CSC zu schaffen, zumal das Unternehmen über eine gute und breite Kundenbasis verfügt. Ich kann nicht zaubern, und mein Erfolg der Vergangenheit hat keinen mystischen Hintergrund, sondern hat sich durch harte Arbeit, Konzentration und Führung eingestellt.

CW: Dennoch: Sie müssen den Geschäftsverlauf umkehren.

FERCHO: Wir betreiben derzeit die Budgetplanungen für unser am 1. April 2007 beginnendes neues Geschäftsjahr. Dann steht die neue, unter einem Dach zusammengeführte Organisation, mit der wir das Vertrauen der europäischen und weltweiten Zentrale gewinnen können. Die Planungen werden ein ambitioniertes Wachstum beinhalten. Meine persönliche Erwartungshaltung ist, dass sich im Lauf der kommenden 18 Monate hochvolumige Aufträge sowohl im Betriebs- als auch im Projektgeschäft einstellen werden.

CW: Scheuen Sie Projekte mit Mitarbeiterübernahmen?

FERCHO: Nein, im Gegenteil. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Der Konzern erwartet von mir überproportionales Wachstum.

Gerhard Fercho

Gerhard Fercho (54) ist seit 1. November 2006 zuständig für die Geschäfte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Osteuropa. Gleichzeit ist er Vorsitzender der Geschäftsführung von CSC in Deutschland. Zuvor leitete er das Deutschland-Geschäft bei Atos Origin. Unter seiner Führung fädelte der französische Anbieter den großen Outsourcing-Deal mit Karstadt-Quelle sowie weitere Projekte etwa mit Premiere und Symrise ein und verschaffte sich damit einen Namen im deutschen Auslagerungsgeschäft.