Der lange Weg zur Innovation

Ideen brauchen einen Schutzraum

17.02.2010 von Alexandra Mesmer
Gute Ideen gibt es viele, Innovationen wenige. Elmar Borgmeier will das als Chief Innovation Officer der Syngenio AG ändern.

CW: Herr Borgmeier, wie entsteht Innovation?

ELMAR BORGMEIER: Echte Innovation entsteht aus Querdenken. Sie fällt aus dem Rahmen und wird deshalb häufig zunächst nicht verstanden. Deswegen benötigt das zarte Pflänzchen eines Innovationskeimes einen Schutzraum, in dem es reifen kann. Der darf aber nicht von der Realität abschotten. Marktbedarf, Konkurrenzsituation und technische Machbarkeit müssen im Blick bleiben.

Elmar Borgmeier ist seit über zehn Jahren als Projektleiter und Berater aktiv. Derzeit befasst er sich vor allem mit Innovations-Management.


CW: Welche Rolle übernehmen Sie als Chief Innovation Officer?

BORGMEIER: Es ist hilfreich, die Idee erst dem Chief Innovation Officer vorzustellen, bevor man sie in den offiziellen Innovationsprozess einbringt. Der Innovation Officer kann weitere Gespräche initiieren. In diesen bilden sich die Ideen weiter aus, werden die relevanten Fragen gestellt, kommen die kritischen Punkte auf den Tisch. Gerade weil sich der ursprüngliche Ansatz weiterentwickeln und verändern kann, besteht die Chance, am Ende eine tragfähige Innovation zu erschaffen.

CW: Wie weit ist der Weg von der Idee bis zur Innovation?

BORGMEIER: Ideen sind immer nur der Anfang - sie haben mit der Lösung so viel zu tun wie das Motiv mit der Symphonie. Wir haben zum Beispiel mit der Frage angefangen: Wie können wir Web-2.0-Technologien zum Nutzen unserer Kunden in der Finanzbranche einsetzen? - und sind gelandet bei einer Lösung für ein Eins-zu-Eins-Marketing im Online-Banking. Ich habe gelernt, dass es genauso wichtig ist, nach den Problemen zu fragen, wie nach den Ideen. Wenn ein Mitarbeiter ein echtes, abgegrenztes Problem identifiziert, dessen Lösung der Branche helfen würde, dann kommt man von dort oft leichter zu einer marktfähigen Innovation als von einer schönen neuen Technik aus.

CW: Wann lässt sich mit Innovationen Geld verdienen?

BORGMEIER: Seit Sommer haben wir das Konzept "Solution Selling". Dabei wird ein besonders prägnanter, rasch umsetzbarer Teil der angestrebten Innovation identifiziert, der für den Kunden "Easy to Buy" gestaltet werden kann. Diese Lösung wird vorangetrieben und geht in den Vertrieb. Daraus entsteht Kunden-Feedback - die beste Validierung, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Inzwischen werden die größeren Umsetzungsprojekte erst auf Basis einer erfolgreichen Lösung definiert. Wir haben damit Unsicherheiten reduziert - sowohl bei dem Management, das über die Budgets für Innovationsprojekte entscheidet, als auch bei den Initiatoren der Innovationen. Sie können mit einem überschaubaren Vorhaben beginnen und sicher sein, dass ihnen ein eventueller Stopp nicht negativ ausgelegt wird. Wichtig ist es, sich den Risiken von Anfang an zu stellen und somit schnell zu lernen. Wir haben nur dann eine Chance, die erfolgversprechenden Ideen konsequent umzusetzen, wenn wir die nicht erfolgreichen schnell erkennen und beenden.

CW: Wie motivieren Sie Mitarbeiter, Ideen weiterzuentwickeln?

BORGMEIER: Innovationen voranzubringen, kostet Kraft. Wir fördern das Engagement der Mitarbeiter mit der Vergabe von Zeitbudgets, die es ermöglichen, innerhalb der Arbeitszeit an Innovationsprojekten zu arbeiten. Am Anfang des Jahres werden die beiden erfolgreichsten Ideen prämiert und vor allen Kollegen präsentiert. Abhängig vom Unternehmensergebnis schüttet Syngenio einen Bonustopf aus. Jedes Mitglied des erstplatzierten Teams erhält eine Prämie in Höhe von 2000 Euro, die Teilnehmer des zweitplatzierten Projekts werden mit je 1000 Euro belohnt.

CW: Welche Bilanz ziehen Sie nach einem Jahr als Chief Innovation Officer?

BORGMEIER: Wir machen nicht mehr Innovationsprojekte als früher, aber wir verfolgen sie hartnäckiger und identifizieren auch schneller die kritischen Punkte. Das heißt: Wir arbeiten effektiver, da mehr Innovationsprojekte zu technischen und wirtschaftlichen Erfolgen werden.

Sieben Erfolgsfaktoren für Innovation

  1. Innovationskultur: Schaffen Sie Raum für Neues. Begeistern Sie sich und Ihr Unternehmen für Veränderungen.

  2. Verankerung in der Organisation: Innovation ein angemessenes Gewicht zu geben bedeutet, sie im Organigramm und in der Prozesslandkarte gleichwertig mit den Vertriebs- und Produktionseinheiten anzusiedeln.

  3. Personifizierung: Nehmen Sie es persönlich: Menschen machen Innovation. Geben Sie ihnen einen konkreten Ansprechpartner.

  4. Persönlicher Erfolg: Mitarbeiter wachsen mit erfolgreich umgesetzten Innovationen in neue Aufgaben und Verantwortungen hinein und befördern so die eigene Karriere. Das ist viel wertvoller als direkte Vergütungsanreize für innovative Ideen.

  5. Frühe Erfolgsprüfung: Oft werden die Hindernisse unterschätzt, die vor der Markteinführung einer neuen Lösung zu überwinden sind. Konfrontieren Sie Innovationskonzepte von Anfang an mit zu erwartenden Widerständen, vor allem den Marktrisiken.

  6. Schutzraum: Geben Sie Ideen die Chance, durch Gespräche, gemeinsames Nachdenken und Modifizieren zu Konzepten für eine Innovation zu werden. Dazu muss die Idee am Anfang vor dem natürlichen Widerstand des Bestehenden geschützt sein. Sie wird zwar mit allen Hindernissen konfrontiert, aber davon nicht gebremst. Gestoppt wird sie erst, wenn die Protagonisten erkennen, dass sie die Idee nicht so weiterentwickeln können, dass sie den Hindernissen standhält.

  7. Innovationsprozess: Definieren Sie, wie Konzepte umgesetzt werden, sobald sie den Schutzraum verlassen haben. Ein klarer Prozess sorgt für einen möglichst reibungslosen Übergang des Neuen ins Bestehende.