Scannen, indizieren, verteilen

Immer Ärger mit der Briefpost

09.02.2010 von Ulrich Kampffmeyer
Briefe in den elektronischen Workflow einzuspeisen bleibt trotz technischer Lösungen eine Herausforderung.
Quelle: Sdraskovic/Fotolia
Foto: Sdraskovic/Fotolia

So lange sind sie noch nicht her, die Zeiten, in denen Briefe geöffnet und mit Eingangsstempel versehen wurden, um sie dann in die Fächer der zuständigen Abteilungen oder Mitarbeiter einzusortieren. Dann schoben Kollegen ihre Wägelchen durch die Gänge und verteilten das Papier. Diese vertraute Welt gibt es bei den meisten Anwendern nicht mehr - oder nur noch in Teilbereichen. Post wird heute vorwiegend elektronisch zugestellt. Sie erreicht uns als E-Mail, Fax oder über Collaboration-Software und Social Networks. Die herkömmlichen Prinzipien des kontrollierten Posteingangs sind dabei allerdings auf der Strecke geblieben.

Im Zusammenhang mit dem heutigen Posteingang fallen hauptsächlich zwei Stichworte: Scannen der Post und Übernahme von E-Mails.

Indizierung: Per Hand oder mit Software?

Das Scannen der papiergebundenen Eingangspost ist der Flaschenhals der Informationserfassung. Um die gescannte Post nach der Erfassung verteilen, archivieren und in die Unternehmensprozesse einschleusen zu können, muss der Inhalt erschlossen werden, das heißt, er muss indiziert werden. Das Ergebnis der Indizierung hängt vom Wissensstand und der Sorgfalt der Erfassungskräfte ab oder, falls softwaregestützte automatische Verfahren zum Einsatz kommen, von der Qualität der Software und Dokumente.

Der klassische Ablauf und die wichtigsten Aufgaben bei der Scan-Erfassung sehen folgendermaßen aus:

1. In der Arbeitsvorbereitung werden Werbebroschüren aussortiert, Dokumente entklammert und geglättet sowie weitere vorbereitende Aufgaben erledigt. Dazu zählt etwa das Einfügen von Trennblättern in den vom Scanner einzulesenden Stapel.

2. Auf das Scannen folgt die Sichtkontrolle: Sind alle Dokumente richtig, vollständig und lesbar erfasst worden? Parallel oder anschließend wird dann eine Grundindizierung vorgenommen, die das Weiterleiten und Zuordnen ermöglicht.

3. Im Indizierungsprozess kommen die Unterschiede zwischen der automatischen und manuellen Klassifikation zum Tragen:

3.1. Die Klassifikation von Hand muss zum Ziel haben, möglichst schnell und sicher einzelne Dokumente oder ganze Dokumentenkollektionen wie Mappen mit Attributen zu versehen. Die Qualität und Vollständigkeit der Auszeichnung hängt direkt von der Ergonomie der unterstützenden Erfassungsanwendung ab. Auswahllisten, wenige Felder, Vorbelegung und andere Techniken helfen.

3.2. Bei der automatischen Erkennung mittels OCR-Software (Optical Character Recognition) ist zunächst die Qualität zu überprüfen: Falsche oder als fehlerhaft erkannte Inhalte sowie der daraus abgeleitete Indexwert müssen korrigiert werden, damit die Daten korrekt extrahiert und klassifiziert werden. Die Ergebnisse lassen sich verbessern, indem die Daten mit vorhandenen Datenbeständen wie Adressen, Bestellnummern, Kundennummern etc. abgeglichen werden. Relevant ist zudem, ob das System selbstlernend ist oder vordefinierte Regeln zur Klassifikation zugrunde liegen.

4. Auf Basis dieser Vorarbeiten werden Dokumente einzeln oder gebündelt in den Postkorb eines Mitarbeiters oder Teams weitergeleitet. Parallel dazu lassen sich die Schriftstücke archivieren und ausgelesene Daten an kaufmännische Anwendungen weiterleiten. Bei Bedarf können erfasste Daten und Dokumente den Workflow in einem Business-Process-Management-System auslösen.

5. Der elektronische Erfassungsprozess endet in der Regel, sobald die elektronischen Dokumente im Postkorb der Empfänger abgelegt oder in den Workflow eingestellt wurden. Doch das physische Dokument bedarf noch einer weiteren Bearbeitung: Meistens wird es für einen gewissen Sicherheitszeitraum aufbewahrt. Manchmal müssen Originale endgültig gesichert oder an den Absender zurückgesendet werden. Auch eine schlechte Erfassung kann ein Grund sein, das Papierdokument noch einmal hervorzuholen und neu einzuscannen.

Automatisierung lohnt sich

Spezial- und ECM-Software-Anbieter bilden diesen fünfstufigen Posteingangsprozess komplett in ihren Subsystemen ab. Die Lösungen lassen sich in der Regel für Posteingangssysteme unterschiedlicher Größe skalieren. Ergänzend stellen die Hersteller Erfassungs- und Auswertungsprogramme bereit, um etwa Rechnungen und Vordrucke automatisch erkennen beziehungsweise verarbeiten zu können. So rentieren sich auch Mehrkosten für OCR-Lösungen und für automatische Klassifikation, denn damit

Die Wirtschaftlichkeit einer Posteingangslösung steigt mit der Integration in die Unternehmensprozesse und muss sich nicht auf Papierdokumente beschränken.

Quelle: Fotolia, Kebox
Foto: Fotolia, Kebox

Auch Faxnachrichten können in den Posteingangsprozess eingebunden werden. Im Prinzip ist der Faxempfang nichts anderes als ein Scannen ohne Indizierung durch einen Dritten am entfernten Ort. Demnach lassen sich Faxdokumente genauso behandeln wie eingescannte Papierdokumente. Voraussetzung ist, dass sich die Auflösung für eine sichere und automatische Nachverarbeitung eignet.

(Siehe auch:

E-Mail: Fluch und Segen in der Kommunikation

Ganz anders stellt sich E-Mail dar. Die elektronische Post ist mittlerweile der wichtigste Eingangskanal für Informationen. Jeder Mitarbeiter mit einer E-Mail-Adresse ist direkt erreichbar, zudem lassen sich Dokumente parallel an Hunderte von Empfängern senden. Die Mail kann Anhänge enthalten, die mit Hilfe einer elektronischen Signatur zu rechtlich relevanten Dokumenten werden. E-Mail ist Fluch und Segen der modernen Wirtschaft, denn im Sinne eines durchgängigen Posteingangs entziehen sich die elektronischen Nachrichten gern der Kontrolle durch Klienten- und Server-Software.

E-Mail-Regeln
1. Verfassen Sie Ihre E-Mails knapp und präzise.
Alles was mehr als zwei Seiten umfasst, gehört in eine angehängte Datei.
2. Überprüfen Sie Rechtschreibung und Grammatik.
In den meisten E-Mail-Systemen gibt es entsprechende Funktionen. Da dies bekannt ist, werden entsprechende Fahrlässigkeiten übel genommen. Fehler suggerieren: Der Autor hat sich entweder für mich keine Zeit genommen oder er ist ein Schlendrian.
3. Beantworten Sie E-Mails schnell.
Reaktionsschnelligkeit ist einer der entscheidenden Vorteile von elektronischer Post. Vor allem auf erwartete Messages sollte zügig geantwortet werden. Wenn man nicht gerade extrem beschäftigt ist, sollte man den Posteingang mehrmals täglich checken. Allerdings ist es nicht nötig, die automatische Benachrichtung (Auto Notify) zu jeder eingehenden E-Mail zu aktivieren - das lenkt zu sehr von der Arbeit ab.
4. Gehen Sie sparsam mit der Funktion "Antwort an alle" um.
Es besteht die Möglichkeit, die Nachricht an eine Gruppe zu versenden, aus der sich vielleicht nur ein Prozent der Beteiligten dafür interessiert. Der Effekt ist vergleichbar mit einer Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem man gezwungen ist, dem Handygespräch eines Unbekannten zuzuhören. Wer ohne Notwendigkeit allen antwortet, erzeugt außerdem jede Menge elektronischen Müll. Insbesondere, wenn Anhänge mitgeschickt werden, führt das unnötige Versenden an große Verteiler zu Ressourcenproblemen.
5. Sorgen Sie dafür, dass Ihre E-Mail einfach lesbar ist.
Experton empfiehlt, die E-Mail in einem Stil zu verfassen, der einem schriftlichen Dokument (zum Beispiel Geschäftsbrief) gleicht. Grußformel und Unterschrift (Automatische Signatur) sind selbstverständlich. Außerdem sind kurze Sätze sowie - bei längeren Texten - Absätze zu empfehlen.
6. Halten Sie sich an die rechtlichen Bestimmungen für den E-Mail-Verkehr.
In Deutschland gilt seit Anfang 2007 eine neue Rechtsprechung, der zufolge im Anhang Pflichtangaben über das Unternehmen (Rechtsform, Sitz, Registergericht, Geschäftsführung) vorgeschrieben sind. Außerdem kann es manchmal nützlich sein, Angaben zu Urheberrecht, Vervielfältigung oder sonstige Rechtsklauseln anzuhängen. Im Übrigen sollten Unternehmen Regeln für den E-Mail-Verkehr formulieren (E-Mail-Policy), die regelmäßig zu verbreiten sind, damit auch neue Mitarbeiter auf dem Laufenden gehalten werden.
7. Antworten Sie niemals auf Spam.
Eigentlich eine Binsenweisheit, und doch ein immer wieder gemachter Fehler. Viele Spammer statten ihre Nachricht mit einer Opt-out-Funktion aus, indem die Mail im Betreff-Feld vorgeblich mit "unsubscribe" abbestellt werden kann. Für manche Spam-Programme, die für den automatischen Versand des elektronischen Mülls sorgen, bedeutet eine solche Antwort: Der Adressat ist da, er kann mehr Spam in Empfang nehmen.
8. Nutzen Sie Blindkopien, um Dritte zu informieren.
So bleibt der Verteilerkreis im Unklaren darüber,wer die Nachricht noch erhalten hat.
9. Formulieren Sie den Betreff aussagekräftig.
Nur so ragt die Botschaft aus der Fülle der Spam-Mitteilungen heraus, die heute die meisten Postfächer füllen.
10. Keep it simple.
Es gibt heute viele Möglichkeiten, E-Mails aufzuhübschen (Emoticons, Bilder etc.). Versender sollten vorsichtig damit umgehen, da nicht jedes Mail-Programm damit fertig wird und außerdem Ressourcen verschwendet werden. Zudem sind Emoticons mitunter mit Spyware infiziert. Deshalb: Nichts von unbekannten Quellen herunterladen!
11. Nutzen Sie die Features moderner E-Mail-Programme.
Rückruf: Eine E-Mail, die fehlerhaft oder ohne Anhang versandt wurde, wird zurückgerufen. Sparsam verwenden, lieber Botschaften noch einmal genau checken, bevor sie verschickt werden. Oft werden E-Mails schnell geöffnet und lassen sich nicht mehr zurückrufen. <br/><br/> Automatische Antwort: Die Out-of-Office-Funktion ist wirklich nützlich und sollte angewendet werden! Allerdings sollte man sie schnell deaktivieren, wenn man wieder im Büro ist.<br/><br/> Wiederversenden: Manchmal erreichen E-Mails nie den Adressaten, etwa weil der Mail-Server ausfällt. Mit der Resend-Funktion lassen sie sich umstandslos ein zweites Mal verschicken. Vor dem Versand in die Betreffzeile eine Bemerkung wie "zweiter Versuch" einfügen.<br/><br/>Übermittlungsbestätigung: Nice to have, aber nicht zwingend nötig. Funktioniert auch nicht mit jedem E-Mail-System. <br/><br/>Lesebestätigung: Ebenfalls nice to have.
12. Nutzen Sie E-Mails um Gespräche und Diskussionen anschließend zu bestätigen.
Elektronische Post bietet die Chance, sehr schnell Gesprächsergebnisse aus Konferenzen oder Telefonaten zu protokollieren. So lassen sich für alle Beteiligten die Ergebnisse sichern, bezüglich geplanter Maßnahmen sind alle auf demselben Stand. Was schriftlich fixiert wurde, wird von den Beteiligten ernster genommen.
13. Verlassen Sie sich bei dringenden Informationen nicht auf E-Mail.
Dazu lieber das Telefon benutzen. Es gibt keine Garantie, dass eine E-Mail gelesen wird. Oft wird die Nachricht übersehen, die Lektüre wird vertagt oder die Botschaft wird als vermeintlicher Spam gelöscht.
14. Nutzen Sie E-Mails nicht für unangebrachte Kommunikation.
E-Mail für die Verbreitung von Spam zu missbrauchen, ist nicht nur ein Ärgernis, sondern möglicherweise auch noch illegal. Und: In den meisten Fällen kann der Absender schnell ermittelt werden.

Im Sinne eines ganzheitlichen Posteingangs ist es aber sinnvoll, auch den E-Mail-Empfang zu integrieren. Nur so lässt sich die Geschäftskorrespondenz vollständig und vorgangsorientiert verarbeiten. E-Mails sollten daher nach vorheriger Spam- und Virus-Kontrolle in den Posteingang eingeschleust werden (und zwar im Schritt 5), um sie Mitarbeitern, Vorgängen und Workflows zuzustellen. Nur auf diesem Weg lassen sich E-Mails den elektronischen Akten zuordnen, die einen Geschäftsvorgang betreffen. Zudem lassen sie sich so im elektronischen Posteingangsbuch dokumentieren, mit speichersparenden Single-Instancing-Verfahren aufbereiten und der Archivierung übergeben.

Bislang ist das Scannen des Posteingangs noch weitgehend von der E-Mail-Nachverarbeitung getrennt. Diesen Medienbruch gilt es mit einheitlichen Verfahren für alle Formen von Nachrichten abzulösen, damit sich in Zukunft auch andere Nachrichtentypen wie SMS und RSS-Feeds sowie noch nicht absehbare Formate schnell einbinden lassen. Besondere Hürden stellen bestimmte rechtliche Anforderungen, denn E-Mails und andere elektronische Dokumente sind Geschäftsbriefe und müssen entsprechend aufbewahrt werden. Dieser Herausforderung müssen sich Großunternehmen, Mittelständler und Kleinunternehmen stellen. Nur mit einheitlichen und einfachen Verfahren lässt sich die Information künftig richtig kanalisieren, nutzen und sichern. Posteingang ist daher eine der Königsdisziplinen des Enterprise-Content-Managements (ECM). (jha)