IIoT und iPaaS

Industrial IoT - der vergessene Kernaspekt

27.01.2020 von Bernd Groß
Die weitreichenden Möglichkeiten des Industrial IoT wurden innerhalb der vergangenen Jahre anhand vieler anschaulicher Use Cases durchexerziert. Und doch wird ein Aspekt, der maßgeblich zum Erfolg von IIoT-Projekten beiträgt, häufig nicht hinreichend behandelt – die Integration.
In Industrie-4.0-Szenarien wird eine Vielzahl von Daten auf einer IoT-Plattform zusammengeführt und im Anschluss für verschiedene Zwecke ausgewertet.
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Das Industrial Internet of Things (IIoT) erlaubt es Produktionsunternehmen, permanent Daten zu erfassen, automatisch zu analysieren und somit den eigenen Betrieb gezielt zu optimieren. Ein Hersteller von Lackierrobotern kann so beispielsweise über Sensoren durchgehend Daten erfassen - aus der Lackierkabine, von den Zerstäubern oder den Dosierpumpen. Hinzu kommen zusätzliche Produktionsdaten, Fehlermeldungen und Warnungen aus dem Lackierprozess.

Die so erhobenen Daten werden mithilfe sogenannter Edge Devices, sprich kleinen Prozessoren in den Produktionshallen, vorverarbeitet und in Folge in eine IoT-Plattform überführt. Dort laufen sie zentral in einer Datenbank zusammen und werden für verschiedene Zwecke ausgewertet, etwa zur Visualisierung der Abläufe, zur Überwachung und Steuerung der Produktion sowie zur Analyse von Fehlerursachen.

Um diese Prozesse zu ermöglichen, müssen aber zum einen die reinen Geräte- und Maschinendaten in der IoT-Plattform mit zusätzlichen Informationen über die Geschäftsprozesse angereichert und verknüpft werden. Zum anderen müssen auch (selektiv) Daten und Ereignisse aus der IoT-Plattform den übrigen IT-Systemen und Unternehmensprozessen zur Verfügung gestellt werden. Erst dies gewährleistet Transparenz im Herstellungsprozess und stellt die Grundlage für die weitere Auswertung sowie daraufhin die Ableitung konkreter Maßnahmen dar.

Technisch gesprochen, muss man also jede IoT-Plattform bidirektional mit den übrigen Applikationen und Anwendungen - typischerweise einem Manufacturing Execution System (MES) oder Enterprise Ressource Planning System (ERP) - verbinden. Die unterschiedlichen Unternehmensbereiche, beispielsweise die Beschaffung, erhalten so über standardisierte Schnittstellen wichtige Informationen, etwa, um Qualitätsprobleme bei Zulieferern leichter klären zu können.

IIoT-Daten in einer hybriden Infrastruktur

In Industrie-4.0-Szenarien sieht die Sache etwas komplexer aus. Hier werden eine Vielzahl an Daten auf einer IoT-Plattform zusammengeführt, die sie zur Auswertung an weiterführende Anwendungen weiterleitet. Diese Anwendungen sitzen heute in aller Regel nicht mehr im eigenen Rechenzentrum, sondern befinden sich in der Cloud. Hinzu kommt, dass Unternehmen ihre unterschiedlichen Business-Lösungen in vielen Fällen von externen Dienstleistern und Softwareanbietern beziehen.

Dazu gehören beispielsweise CRM- oder Projekt-Management-Tools sowie weitere Office-Software. Die verbleibenden Anwendungen werden aus unterschiedlichen Gründen als klassische On-Premises-Software oder Private Cloud im Rechenzentrum betrieben - weil es keine passende Cloud-Software gibt, oder weil Sicherheitsgründe dagegensprechen.

An dieser Stelle erhöht das Industrial IoT die Komplexität der Aufgabenstellung, denn zur Integration gehört nun auch der Datenfluss von den Geräten über die Edge in die Cloud und wieder zurück in den Maschinenpark, um entsprechende Handlungen aus den ausgewerteten Gerätedaten abzuleiten. Die Rede ist hier längst nicht mehr nur von den Daten, die die eigenen Sensoren erheben. Die Daten in dieser sogenannten hybriden Infrastruktur kommen mittlerweile auch aus externen Netzwerken von Unternehmenspartnern, Zulieferern, Kunden, Wetter- und Verkehrsstationen, Social Media Tools und vielem mehr - und sollten alle im Kontext dieser Integration mitbeachtet werden.

Integration-as-a-Service - Herzstück der Transformation

Diese Integration ist das integrale, aber wenig sichtbare Kernstück der Digitalen Transformation. In der Realität entfällt mit etwa 80 Prozent der Löwenanteil des kompletten Arbeitsaufwands für die Umsetzung von IIoT-Projekten auf die Integration - was heute in erster Linie die Cloud betrifft. Hier könnte man nun zunächst versucht sein, die IoT-Plattform jeweils individuell in Form von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mit den restlichen Applikationen, SaaS-Diensten und IT-Systemen zu integrieren.

Dieser - oft versuchte - Ansatz scheitert jedoch heute meistens an der Vielzahl und der Komplexität der zu integrierenden Fremdsysteme. Die Unternehmen sollten hier vielmehr auch für die Integration auf die Cloud beziehungsweise SaaS setzen - in Form einer leistungsfähigen Integration-Platform-as-a-Service (iPaaS).

Der entscheidende Vorteil einer solchen Cloud-basierten Lösung ist, dass sie von Anfang an für hybride Infrastrukturen optimiert ist. Eine relevante Performance-Metrik ist dabei die Einfachheit und Geschwindigkeit, mit der konkrete Integrationsaufgaben implementiert werden können. Dieser Prozess sollte im Idealfall in den jeweiligen Fachbereichen abgebildet werden, damit die weniger leicht verfügbaren Entwickler- beziehungsweise IT-Ressourcen nur geringfügig eingesetzt werden müssen. Heutige Integrationsplattformen reduzieren hier die Komplexität durch einfache Benutzeroberflächen nach dem Drag-&-Drop-Prinzip unter Zuhilfenahme von Dutzenden Adaptern und dynamischen Integrationsmustern dramatisch.

Roundtable IoT
Jan Rodig, Freiberuflicher Berater für Digitale Transformation, Innovation und IoT
„Es ist dringend notwendig, dass sich Unternehmen noch intensiver mit dem Thema ,IoT‘ auseinandersetzen – allein schon wegen des steigenden Wettbewerbsdrucks: Wenn die Konkurrenz aus dem Ausland billigere Maschinen in immer besserer Qualität herstellt, müssen deutsche Hersteller neue Argumente schaffen, um am Markt erfolgreich zu bleiben. IoT-Funktionen spielen hier eine Schlüsselrolle: Ohne sie wird es in Zukunft in den meisten Branchen kaum noch gehen.“
Oliver Edinger, Software AG
„Der Aufbau wirklich funktionierender IoT-Infrastrukturen ist vor allem eine Frage der richtigen Orchestrierung. Wo es früher reichte, die Software eines einzelnen Anbieters ein bisschen anzupassen, stammt eine Gesamtlösung im IoT-Kontext heute von vier oder fünf unterschiedlichen Herstellern. Die Aufgabe ist es also, sicherzustellen, dass zum Beispiel Sensorik, Plattform, Systemintegration, AI und all die anderen Komponenten reibungslos ineinandergreifen. Um das zu schaffen, brauchen wir mehr Mut zur Interdisziplinarität. Hier sehe ich die Medizintechnik als schönes Beispiel, wo durch intensiven Austausch über Fachgrenzen hinweg bahnbrechende Entwicklungen erreicht wurden.“
Katrin Bacic, Wayra Germany
„Gerade im Bereich IoT entstehen aktuell viele innovative Start-ups. Doch damit diese ihre Innovationskraft auch wirklich entfalten können, braucht es starke Partnerschaften mit Unternehmen, die sich trauen, diese Ideen auch in die Praxis umzusetzen. Gerade auf Konzernseite fehlt hier allerdings noch häufig die Bereitschaft zum nötigen Bewusstseinswandel – weg von unendlicher Planung und hin zu mehr Mut, auch mal etwas auszuprobieren, sprich: einfach mal mit einem Proof of Concept loslegen, anstatt lange zu zögern.“
Sven Koltermann, Telefónica
„Bei einem Thema wie IoT, das den Alltag in der industriellen Produktion so fundamental betrifft, gilt es, frühzeitig Mitarbeiter aller Fachabteilungen in den Prozess einzubinden. Wir erleben oft, dass vor allem in der Proof-of-Concept-Phase ausschließlich externe Berater mit am Tisch sitzen. Das führt dazu, dass das generierte Wissen nicht im Unternehmen bleibt. Als Telekommunikationsanbieter forcieren wir immer die direkte Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern, um gemeinsam mit den Unternehmen tragfähige und nachhaltige IoT-Geschäftsmodelle zu entwickeln.“
Johannes Kaumanns, T-Systems
„In der Diskussion um IoT denken wir manchmal zu ,deutschlandzentrisch‘. IoT hat riesengroße globale Chancen und muss daher auch so gedacht werden. Das bedeutet, dass wir sowohl preislich als auch technologisch attraktivere und schneller umsetzbare Geschäftsmodelle entwickeln, um mit der internationalen Konkurrenz Schritt zu halten. Die Frage nach dem richtigen ,Sizing‘ ist hier also besonders zentral: Wie viel kann ich mit einer Lösung mittelfristig erreichen, und wie viel erwartet der Kunde? Die Regulierung ist hier leider nicht immer hilfreich: Auf den internationalen Märkten gibt es relativ hohe heterogene Restriktionen, die ein Risiko darstellen.“
Peter Gaspar, A1 Digital
„Die erfolgreiche Überführung von IoT-Konzepten in die Praxis gelingt am besten in den Unternehmen, die frühzeitig ,intellektuelle Investitionen‘ tätigen und eigene Kompetenzzentren aufbauen. Darüber hinaus ist es wichtig, in der Proof-Of-Concept-Phase einen gewissen Realismus mitzubringen. Es sollte von Anfang an eine klare Vorstellung darüber herrschen, welche Ziele man mit einem bestimmten Projekt erreichen will, aber auch, welche nicht für den Erfolg notwendig sind.“
Vincent Ohana, Concept Reply
„Der Fortschritt von IoT variiert in Deutschland stark zwischen den unterschiedlichen Branchen, aber auch die Unternehmensgröße ist ein Faktor. Ein Autohersteller hat vielleicht schon jahrzehntelange Erfahrung, während ein Maschinenbauer aus dem Allgäu gerade erst am Anfang steht. Es bedarf außerdem einer gewissen Hartnäckigkeit: Der Return on Investment tritt in IoT-Projekten relativ spät ein, oft erst nach drei, vier oder sogar fünf Jahren. Grund ist die hohe Komplexität: In einer IoT-Umgebung kommunizieren viele Komponenten miteinander, und es entstehen riesige Ökosysteme, die Projektpartner aus den unterschiedlichsten Bereichen integrieren. Dieser Komplexität können Unternehmen nur gerecht werden, wenn sie frühzeitig die richtigen Architekturentscheidungen treffen.“
Nicolai Blonner, Alcatel-Lucent Enterprise
„Das Internet der Dinge gibt es selten von der Stange. Sicher kann man einzelne IOT-Komponenten herauslösen und als schlüsselfertige Lösungen anbieten – aber am Ende ist jeder Anwendungsfall kundenspezifisch. Viele Unternehmen scheuen die Komplexität, die eben diese individuellen Anforderungen mit sich bringen. Unsere Aufgabe ist es daher, die Komplexität zu reduzieren, Erfahrung in die Unternehmen zu bringen und das richtige Maß aus internem und externem Know-how zu finden. Die Bereitschaft zum digitalen Wandel muss dabei aber aus den Unternehmen selbst kommen. Gerade auf Managementebene braucht es hier mehr Mut.“
Andreas Pfister, Syntax
„Internet of Things bedeutet in erster Linie das sinnvolle Zusammenführen von Daten. Die IoT-Infrastruktur muss sich dabei eng an den Zielen des Unternehmens orientieren. Welche Daten sind wirklich relevant und wie schaffe ich es, dass die Informationen, die ein Gerät liefert, von den anderen Geräten verstanden werden? Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, können am Ende Geschäftsmodelle entstehen, die sich für die Industrie wirtschaftlich lohnen.“

Das IIoT wächst - und damit die Anforderungen an Integration

In der IT ist der State of the Art von Integrationstechnologien weit fortgeschritten - iPaaS stellt beispielsweise bereits die dritte Generation von Integrationslösungen dar, die besonders oft zur Anbindung der Dutzenden bis Hunderten von Cloud- und SaaS-Anwendungen eingesetzt werden. Setzt ein Unternehmen daher eine iPaaS ein, ist eine IoT-Plattform nur ein (weiteres) System, das an diese zentrale Integrationsplattform für die gesamte hybride Infrastruktur angeschlossen werden muss.

Auf OT-Seite ist diese Art von Integration jedoch ein vergleichsweise neues Konzept, welches gemessen am Gros der Unternehmen erst in Ansätzen in die Praxis überführt wurde. Wichtig sind dabei der durchgängige Datenfluss sowie eine performante und sichere Anbindung der IoT-Plattform an die iPaaS.

Das rasante Wachstum des Internet of Things und die damit einhergehende wachsende Anzahl an vernetzten Geräten werden jedoch in Zukunft immer größere Anforderungen an die Integration stellen - und das nicht nur in der Industrie, sondern über alle Branchen hinweg. Unternehmen, die eine gelungene Transformation anstreben, sollten also bei der ganzheitlichen Integration aller geschäftsrelevanten Komponenten neben der IoT-Plattform auch auf die Funktionalität einer leistungsfähigen Integration-Platform-as-a-Service setzen. (mb)