Kundenkonferenz Inforum

Infor bringt sich als Cloud-Company in Stellung

06.11.2014 von Martin Bayer
Seit vier Jahren arbeitet Infor mit Hochdruck an seiner Cloud-Strategie. Nun scheinen die Anstrengungen erste Früchte zu tragen. Auf seiner Kundenkonferenz Inforum Anfang November in Frankfurt am Main legte der US-amerikanische Softwarehersteller dar, wie er sich im künftigen Cloud-Business positionieren will.

Infors Cloud-Strategie dreht sich in erster Linie um spezielle Micro-Vertical-Cloud-Suites, dediziert angepasst an die Anforderungen einzelner Industrien. Dabei sollen die Lösungen den gesamten Funktionsbedarf der jeweiligen Branche abdecken und keine weiteren Modifikationen seitens der Anwenderunternehmen erforderlich machen, versicherte Duncan Angove auf der Kundenveranstaltung Inforum in Frankfurt am Main.

Der President, verantwortlich für die Bereiche Engineering, Support und das Cloud Business bei Infor, sprach in diesem Zusammenhang von "Last-Mile-Funktionen" und bezeichnete sein Unternehmen als erste "Industry Cloud Company". Angove glaubt, damit einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb zu haben. Architekturen und Portfolios von Anbietern wie SAP und Oracle seien zu monolithisch. Es fehle die Flexibilität, um beispielsweise einem produzierenden mittelständischen Unternehmen die passende Cloud-Lösung anbieten zu können.

Partner AWS

Als Partner für die Cloud-Infrastruktur setzt Infor ganz auf Amazon Web Services (AWS). Die Applikationen seien speziell für den Betrieb in der Amazon-Cloud und den dazugehörigen Cloud-Services wie beispielsweise "Auto Scaling" und "Auto Provisioning" angepasst worden. Der Cloud-Pionier betreibt seine Infrastruktur mittlerweile an elf Standorten weltweit. Erst vor wenigen Wochen wurde ein redundant angelegtes neues Rechenzentrum in Frankfurt am Main eröffnet. Die Einstiegshürde in die Cloud sei damit gerade auch für deutsche Kunden deutlich gesenkt worden, erläuterte AWS Deutschland-Geschäftsführer Martin Geier auf dem Inforum.

Zu den deutschen Kunden, die bereits auf der Cloud-Infrastruktur aufsetzen, zählen die Software AG und Siemens mit seinen PLM-Lösungen (Product Lifecycle Management). Diesen Kunden versprach der AWS-Manager eine zügige Weiterentwicklung der Cloud-Infrastruktur. Seien im vergangenen Jahr etwa 300 Innovationen implementiert worden, werde man 2014 wohl die Grenze von 400 Neuerungen erreichen oder sogar übertreffen, so seine Prognose.

Mit den industriespezifischen Ausprägungen von Infors Cloud Suite könnten sich die Anwender von ihren Modifikationen verabschieden, die das Handling von Software in der On-Premise-Welt so aufwändig gemacht hatten, verspricht Infor-President Stephan Scholl.
Foto: Infor

Infor will dagegen seinen Fokus ganz auf die Applikationen richten. "Der Applikations-Layer ist der Gold-Layer", sagte Stephan Scholl, als President für die Bereiche Vertrieb, Consulting und Partner bei Infor verantwortlich. Hier liege der Mehrwert für die Anwender. Die darunterliegende Infrastruktur sei dagegen Commodity. Die eigene Integrationsplattform ION sieht Infor als eine Art "Meta-API" (Application Programming Interface) und Unterstützung für die Applikationen und End-to-End-Prozesse. ION integriert zahlreiche Schnittstellen zu Infor-Anwendungen, aber auch zu Produkten von Drittanbietern. Anwender müssten damit nicht verschiedene Punkt-zu-Punkt-Verbindungen entwickeln, um Applikationen zu integrieren, sondern bräuchten nur eine Verbindung zu ION. Die Integrationsplattform sorge dann automatisch für die Verknüpfung mit allen anderen angebundenen Softwareanwendungen.

Kampf gegen die Tyrannei der Power-User

Einen weiteren Entwicklungsschwerpunkt legen die Infor-Verantwortlichen auf die Usability ihrer Software. Das Gros der heute genutzten Applikationen sei auf den Einsatz durch sogenannte Power-User ausgelegt. Entsprechend überfrachtet und komplex präsentierten sich in aller Regel die Benutzeroberflächen. Da sich der Nutzerkreis in den Unternehmen jedoch laufend erweitere, müsste auch das User Interface vereinfacht werden, forderte Angove. "Die Tyrannei der Power-User muss beendet werden." Dafür hat der Softwarehersteller mit Hook & Loop eine eigene Kreativ-Abteilung ins Leben gerufen. Dort arbeiten Infor zufolge heute mehr als 100 Designer an den Software-Oberflächen.

Eigenen Angaben zufolge haben weltweit 2600 Kunden Infors Cloud-Lösungen im Einsatz. Die Zahl der User beziffert der Anbieter aktuell auf 25 Millionen. Rund 40 Applikationen seien im Rahmen der AWS verfügbar. Auch das jüngste Geschäfts-Momentum sei vielversprechend. Unter den fünf größten Abschlüssen des gerade abgelaufenen Fiskalquartals seien drei Cloud-Deals gewesen, berichtete Scholl - und es seien die größten überhaupt in der Firmengeschichte gewesen. "Die Zeit ist reif", sagte der Infor-Manager. Viele Anwender sind der alten schwerfälligen Systeme müde, die sich nur mit großem Aufwand modernisieren ließen. Außerdem hätten sie keine Lust mehr, sich von Release zu Release zu hangeln. Daher wachse die Bereitschaft, etwas auszuprobieren und ausgetretene Pfade zu verlassen. In diesem Zusammenhang würden sich die Anwender auch zunehmend umsehen, was der Markt sonst noch zu bieten habe.

Was die Cloud Buzzwords bedeuten
Von BaaS über SaaS bis zu XaaS
SaaS kennt man, aber BaaS? Oder MaaS und DaaS? Wir stellen Ihnen die wichtigsten Abkürzungen im Cloud-Geschäft vor.
EC2 – Elastic Computer Cloud
Hinter der Abkürzung „EC2_ Elastic Computer Cloud" verbirgt sich das wohl bekannteste IaaS-Angebot von Amazon, <a href=" http://aws.amazon.com/de/ec2/" target="_blank"> dem Marktführer für Infrastrukturdienste aus der Cloud. </a>
CCO – Chief Cloud Officer
Was wäre der schönste Job ohne passenden Titel? Wer seine Visitenkarte noch nicht mit der Abkürzung CIO – Chief Information Officer – schmücken darf, der freut sich als Cloud-Chef sicher über den fast genauso schön klingenden Titel „CCO – Chief Cloud Officer" auf dem kleinen Karton und in der Signatur.
DbaaS – Database as a Service
Wenn Kunden DbaaS buchen, dann erhalten sie Zugang zu einer Datenbank, ohne selbst Hand anzulegen. Auch die Software ist in diesem Modell schon konfiguriert und läuft, ohne dass ein Experte sich mit technischen Details herumschlagen muss.
Public Cloud
Was sich mit „öffentlicher Wolke" übersetzen lässt, funktioniert wie ein Mietwerkzeug. Eine gängige Variante und bekanntestes Beispiel sind Google Apps. Zwar erleichtern die offen zugänglichen Office-Programme das verteilte Arbeiten, allerdings treiben deren geringe Sicherheitsstandards in der Cloud so manchem Sicherheitsbeauftragten in Unternehmen die Schweißperlen auf die Stirn. Privat nutzen dagegen viele diese oft kostenlosen und praktischen Service-Angebote.
Private Cloud
Der Vorteil einer „privaten Wolke" liegt auf der Hand. Sie kann alle oder noch mehr Features einer „Public Cloud? bieten, allerdings entspannen sich Sicherheitschefs hier deutlich, denn wie der Name „private" schon suggeriert, handelt es sich um ein geschütztes Netzwerk, auf das nur die eigenen Mitarbeiter und Berechtigte Zugriff haben. Von unerlaubten Hacker-Angriffen einmal abgesehen.
Hybrid Cloud
Hier verbinden sich Features einer privaten und öffentlichen Wolke. Ein Angebot, bei dem beispielsweise unternehmenskritische Anwendungen in einer abgeschotteten, Passwort-geschützten Cloud-Umgebung laufen, während andere Dienste, die seltener gebraucht werden wie beispielsweise ein Archiv, über eine öffentliche Cloud betrieben werden.
Community Cloud
Schließlich gibt es noch die gemeinschaftliche Rechnerwolke als viertes Liefermodell. Hier teilt sich ein kleinerer, meist örtlich miteinander verbundener Nutzerkreis wie Behörden, Universitäten, Forschungsgemeinschaften oder Genossenschaften Kosten und Ressourcen.
HaaS – Hardware as a Service
Mieten statt kaufen lautet seit vielen Jahren das Credo, um Kosten zu senken. Auch eine Cloud braucht Hardware und Switches, die der Dienstleister für den Kunden bereitstellt, betreibt und wenn notwendig austauscht.
BaaS – Backup as a Service
Eine Sicherheitskopie in der Wolke abzulegen ist keine schlechte Idee. Deshalb gibt es es auch sinnvolle Lösungen für Backups in der Cloud.
CaaS – Communications as a Service
Hinter dieser Abkürzung verbergen sich Voice over IP-Technologien wie etwa Tools für Telefon- oder Videokonferenzen. Gerade kleinere Unternehmen, die sich kein eigenes System anschaffen möchten, profitieren hier von einer Cloud-Lösung.
DaaS – Desktop as a Service
Ziemlich praktisch für mobil und mit verschiedenen Geräten arbeitende Jobnomaden ist „Desktop as a Service". Über dieses Cloud-Angebot wird sicher gestellt, dass ein Nutzer von jedem Rechner Zugriff auf seine Dokumente hat. Ein Sicherheits-Feature sorgt idealerweise dafür, dass nur berechtigte Nutzer Zugriff auf die Daten, Tabellen, Texte oder Präsentationen erhalten.
MaaS – Monitoring as a Service
Viele Anbieter integrieren solch ein Sicherheits-Tool als Standard-Anwendung in ihr Service- Angebot, um Kunden einen Überblick über die genutzten Dienste zu geben.
APaaS – Application-Platform as a Service
Hier stellen Anbieter den Kunden eine Oberfläche und eine Plattform zur Verfügung, auf der sich Cloud-Anwendungen entwickeln und betreiben lassen.
XaaS – Everything as a Service
Wahrscheinlich haben geschäftstüchtige Cloud-Dienstleister noch jede Menge weiterer Service-Angebote im Petto und auch so mancher Kunde träumt vielleicht davon, wie sich nörgelnde Mitarbeiter, nervige Chefs und anstrengende Auftraggeber einfach in eine Wolke auslagern lassen. Doch hier schließen wir unser kleines Glossar für heute, setzen es aber gerne gelegentlich fort. XaaS beschließt diese Reihe vorerst. Diese Abkürzung ist quasi der Überbegriff für alle Cloud-Services.

In diesem Zusammenhang wird offenbar auch die Option Cloud immer interessanter. Die Kunden könnten Weg und Zeit des Cloud-Umstiegs selbst bestimmen, versprach Infor-Manager Angove. Ein Weg sei, an den Flanken des Systems beispielsweise mit Modulen aus dem Human Capital Management (HCM) oder dem Customer Relationship Management (CRM) zu beginnen. In diesen Segmenten laufe heute bereits praktisch das gesamte Neugeschäft in der Cloud. In der Folge könnten die Unternehmen dann den ERP-Kern in die IT-Wolke nachziehen. Doch damit tun sich die Anwender momentan noch schwer, räumt Angove ein.

Um seinen Kunden den Weg in die Cloud zu ebnen, hat der Softwarehersteller das "UpgradeX"-Programm gestartet. Das Paket bestehend aus Technik und Beratung für den Cloud-Umzug, gibt es bereits für etliche Softwarelinien Infors, beispielsweise LN, M3, Lawson und SyteLine. Nun soll UpgradeX auf weitere Lösungen ausgedehnt werden, darunter System21, SunSystems und XA, die Softwarelinie für die IBM iSeries, ehemals AS400. Im Zuge dieser Transformation könnten sich die Unternehmen auch von ihren Modifikationen verabschieden, mit denen sie sich über Jahre herumschlagen mussten, stellte Scholl seinen Kunden in Aussicht. Es gebe Beispiele, in denen ein vierstellige Zahl von Modifiktionen mit einer Cloud-Lösung auf null heruntergefahren werde konnte, warb der Manager.

Cloud-Suite für den Mittelstand

Darüber hinaus baut der Softwarehersteller sein Portfolio weiter aus. Infor hat in Frankfurt die "Cloud Suite Business" angekündigt, eine ERP-Cloud-Plattform für international agierende Mittelständler. Die Cloud-Lösung bietet eine Reihe von Funktionen, angefangen von Buchhaltung und Reporting über Personalplanung und Supply-Chain-Prozessen bis hin zu Projekten, Vertrieb und Customer Relationship Management (CRM). Der Anbieter spricht von einer skalierbaren Management-Suite für mittelgroße Unternehmen, die damit weltweit arbeiten könnten. Infor CloudSuite Business setzt auf den Cloud-Angeboten von Infor auf, die über Amazon Web Services (AWS) bereitgestellt werden. Die Lösung kann auch über das jüngst eröffnete Rechenzentrum von AWS in Deutschland bezogen werden.

Infor hat zudem ein Austauschprogramm für NetSuite-Kunden angekündigt. Für eine begrenzte Zeit sollen NetSuite-Kunden, die auf Infor CloudSuite Business umsteigen möchten, Preisvorteile erhalten. Dazu gehört unter anderem, die monatlichen Abo-Kosten auszusetzen, bis der Kunde die Applikation in Betrieb genommen hat.

Außerdem arbeitet Infor eigenen Angaben zufolge an sogenannten "Science Apps", die spezifische Business-Probleme lösen sollen beispielsweise im Asset Performance Management sowie bei der Optimierung von Inventarbeständen und Preisen. Auch die E-Commerce-Plattform "Rythm" soll weiter ausgebaut werden. Auf Basis eines modernen Architektur_Stacks, der beispielsweise die NoSQL-Datenbank "mongoDB" beinhaltet, sollen Anwenderunternehmen damit Kundendialog und Online-Interaktionen steuern können. Künftig soll es dafür spezielle Branchenausprägungen geben beispielsweise für das Hotelgewerbe, die öffentliche Hand und den Gesundheitssektor.

On-Premise-Pflege

Neben der Entwicklung neuer Lösungen muss sich Infor jedoch auch um die Pflege der bestehenden On-Premise-Anwendungen kümmern - und das sind nicht wenige: Eine Produktliste auf der Website Infors enthält über 140 Einträge. Auf dem Inforum präsentierte das Management eine ganze Reihe von Verbesserungen und Erweiterungen, die in den zurückliegenden Monaten beispielsweise in LN und M3 implementiert wurden. Darüber hinaus hat der Hersteller die iSeries-Software XA komplett neu in Java geschrieben - auch um die Integration mit anderen Produkten zu erleichtern.

Das Engagement Infors in diesem Bereich dürfte auch in Zukunft weiter gefordert sein, so die Einschätzung der Infor-Manager. "Die AS400 wird ewig leben", glaubt Scholl. Er räumte ein, dass der Entwicklungsaufwand hoch ist - allerdings auch notwendig. Es gehe darum, neue Lösungen zu entwickeln und die bestehenden weiter zu pflegen. Gerade in einer Phase, in der sich die Paradigmen der Softwarebranche grundlegend veränderten, müsse man dafür einen langen Atem haben. Sein Kollege Angove bezifferte das Budget für Forschung und Entwicklung bei Infor auf etwa 15 Prozent vom Umsatz. Außerdem wachse dieser Posten Jahr für Jahr um einen zweistelligen Prozentbetrag.

"Wir stecken unser Geld in die Softwareprodukte", konstatierte der Infor-Manager. Andere Anbieter wie Salesforce.com und Workday müssten viel Geld für Sales und Marketing in die Hand nehmen. "Das ist auch der Grund, warum viele Cloud-Anbieter unter dem Strich Geld verlieren." (sh)