Infor muss aufräumen

13.11.2006
Nach den vielen Übernahmen der Vergangenheit muss der Softwarehersteller seine Produktlinien und Organisation neu ordnen.

Künftig sollen alle Infor-Lösungen auf die drei Business Groups Enterprise Solutions (ESG), Strategic Soutions (SSG) und Financials Solutions (FSG) aufgeteilt werden. Die ERP-Linien "Infor ERP COM" und "Infor ERP LN", das einstige Baan-System, das über die Akquisition von SSA Global im Mai dieses Jahres zu Infor kam, finden sich unter dem Dach der ESG wieder, teilte der Hersteller auf seiner Kundenveranstaltung Inforum am 9. November in Berlin mit (siehe auch: Update: SSA-Kauf macht Infor zur Nummer drei).

Darüber hinaus richten die Infor-Verantwortlichen ihre Entwicklungsstrategie neu aus. Die Umstellung von ERP COM auf Java ist demnach kein Thema mehr. Ursprünglich sollte die Infor-Lösung ausgebaut werden, um diese weltweit auch Kunden aus dem gehobenen Mittelstand anzubieten, erläutert Markus Stahl, Manager Global Industry Marketing von Infor. Die Akquisition von SSA Global und der damit verbundenen Übernahme der Baan-Produkte habe diese Pläne jedoch über den Haufen geworfen. Mit dem aus dem Baan-System hervorgegangenen ERP LN verfüge Infor über die notwendige Produktlinie für dieses Segment.

Der Technik-Fokus habe bei den Anwendern wenig Begeisterung hervorgerufen, räumt Stahl ein. Infor hätte es damit zudem versäumt, von den Anwendern benötigte Funktionen bereitzustellen. Gespräche hätten ergeben, dass 95 Prozent der Kunden Investitionen in zusätzliche Funktionen und mehr Prozessunterstützung favorisierten. "Wir werden künftig wieder besser auf unsere Kunden hören", versprach der Manager.

Die Infor-Kunden begrüßten den Kurswechsel ihres Softwarelieferanten. Die Java-Entwicklung hätte kaum jemanden interessiert, verlautete von Seiten des Infor-Anwender-Vereins. Wichtiger sei der funktionale Ausbau der Software. Allerdings ist es den Infor-Verantwortlichen noch nicht gelungen, alle Vorbehalte ihrer Kunden auszuräumen (siehe auch: Anwender kritisieren SSA-Übernahme durch Infor). Gerade hinsichtlich der Integration der vielen zugekauften Produktlinien blieben noch etliche Fragen offen, mahnt Martin Quintus von der Deutschen Baan Usergroup, die mit der Übernahme von SSA Global unter das Infor-Dach wechseln mussten.

Mit der Übernahme von SSA ist der Druck auf Infor größer geworden, mahnt auch Christian Glas, Analyst von Pierre Audoin Consultants (PAC). Der Anbieter müsse daher seine Produkte klarer positionieren. Dies sei zwar besser geworden, zum Beispiel bei der immer klareren Positionierung von Infor ERP COM und Infor ERP LN, aber auch hier sieht der Analyst noch Verbesserungsbedarf. "Kunden suchen nach Produkten mit Zukunft", sagt Glas. Wenn jedoch der Hersteller dem Interessenten mehrere Produkte mit der Aufforderung sich eines auszusuchen präsentiert, fragt sich der Kunde natürlich, welche Software Zukunft hat.

Um sich seinen Kunden als verlässlichen Partner zu präsentieren, pocht das Management auf die durch die Übernahmen erreichte Marktposition (siehe auch: Infor rückt SAP und Oracle auf den Leib). Hinter SAP und Oracle sei Infor mittlerweile die Nummer drei im Geschäft mit Business-Software, sagt Marketing-Chef Thomas Lynch. Im Gegensatz zu den beiden Branchengrößen, die ihre Konzernklientel in erster Linie mit technischen Argumenten zu ködern versuchten, biete sich Infor mit seinem Branchen-Know-how als Alternative gerade für mittelständische Kunden an.

Die hiesigen Geschäfte verantwortet Josef Eisenkolb, Vice President Central Europe. Mit ihm übernimmt das ehemalige SSA-Management das Kommando. Wolfgang Kobek, der bislang hierzulande als Statthalter Infor-Lösungen in Erscheinung trat, wird künftig bei der FSG einen Teil der Lösungen europaweit verantworten.

Ob dies für Kobek tatsächlich die von Infor herausgestellt Beförderung darstellt, ist jedoch zweifelhaft. Vielmehr hat es den Anschein, dass der Hersteller seine lokalen Präsenzen in den einzelnen Ländern zugunsten der größeren Einheit Central Europe zurechtstutzt. Ende Oktober hatte Infor angekündigt, die Struktur seiner deutschen Tochtergesellschaften zu verschlanken.

Dabei gehe es vor allem darum, Synergien in der Adminstration zu schaffen, wiegelt Infor-Manager Stahl ab. Mit der Akquisition von SSA gebe es in manchen Regionen zu viele Büros. Diese würden zumindest teilweise zusammengelegt. Personalmaßnahmen ständen dabei nicht im Vordergrund. Zudem müssten die Kunden nicht befürchten, die Nähe zum Hersteller zu verlieren, versichert Stahl. Auch die Support-Kapazitäten bleiben auf einem vergleichbaren Niveau.

Die Infor-Anwender bleiben indes skeptisch. Demnach gebe es beispielsweise beim Support durchaus Verbesserungsbedarf, verlautete von Seiten der Deutschen Baan Usergroup (DBUG). Auch in Sachen Produktstrategie haben die Kunden Zweifel. Die Strategie des US-Eigentümers sei nur schwer einzuschätzen, so der allgemeine Tenor aus der Infor-Anwendergemeinde. Da die Investoren in erster Linie an ihrer Rendite interessiert seien, könne sich alles schnell wieder ändern. (ba)