Nicht mehr, sondern besser investieren - das ist das Geheimnis der "Innovation Leader". Auf diesen Nenner bringt Kai Engel, Leiter der Innovation Practice und Partner beim Management-Beratungsunternehmen A.T. Kearney, die Ergebnisse einer weltweiten Studie mit 1750 Unternehmen. Der zufolge gibt es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der relativen Höhe der Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf der einen Seite sowie der Profitablilität eines Unternehmens auf der anderen. Wohl aber können die Marktbeobachter eine Verbindung zwischen Innovationsfähigkeit und wirtschaftlichem Erfolg nachweisen.
Alle Optionen ausloten
Seit einem Jahrzehnt schreibt A.T. Kearney regelmäßig einen Wettbewerb für besonders innovative Unternehmen aus. Diese unterscheiden sich von anderen beispielsweise dadurch, dass sie die Optionen für mögliche Neuerungen besser ausloten und sich dann auf diejenigen konzentrieren, die ihnen am meisten Erfolg versprechen. Wie solche Optionen aussehen können, demonstriert A.T. Kearney am Beispiel des Einzelhandels: Der richtige Mix aus
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Produktinnovationen,
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innovativen Dienstleistungen (zum Beispiel Bring-Services),
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neuartigen Vertriebskanälen,
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Prozessinnovationen (Self-Checkout etc.) und
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neuen Geschäftsmodellen (beispielsweise Reverse-Auktionen) ist laut Engel quasi ein Garant für profitables Wachstum.
Als gutes Beispiel für eine Geschäftsinnovation führt A.T. Kearney den Fotospezialisten CEWE an. Ihm gelang es im Gegensatz zu Mitbewerbern wie Agfa, Kodak oder Fuji Film, mit Marktveränderung in Richtung Digitalfotografie auch sich selbst zu transformieren. Er blieb erfolgreich im Geschäft, dominiert sogar den europäischen Markt für kundenspezifische Fotobücher und andere digitalisierte Fotoservices.
Bedürfnisse der Kunden verstehen
Ein anderes Exempel gibt die Lebensmittel-Handelskette Tesco. In Südkorea bietet sie der werktätigen Bevölkerung die Möglichkeit, einzukaufen, während sie auf die U-Bahn zur Arbeit wartet. In den U-Bahnhöfen hat Tesco riesige Displays mit einem limitierten Produktangebot installiert. Der Kunde fotografiert mit seinem Handy den integrierten QR-Code, ordert und bezahlt dann online, um die Ware schließlich nach der Arbeit zu Hause in Empfang zu nehmen.
Solche Ideen kommen immer seltener aus Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Um sie zu generieren, muss man nah am Markt sein und die wirklichen Bedürfnisse der Kunden verstehen. Und man braucht den Willen, "die Welt zu gestalten, bevor sie einen selbst gestaltet", wie A.T. Kearney es formuliert. Aus diesem Grund ist der Innovationsexperte Engel auch überzeugt: "Innovations-Management ist kein R&D-, sondern ein Topmanagement-Thema."
Struktur und Prozess
Um aus Ideen oder auch Erfindungen Innovationen zu machen, bedarf es eines Innovationssystems. Den gedanklichen Rahmen liefert A.T. Kearney mit dem "House of Innovation". Dessen Dach bildet die Innovationsstrategie. Sie muss auf einer innovationsfreundlichen Kultur aufbauen. In der Belle Etage residiert das Innovation Life Cycle Management, das eine Flucht von drei Zimmern bewohnt: Erzeugen von Ideen, Entwickeln zur Marktreife und ständiges Verbessern. Das Fundament bilden unterstützende Faktoren wie Key Performance Indicators (KPIs), Knowledge-Management, Personalentwicklung, Controlling etc.
Der Innovations-Management-Prozess bestimmt, welche Ideen und wie schnell sie marktreif werden. Er lässt sich in vier Schritte unterteilen: Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden oder andere Quellen liefern Ideen; diese werden in funktionsübergreifenden Teams diskutiert; die Ideengeber bekommen ein detailliertes Feedback und werden dann belohnt. Für alle Stufen gibt es unterstützende Methoden und Tools.
Software-Tools können Hilfestellung leisten
Ein Werkzeug macht den Narren nicht gescheiter, sagt ein Sprichwort aus dem angelsächsischen Sprachraum. Das Gegenteil gilt für Leute, die wissen, was sie tun. Auf das Innovations-Management bezogen, heißt das: Ein Unternehmen mit einer Innovationsstrategie, einer entsprechenden Kultur und einem definierten Innovations-Management-Prozess kann stellenweise von Software-Tools profitieren. Aber wo sind diese Stellen?
Vier Kategorien von Tools
Das in Wiesbaden ansässige Beratungsunternehmen Invensity hat eine Marktevaluierung in Angriff genommen. Die Autorin der Studie, Gaye Onay, hat vier Tool-Kategorien definiert:
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Die digitale Glaskugel: Werkzeuge, mit denen sich künftige Markt- und Techniktrends aufspüren lassen.
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Methode und System: Produkte für die systematische Analyse von Produkten und Kontext.
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Problemlöser: Dazu gehören innovationsspezifische Methoden und Algorithmen wie TRIZ-ARIZ.
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Kreativitätsunterstützung und Ideen-Management: In diese Kategorie fallen wohl die meisten der marktgängigen "Innovations-Management-Tools".
Öffentlicher Wettbewerb
Um Ideen in hoher Zahl und Qualität zu entwickeln, verlassen sich viele Unternehmen nicht allein auf die Mitarbeiter, sondern spannen auch Geschäftspartner und Kunden ein. Einige haben sogar "CoCreation-Netzwerke" geschaffen, in denen helle Köpfe draußen im Web ihre Ideen anbieten; als Vorreiter gilt Procter & Gamble.Wer will, kann sich auch das Phänomen "Crowd-sourcing" zunutze machen. Dienstleister wie Ninesigma bieten eine Plattform und die zugehörigen Services dafür an.
Bewertung via Facebook
Das Prinzip funktioniert auch hinsichtlich der Bewertung von Ideen. Der Serviceanbieter Quirky.com hat sich darauf spezialisiert, Produktideen zu sammeln und zum Kommentar durch potenzielle Kunden freizugeben - über Facebook. Handelsunternehmen wie Barnes & Noble oder Target zählen zu den Kooperationspartnern.
Unternehmen, die Innovationen lieber im eigenen sozialen Netz vorantreiben, können ebenfalls auf Tool-Unterstützung zurückgreifen. Ein Beispiel dafür liefert der Lebensmittelkonzern Danone. Das Werkzeug "IdeaNet" des Beratungsunternehmens Hyve ermöglicht ihm ein unternehmensinternes Crowdsourcing.
Auch Invensity entwickelt eine Innovations-Management-Lösung: "Hivescout" bildet quasi den hausintern genutzten Prozess ab. Laut Daniel Pfeifer, stellvertretender Leiter des Invensity-eigenen Center of Excellence Systematic Innovation, sehen sich die Wiesbadener aber eigentlich eher als Berater denn als Tool-Anbieter. (mhr)