FAQ Smart Retail

Intelligentes Einkaufen bleibt eine Herausforderung

19.11.2014 von Detlef Flach
In Paris fand Anfang November die Cartes Secure Connexions 2014, eine internationale Leitmesse für digitale Sicherheitslösungen für Zahlungen, Identifikation und Mobilität, statt. Auf der Messe wurden neue Trends im Bereich Smart Retail, einem der Hauptthemen der Cartes vorgestellt und diskutiert.
Auch im klassischen Handel ist es erfolgsentscheidend, mehr über den Kunden wissen.
Foto: Comexposium

Traditionelle Händler stehen derzeit stark unter Druck, da ihnen das Wachstum des Online-Handels einen bedeutenden Teil des Umsatzes mit den Stammkunden wegnimmt. Zusätzlich müssen sie preislich mit Web-Shops mithalten, obwohl sie mit ständig steigenden laufenden Betriebskosten konfrontiert werden.

Trotz dieser bereits so schwierigen Ausgangssituation haben die meisten Einzelhändler nicht verstanden, wodurch ihr Geschäft beeinträchtigt wird. Zu den Nachteilen zählen beispielsweise das lange Anstehen an der Kasse, die Gleichbehandlung aller Kunden oder Lieferengpässe. Hinzu kommt, dass viele Händler bisher noch nicht begriffen haben, wie wertvoll ein vernetzter Kunde ist, der durch das Sammeln von Daten und intelligenten Regalen interaktiv einbezogen werden kann. Auf der Fachmesse Cartes wurden entsprechende Lösungsansätze für Retailer vorgestellt und diskutiert. Hier die wichtigsten Aspekte des "Smart Retail" als FAQ zusammengefasst:

Wie wichtig ist noch der physische Kontakt zum Kunden?

In einer Zeit, in der der Online-Handel boomt, ist die Zukunft des Einzelhandels eng mit dem physischen Kontakt innerhalb der Verkaufsstätte verbunden. Initiativen von großen Internet-Playern wie Google oder Amazon zeigen auf, wie wichtig es ist, eine gute und direkte Beziehung zum Kunden aufzubauen, um diesen den Unterschied zum Online-Einkaufserlebnis spürbar zu verdeutlichen. Gleichzeitig schicken sich diese Riesen an, ihren Platz in der Welt des allgemeinen Handels als Service-Integratoren und Plattformanbieter zu finden. Sie möchten die gesamte Wertschöpfungskette von der Bestellung und Express-Lieferung bis zur Bezahlung steuern.

Was ändert sich durch die zunehmende "Mobilisierung" der Kunden?

Aufgrund der Verbreitung mobiler Geräte durchläuft der Einzelhandel derzeit eine Phase des Umbruchs. Kunden nutzen mehr und mehr ihre Smartphones und Tablets, um Einkäufe in Geschäften zu tätigen, sodass sich der Kauf vor Ort von Grund auf verändert: Tablets und Smartphones können Apps downloaden, QR-Codes und Etiketten lesen und Transaktionen durchführen, sodass sie zu richtigen Bezahlterminals werden. Desweiteren werden mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets bald von tragbaren Geräten wie Uhren oder Internet-fähigen Brillen ergänzt. Andere Kommunikationstechnologien wie LEDs tauchen mehr und mehr als Alternative zu WLAN auf. Vor allem in den USA und Korea werden Kunden mittels mikro-geobasierten Lichtquellen durch Geschäfte geführt.

Welche Hilfsmittel führen zum Smart Retail?

Die kontaktlosen Technologien, die am häufigsten beim Intelligenten Einkaufen verwendet werden, sind NFC und BLE (Bluetooth Low Energy). Diese werden in den Geschäften mittels Terminals (Beacons) verbreitet. Sie werden eingesetzt, um mehr über den Kunden zu erfahren und in Interaktion mit diesem zu treten, um so auch Zahlungen zu ermöglichen.

Wie kann ich NFC und BLE konkret im Laden einsetzen?

NFC und BLE ermöglichen es dem Kunden, mit Eintritt in den Laden interaktive Funktionen zu nutzen. Mit NFC sind interaktive Schilder an den Verkaufsregalen möglich, die folgende Möglichkeiten bieten:

Das elektronische Etikett kann in Zukunft zu einem "Smartphone Magnet" für NFC-fähige Verkaufsregale werden. Derzeit werden durchschnittlich 25 Geschäfte pro Woche mit NFC ausgestattet. Da die Etiketten in großer Anzahl existieren und so ein intelligentes Netz an interaktiven Sensoren bilden, werden dauerhaft neue Anwendungsmöglichkeiten entwickelt, so zum Beispiel auch Indoor Geolocation.

Die BLE/iBeacon-Kombination erlaubt es Smartphone-Nutzern wiederum, ihren Weg durch große Geschäfte zu optimieren. Sie müssen nur eine App mittels QR-Code herunterladen, um Zugriff auf alle Informationen und reduzierte Preise zu erhalten.

Diese Vorteile kann nicht nur der Einzelhandel nutzen, sondern alle Dienstleister, die elektronische Zahlungen akzeptieren, wie beispielsweise öffentliche Einrichtungen. Einem Spezialisten im Luxus-Einzelhandel zufolge werden "in drei bis fünf Jahren Kunden überrascht sein, wenn nichts passiert, sobald sie ihre Handys in die Nähe von etwas halten".

Wie entdeckt man neue Services für Kunden?

Einzelhändler wollen Technologien, die ihnen helfen, bestehende Kunden zu halten und neue zu akquirieren. Dafür müssen sie die Käufer, deren Profile und Erwartungen jedoch besser kennen, um ihnen passgenaue Services anbieten zu können. Um Kunden dazu zu bewegen, den Laden zu betreten und wieder zu kommen, spielt insbesondere Kundenbindung, erzeugt durch eine Vielzahl an möglichen Kanälen (Smartphones, Tablets, Internet, etc.), eine wichtige Rolle. Diese Strategien nennt man "Web to store" oder "Street to store".

Wie können Shop-Betreiber den Kunden vor Ort besser verstehen?

Um den Verkauf in Geschäften zu steigern, gibt es bereits heute eine Vielzahl verschiedener Technologien außer Tablets und Smartphones, die dem Produktangebot vor- und nachgeschaltet sind. Beispielsweise kann mit Fotos viel über den Kunden erfahren werden, etwa dessen Alter, Geschlecht, Kaufverhalten, wie oft bestimmte Produkte in die Hand genommen werden oder die Position des Kunden zum Produktregal.

Videokameras sind bereits in einigen Pilotgeschäften wie Tesco oder Walmart installiert. Sie zielen darauf ab, Werbung aufgrund der Beobachtung der Kunden zu personalisieren. So ergab sich zum Beispiel, dass von etwa 45 Prozent der männlichen Kunden in einem Geschäft für Schönheitsprodukte nur 18 Prozent auch etwas kauften. Das Hauptziel besteht in der Indoor-Geolocation, also der Fähigkeit, einen Kunden in einem Geschäft zu einer bestimmten Zeit zu lokalisieren.

Wie entwickeln sich Belohnungssysteme weiter?

Kunden können beispielsweise Punkte sammeln, sobald sie einen Laden betreten, unabhängig davon, ob sie etwas kaufen oder nicht. In den USA bietet das Unternehmen Shopkick beispielsweise Apps an, die wie eine Schatzsuche funktionieren. Der Kunde muss dabei bestimmte Produkte finden und scannen. Bezüglich der Bezahlung scheinen neue Player offen für integrierte Bezahlfunktionen, die mit anderen Anwendungen gekoppelt werden. Der Anbieter, der diesbezüglich am fortschrittlichsten ist, ist Paypal. Hier werden verschiedene Services integriert angeboten, unter anderem Zahlungen, die überall im Geschäft stattfinden können.

Welche Pläne schmieden die Internet-Riesen für den Handel?

In Zukunft gibt es vermutlich ganze Ökosysteme, die von großen Internet-Unternehmen beaufsichtigt werden. Diese übernehmen komplett den Kundenservice durch konzeptualisierte Dienstleistungen, die das gesamte Leben beeinflussen sollen, von der einfachen Informationsvermittlung bis zur Produktlieferung und Bezahlung.

Aus Kundenperspektive sind diese Dienste, die auf der dauerhaften Beobachtung ihres Profils und Verhaltens basieren, allerdings beunruhigend. Natürlich möchten Kunden einen Service zum schnellen Bezahlen, sodass sie lange Warteschlangen verkürzen oder sogar umgehen können. Dass solche Dienstleistungen aber eine wachsende Beobachtung durch die Geräte in den Geschäften einschließt, die sogar noch zunimmt, ist ihnen nicht bewusst. Einzelhändler haben außerdem Angst davor, dass sie einige Vorrechte zu Gunsten der großen Internet-Konzerne verlieren könnten. (mb)