Die Prioritäten der Entscheider

IT-Fahrplan 2004

01.03.2004 von Uwe Küll
Investieren ja - aber ganz gezielt. Dieses Motto unterschreibt jeder IT-Leiter. Darüber hinaus unterscheiden sich die Planungen der Unternehmen stark voneinander. Sie folgen streng den jeweiligen geschäftlichen Anforderungen der Firmen.

NACH DEN JAHREN der Konsolidierung und der schrumpfenden IT-Budgets sehen die großen Marktforschungsinstitute die IT-Branche 2004 wieder im Aufwind. Auch im Mittelstand, so meinen sie, werden die Ausgaben für Informationstechnologie insgesamt leicht zunehmen, auch wenn in vielen Firmen nach wie vor der Rotstift die Investitionsplanung bestimmt. Eine neue Studie der Meta Group etwa prognostiziert für das laufende Jahr ein Wachstum des ITMittelstandsmarkts um sechs Prozent. Der Appell „Mach‘ mehr mit weniger“ gilt dabei weiterhin.

Und egal, ob ein Unternehmen mehr, weniger oder gleich viel wie 2003 investiert - die IT-Verantwortlichen stehen vor der Frage, wofür sie ihr Budget einsetzen. Dabei kommen sie zu ganz unterschiedlichen Antworten.

Mysap.com optimieren

Beim Automobilzulieferer Sortimo International GmbH in Zusmarshausen etwa ist der IT-Fahrplan 2004 bestimmt von den Folgen der SAP-Einführung im vorigen Jahr. Geschäftsführer Klaus Emler erklärt: „Wenn man ein System zehn Jahre lang optimiert hat und es anschließend durch ein Standardsystem ersetzt - und wir sind nah am Standard geblieben -, dann erreicht man nicht sofort in allen Funktionsbereichen das alte Leistungsniveau.“ Mysap.com wurde mit den kompletten Modulen im Oktober 2003 eingeführt. Zuvor lief bei Sortimo die Software MS 90 von Brain auf einer AS/400 - seit 1991. Funktional entsprach das System jedoch in einigen Bereichen nicht mehr den Anforderungen des Tagesgeschäfts. Beispielsweise hat Sortimo in den zurückliegenden Jahren im Geschäftsfeld Automotive stark expandiert, und die hier geforderte Chargenverfolgung bot Brain nicht.

Jetzt geht es für den Hersteller von Fahrzeugeinrichtungen darum, mit dem neuen System die gleiche Reife zu erreichen wie beim alten System und die angepeilten Prozessverbesserungen umzusetzen. „Denn“, so Emler, „wenn man ein so komplexes Produkt wie SAP R/3 einführt, will man nicht nur den alten Stand, sondern eine Verbesserung und Einsparungen erreichen.“

Zu den angepeilten Verbesserungen gehört beispielsweise die Anbindung der ausländischen Tochtergesellschaften in acht europäischen Ländern an SAP. Die Planung sieht die Einführung bei einer Tochtergesellschaft mit anschließendem Roll-out in der Muttergesellschaft vor. So sollen sämtliche Zahlen schneller verfügbar und transparenter werden.

„Ein anderes großes Thema ist für uns die Betriebsdatenerfassung in der Produktion“, erklärt Emler. 170 Mitarbeiter beschäftigt sein Unternehmen allein in der Fertigung in einem Werk bei Augsburg. Derzeit werden dort nur Fertigmeldungen erstellt, ohne zeitliche Zuordnung von Aufträgen, wie man sie für die Feinplanung und die anvisierte Gruppenentlohnung braucht.

Auch die Sicherheit ist eine feste Größe in den IT-Plänen von Sortimo: Der Schutz vor Viren und Spam mit Virenscanner, Spamfilter, Firewall und anderen Werkzeugen soll kontinuierlich verbessert werden. „Schließlich denken sich die Hacker immer wieder etwas Neues aus“, begründet Emler die Vorsichtsmaßnahmen. Daneben soll die physische Sicherheit der Systeme mit feuerfester Zelle und neuem Datensicherungsschrank weiter erhöht werden.

Andere IT-Einführungen dienen vor allem dem Vertrieb, so etwa ein grafischer Produktkonfigurator („PX5“ von der Firma Perspectix) für eine neue Produktgeneration. Damit können per 3DVisualisierung Fahrzeugeinrichtungen nach Kundenwunsch gestaltet werden. Daneben setzt Emler auf den Ausbau des Vertriebskanals Internet: Hierzu wird der Online-Auftritt verbessert, etwa durch eine Verfeinerung der Produktkonfiguration im Web-Shop.

Ein weiterer Themenschwerpunkt ist die Dokumenten- und Datenarchivierung. Hier ist noch im Gefolge der Umstellung auf SAP die Einführung eines Systems mit SAP-Schnittstelle geplant.

Insgesamt, so Emler, erfordern diese Vorhaben eine leichte Steigerung des IT-Budgets im Vergleich zum Vorjahr, die jedoch bei der SAP-Einführung bereits mit einkalkuliert wurde. „Mittelfristig rechnen wir wieder mit einer Seitwärtsbewegung beim IT-Budget.“ Allerdings sei die Entwicklung der IT in seinem Unternehmen nicht nur unter Kostengesichtspunkten zu sehen: „Wir erleben auch eine tief greifende Änderung der Aufgaben unserer IT-Abteilung in Richtung Anwenderunterstützung.“

Axapta einführen

Die Einführung eines neuen ERP-Systems hat die Weleda AG in Schwäbisch Gmünd noch vor sich. Der Hersteller von Heilmittel- und Kosmetikprodukten hat sich entschieden, das Altsystem „Top Case“ durch Microsoft Axapta zu ersetzen. „Ausschlaggebend für die Wahl von Axapta waren die Flexibilität und der günstigere Preis des Systems im Vergleich zu einer SAP-Lösung“, erklärt Günter Turré, DV-Leiter bei Weleda. Eine der zentralen Aufgaben ist für ihn die Validierung des Systems nach Standards wie GMP (Good Manufacturing Practice) und FDA (Food and Drug Association) „Das ist für uns besonders wichtig, weil wir unsere Heilmittel ja auch in die USA exportieren“, erklärt der IT-Experte. „Dort wird vorausgesetzt, dass Hersteller im Pharmabereich ihre Software bestimmten Tests unterziehen und die Ergebnisse detailliert dokumentieren, um nachzuweisen, dass die Systeme Fehler ausschließen.

Dieses Verfahren macht fast ein Drittel der Gesamtkosten des Projekts aus. Ein Vorteil dabei ist, dass das Validierungshandbuch, das die Firma Dr. Herterich & Consultants erstellt, in die Systembeschreibung integriert wird.“ Da versteht es sich fast von selbst, dass das ITBudget 2004 bei Weleda höher ausfällt als vergangenes Jahr.

Die Laufzeit des Projekts veranschlagt Turré auf zwei Jahre. In diesem Zeitraum soll die Umstellung schrittweise erfolgen. „Aber natürlich gibt es einen Kern, der zusammengehört, den wir gemeinsam einführen. Das sind Einkauf, Faktura und Lager.“ Zu den anderen Modulen wie PPS, Vertrieb und Finanzbuchhaltung werden zunächst Schnittstellen geschaffen, um diese dann sukzessive abzulösen. Als Erstes jedoch nimmt sich die Projektgruppe ERP mit Projektleiter Alfons Maier, den Bereichsleitern und den Key-Usern aus den Fachabteilungen Zeit für die Ist-Soll-Analyse, die Erstellung des Pflichtenhefts, das Kennenlernen des neuen Systems und für Schulungen. Mit der ersten Testinstallation rechnet Turré ab Mitte dieses Jahres - der Echtbetrieb mit Axapta soll dann Ende 2005 laufen.

Neben diesem ehrgeizigen Projekt hat Turré jedoch noch einige weitere Punkte auf seiner Aufgabenliste. Dazu gehört beispielsweise die Einführung des Atlas-Systems, das in diesem Jahr Pflichtvoraussetzung für die vereinfachte Zollabwicklung wird. „Außerdem führen wir derzeit eine neue Lösung für das Customer-Relationship- Management ein. Eingesetzt wird hierfür die Software „Regmed“ des Herstellers Regware. Sie läuft auf den Laptops der Außendienstler, die damit Adresspflege betreiben, Kontakte erfassen, Besuchsberichte erstellen und den Bedarf an Ärztemustern melden, die dann von der Zentrale geliefert werden.

Beim Thema Sicherheit hält sich die Weleda-IT den Rücken frei durch Outsourcing: „Firewall und Ähnliches haben wir an SBS ausgelagert, damit wir uns auf die anderen wichtigen Dinge konzentrieren können, die jetzt anstehen.“

ERP-System auswählen

Florian Reinisch von Kaut-Bullinger in Taufkirchen bei München befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Turré. Anders als sein Kollege von Weleda hat der IT-Verantwortliche des Büroausstatters jedoch noch keine Entscheidung für ein bestimmtes System getroffen. „Wir werden in diesem Jahr hauptsächlich damit beschäftigt sein, diese Entscheidung vorzubereiten und zu treffen“, erklärt er. „Das Thema ist so heikel und für unseren Geschäftserfolg so wichtig, dass wir da bewusst viel Aufwand reinstecken, um uns vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.“ Notwendig wurde das Projekt, weil die bislang eingesetzte ERP-Software des Herstellers IFS in absehbarer Zeit nicht mehr gewartet wird. Unabhängig von der ERP-Erneuerung sieht Reinisch keinen Investitionsbedarf. „Im Bereich Hardware und Betriebssysteme wird sich bei uns in diesem Jahr nichts tun.“ Schließlich habe man gerade alle Server auf Linux umgestellt.

Die ERP-System-Auswahl hingegen sieht Reinisch als eine große Herausforderung, auch wenn er bereits einen konkreten Plan im Kopf hat. Zunächst soll die Organisations- und DV-Gruppe die passenden Systeme am Markt ausfindig machen und diese dann auf eine Vorauswahl von drei Produkten reduzieren. „Die schauen wir uns dann genauer an - unter anderem in Workshops.“ Einer der drei Kandidaten steht schon beinahe fest: das Nachfolgesystem von IFS.

Zwei konkrete Gründe dafür nennt Reinisch: „Zum einen erhebliche Rabatte, weil der Anbieter den Wechsel zum Neuprodukt als Folgeauftrag behandelt, und zum anderen das Vorhandensein vorgefertigter Migrations-Tools“. Trotzdem werde man sich auf jeden Fall auch mit SAP beschäftigen, „aber alles andere ist völlig offen“, so Reinisch. Klar ist hingegen, dass nur Hersteller und Dienstleister in Frage kommen, die über Know-how im Handel verfügen. „Und das sind im Falle von SAP trotz der großen Zahl von Partnern am Schluss nur ganz wenige.“

Ein anderes wichtiges Entscheidungskriterium ist für Reinisch die Größe des Herstellers: „Ein Anbieter mit 50 oder 60 Mitarbeitern bietet uns nicht die nötige wirtschaftliche Sicherheit.“ Da ist es nur konsequent, wenn Reinisch auch Microsoft als potenziellen Lieferanten ins Auge fasst. Allerdings störte ihn hier bislang das Geschäftsgebaren der Microsoft- Partner, die sich auf eine der Lösungen Navision oder Axapta spezialisiert haben und die jeweils andere schlecht machen. „Wem soll man da glauben?“, fragte sich Reinisch. Inzwischen hat er zwar einen Dienstleister gefunden, der beide Produkte im Portfolio hat und von daher objektivere Beratung verspricht. Grundsätzlich jedoch sieht der IT-Chef bei den Microsoft- Produkten Probleme aufgrund seiner strategischen Entscheidung für das Open-Source-Betriebssystem Linux. Beim Budget verzeichnet Reinisch denn signifikante Veränderung zum Vorjahr.

Systeme integrieren

Mit dem Ausbau einer zentralen Geschäftsanwendung sieht sich Jörg Heilingbrunner, Geschäftsführer der Union Technik GmbH in Duisburg, im IT-Bereich konfrontiert. Sein Unternehmen, das mit technischem Service für Tankstellen und andere Gewerbeimmobilien Geld verdient, hatte zuletzt eine mobile Internet-Anwendung eingeführt und damit die Produktivität der Servicetechniker deutlich erhöht. Die Lösung basiert auf einer Oracle-Datenbank und der Fibu-Software Navision Financials im Backend. Für die Integration mit den mobilen Clients wurde die „Eenex Process Integration Platform“ der Softwarefirma Amadee aus Minden verwendet. „Diese neue Plattform wird nun weiterentwickelt. Das heißt, wir integrieren und automatisieren weitere Prozesse, bei denen bislang noch Medienbrüche bestehen, die Handarbeit erfordern.“

Ziel ist, die gesamte Prozesskette von der Störungsmeldung bis zur Abrechnung der Reparatur online zu bearbeiten. Um das zu ermöglichen, muss Software neu eingeführt werden - beispielsweise steht Microsoft Exchange auf Heilingbrunners Einkaufszettel.

Auch die DOS-basierte Warenwirtschaft wird durch ein aktuelles Navision- Modul ersetzt. „Daneben ist das vor allem eine Frage der Software-IntegraIntegration. Aber auch bei der Hardware werden wir noch einiges anschaffen müssen“, meint der Union-Chef. Sein ITBudget wird deshalb in diesem Jahr steigen. Schließlich entwickelt sich die Informationsverarbeitung mit IT bei Union Technik immer mehr zum Kernprozess. Um diesen Prozess weiter zu optimieren, nutzt Union verstärkt IT-Dienstleistungen: „In dem anstehenden Integrationsprojekt werden wir rund 60 Prozent des Budgets für Dienstleistungen ausgeben“, schätzt Heilingbrunner.

Hard- und Software konsolidieren

Severin Canisius, IT-Leiter beim Outdoor- Ausrüster Jack Wolfskin aus Idstein im Taunus, hat mit seinem Team im vergangenen Jahr ein Händlerportal aufgebaut, das für das Unternehmen und seine Fachhandelskunden den Bestellprozess einfacher und kostengünstiger gemacht. Er beschreibt seine Planung so: „Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Brot-und-Butter-Themen in diesem Jahr.“ Dabei geht es zum einen um Konsolidierung: Wir haben in den vergangenen Jahren einen relativ großen Serverpark aufgebaut, den wir jetzt auf ein vernünftiges Maß reduzieren wollen, indem wir die Rechenleistung auf weniger, dafür größeren Maschinen zusammenführen.“

Doch es geht nicht nur um Hardware, sondern auch um Applikationen: Hier haben sich über die Jahre einige Inseln entwickelt, die es jetzt ebenfalls zusammenzuführen gilt. Canisius: „Was wir mit der Händlerplattform E-Wolf angefangen haben, führen wir in anderen Bereichen weiter. Denn die Vernetzung mit Kunden und Lieferanten wird immer wichtiger für uns.“

Alte Hardware ersetzen

Im Hardwarebereich ist für Canisius neben der Konsolidierung die Ersatzbeschaffung ein zentrales Thema: „Was im Jahr 2000 an Maschinen gekauft und über drei Jahre abgeschrieben wurde, wäre ja bereits letztes Jahr zum Austausch fällig gewesen. Was damals - wie wohl bei vielen Unternehmen - angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation verschoben wurde, wird dieses Jahr fällig.“ Eine wichtige Rolle spielt dabei für Canisius die Abkündigung von NT 4: „Da wir uns auf die Renewal License von Microsoft eingelassen haben, brauchen wir jetzt neue Rechner, um Dinge nutzen zu können, die wir bereits lizenziert haben, wie etwa Office 2003, das ja unter NT 4 nur eingeschränkt läuft“.