Rechtliche Fallstricke & Tipps

IT-Outsourcing nach Indien - Das müssen Sie wissen

13.09.2016 von Sascha Thattil  
Beim Outsourcing nach Indien gibt es einige rechtliche Fallstricke, die Sie unbedingt kennen sollten. Wir sagen Ihnen, was Sie für die Auslagerung der IT nach Indien wissen müssen.

Das indische Recht ist am englischen "Common Law" angelehnt. Daher ähneln die Bestimmungen in vielen Bereichen denen aus dem deutschen Recht. Dennoch gibt es den einen oder anderen Unterschied. Zudem handelt es sich beim IT-Outsourcing nach Indien um "internationalen Handel", weswegen auch internationales Recht zu beachten ist, beziehungsweise zur Anwendung kommt. Im folgenden haben wir die wichtigsten rechtlichen und regulatorischen Fragen und Antworten zusammengestellt, wenn es um die IT-Auslagerung nach Indien geht.

Welches Recht soll angewandt werden?

In einigen Verträgen wird das anzuwendende Recht nicht angegeben. In diesem Fall wird in den meisten Fällen das Recht das Anbieters beziehungsweise Verkäufers angewandt. Dies ist im Europäischen Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) geregelt, ist allerdings ungünstig, wenn der Verkäufer in Indien sitzt. Im EVÜ ist auch geregelt, dass die Parteien die gesetzlichen Regelungen eines Landes im Vertrag benennen können. Auch dies ist keine ideale Lösung, denn wenn ein Gesetz in Deutschland gilt, heißt das nicht, dass es für den Vertragspartner in Indien ebenso relevant ist.

Sind Schiedsgerichte eine Alternative?

Nationale Gerichte weisen die Tendenz auf, der Partei aus dem eigenen Land Recht zuzusprechen. Um eine nationale Unabhängigkeit zu gewährleisten, können daher Schiedsgerichte in Drittstaaten beauftragt werden. Schiedsgerichte sind nicht-staatlich agierende Gerichte, deren Entscheidungen durch nationale Gerichte vollstreckt werden können.

Schiedsgerichte können eine Alternative zu herkömmlichen, nationalen Gerichten sein.
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Beliebt sind Schiedsgerichte in Singapur und in England. Im Vertrag zwischen einem deutschen und einem indischen Unternehmen kann man ein solches Schiedsgericht in genannten Ländern beauftragen. Auch die deutschen Außenhandelskammern bieten diesen Schiedsgerichts-Service an.

Wird im Vertrag nicht bestimmt, welches Recht angewandt werden soll, dann wird das Recht des Landes des Schiedsgerichtes relevant. Die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsgerichtsverfahren sind in den Paragraphen 1061 und 1065 der deutschen Zivilprozessordung geregelt.

Findet internationales Recht Anwendung?

Die Anwendung von internationalem Recht kann sich äußerst kompliziert gestalten: Ein Unternehmen könnte theoretisch ein Gericht in New York, USA anrufen, während sich der Firmen-Hauptsitz auf den Cayman Islands befindet, wo lichtensteinisches Recht gilt. Fälle wie diese begünstigen Großunternehmen - denn in der Regel sind nur sie in der Lage, die Kosten für ein Gerichtsverfahren mit einer solchen Konstellation zu stemmen.

Die Anwendung von internationalem Recht ist also nicht ratsam. Auch ist die Zahl der auf internationales Recht spezialisierten Anwälte gering. Die Anrufung eines Schiedsgerichts ist die bessere Option.

Vereinbarung von Non-Disclosure-Agreements?

Ein Non-Disclosure-Agreement (NDA) kann hilfreich sein, wenn es darum geht, Informationen zu schützen. Die Vertragspartner einigen sich darauf, dass Informationen, die im Rahmen der Zusammenarbeit ausgetauscht werden, nicht mit Dritten geteilt werden dürfen.

Dabei ist zu beachten, dass internationale NDAs nur schwer durchsetzbar sind, da diese Vertragsform nicht in internationalen Regelungen berücksichtigt wird. Auf nationaler Ebene sind diese jedoch durchsetzbar. Daher ist es sinnvoll, das Outsourcing-Unternehmen in Indien damit zu beauftragen, mit den betroffenen Mitarbeitern solche NDAs abzuschließen und die enstprechenden Belege anzufordern.

10 Tipps für einen besseren Outsourcing-Vertrag
Bessere Outsourcing-Verträge
Zehn Tipps geben eine Orientierungshilfe auf dem Weg zu einem fairen Vertrag. Ihnen liegen die Erfahrungen aus zahlreichen Outsourcing-Verhandlungen zugrunde, die das Sourcing-Advisory-Unternehmen Alsbridge geführt hat.
Preiswert statt billig
Nicht immer ist der günstigste Preis auch das beste Angebot. Ein Marktpreis-Benchmark eines darauf spezialisierten unabhängigen Beratungsunternehmens gibt Aufschluss über marktübliche IT-Preise.
Vielfalt nutzen
Der IT-Dienstleister-Markt ist international und sehr heterogen. Hier findet jedes Unternehmen den für seine Unternehmenskultur genau passenden Dienstleister. Ein ehrlicher Blick auf das eigene Unternehmen und auf dessen Möglichkeiten ist enorm wichtig.
In der Kürze liegt die Würze
Bitte keine Vertragslaufzeit mit mehr als fünf Jahren. Der Innovationszyklus, der Wettbewerb und die Preisvolatilität in der IT-Branche sind enorm. Je kürzer die Laufzeit, desto geringer ist die Gefahr in einem unzeitgemäßen Vertrag „gefangen“ zu sein.
Jetzt aber raus
Die IT ist schnelllebig. Der Verhandlung und Verankerung von Kündigungsfristen sollte deshalb ein hoher Stellenwert beigemessen werden. Im optimalen Fall werden nur die dem Dienstleister entgehenden Honorare fällig.
Spieglein, Spieglein
Wie bei Kleidung gilt auch beim Vertrag: das eigene Unternehmen bestimmt den Umfang. Statt auf All-inclusive-Verträge besser auf Maßarbeit anhand der Organisationsreife des eigenen Unternehmens setzen. Single Sourcing ist einfacher zu steuern, Multi-Sourcing bietet mehr Möglichkeiten.
Zwei Pfund Outsourcing, bitte
Die Leistungsbeschreibung (Statement of Work) sollte so detailliert wie möglich ausgearbeitet sein. Auch Neuerungen zum Vorteil des eigenen Unternehmens sollten nachträglich aufgenommen werden können. Verzichtet werden sollte auf vorgefertigte Templates des Dienstleisters.
Geschnitten oder am Stück?
Service Level Agreements (SLAs) dienen gemeinsam mit der Leistungsbeschreibung dazu, den Umfang der Leistungen festzulegen, die durch den Dienstleister erbracht werden. Die SLAs sollten auf die Geschäftsziele des Unternehmens abgestimmt sein. Zudem sollten sie jährlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden können.
Der Preis ist heiß
Die Preisgestaltung ist auch beim IT-Outsourcing vielfältig. Hier sollten die Betriebskosten auf möglichst geringem Level gehalten werden. Wechselkurs-Risiken sollte der Provider tragen. Ein jährliches Überprüfen und Erneuern der Preisgestaltung sowie die Option einer Nachverhandlung ist zu empfehlen.
Ja, wo laufen sie denn?
Bei allen ITO-Projekten hat die Steuerung des Vertrages sowie der Dienstleister-Kunden-Beziehung eine hohe Bedeutung. Ein guter Vertrag definiert spezifische Teams, Verantwortlichkeiten, technische Anforderungen und Eskalationsstufen genau.
ITO-Projekte sind sowohl in
technologischer als auch in vertraglicher Hinsicht hochkomplex. Bevor eine unbefriedigende Vertragssituation für mehrere Jahre manifestiert wird, empfiehlt es sich, Sourcing-Berater als Experten zu Rate zu ziehen. Sie helfen in allen Phasen des Outsourcings.

Wie ist das mit dem Visum in Indien?

Touristen-Visa sind in Indien wesentlich einfacher zu bekommen als Business-Visa. Entsprechend gehen viele Unternehmer aus Deutschland den einfacheren Weg und beantragen ein Touristen-Visum. Das ist jedoch ein gravierender Fehler.

Es ist immer besser, für Geschäftszwecke auch ein Business-Visum zu beantragen.
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Denn wer unerlaubt zu geschäftlichen Zwecken in Indien einreist, wird bestraft. Auch ein permanentes Einreiseverbot liegt im Bereich des Möglichen. Sie sind also gut damit beraten, sich die Zeit für die Beantragung eines geschäftlichen Visums zu nehmen.

Wie funktioniert das indische Steuerrecht?

Bei einer Handelsbeziehung zwischen Indien und Deutschland entfallen die meisten steuerlichen Abzüge. Es gibt jedoch einige rechtliche Normen, die bei der Rechnungsstellung zu beachten sind. Erschwerend kommt hinzu, dass in diesem Bereich auch diverse EU-Regelungen greifen. Es ist also durchaus sinnvoll, einen Steuerberater hinzuzuziehen.

Wie sieht das Arbeitsrecht in Indien aus?

Das indische Arbeitsrecht ist nicht so ausgereift wie das deutsche. So gibt es in Indien beispielsweise kein elaborates Anti-Diskriminierungsgesetz. Dennoch bestehen sehr viele Regelungen etwa zu Überstunden, maximaler Wochenarbeitszeit, Urlaubsanspruch.

Besonders bei großen Unternehmungen sollten Sie Vorsicht walten lassen: Wie in Deutschland auch, können Mitarbeiter in Indien vor Gericht ziehen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Insbesondere Kündigungen sind in Indien sehr gewissenhaft zu begründen. Das Verfahren an sich läuft ganz ähnlich wie in Deutschland ab - mit Abmahnungen und Aufzeichnungen über Fehlverhalten.

Tipps für Kündigung und Trennung
Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten.
Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben.
Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird?
Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..."
"Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.
"Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene.
Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten.
Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.

Welche Rolle spielen Gewerkschaften in Indien?

Im IT-Sektor sind Gewerkschaften in Indien weniger stark vertreten, als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Diese werden besonders dann hinzugezogen, wenn eine unrechtmäßige Kündigung vermutet wird oder Gehaltsverhandlungen anstehen. Da in der IT-Branche generell bessere Gehälter gezahlt werden, kommt es diesbezüglich nur zu wenigen Konflikten.

Wie sieht es mit Urlaubs- und Feiertagen aus?

Für indische Mitarbeiter liegt der minimale Urlaubsanspruch bei 12 Tagen pro Jahr. Voraussetzung ist allerdings, dass mindestens 240 Tage pro Jahr gearbeitet werden (nach dem Indian Factories Act). Das hört sich im ersten Moment nach wenig an. Die meisten Unternehmen in Indien gewähren ihren Mitarbeitern jedoch zusätzliche 24 Tage: 12 davon für sogenannte "Casual Leaves" (familäre Notfälle, o.ä.), 12 für "Sick Leaves" (Krankheitsfall).

Neben den nationalen Feiertagen gibt es in Indien auch regionale und überregionale Feiertage. Insgesamt geben indische Unternehmen ihren Mitarbeitern pro Jahr so an zehn bis zwölf weiteren Tagen frei. Meist gibt es zusätzlich kleinere Listen mit optionalen Feiertagen, was man in Deutschland nicht kennt: Dabei handelt es sich um vier bis sieben Tage, von denen ein bis drei in Anspruch genommen werden können. Der Grund hierfür liegt in der religiösen Vielfalt Indiens: Neben den mehr als 800 Millionen Hindus, leben hier auch mehr als 150 Millionen Muslime, mehrere Millionen Christen und weitere Glaubensgemeinschaften.

Fazit: Indien künftig für Outsourcing noch attraktiver

Die rechtlichen Bedingungen in Indien sind derzeit einem Wandel unterworfen: Die neue Regierung unter Präsident Modi versucht den indischen Subkontinent für ausländische Investoren interessanter zu machen und will entsprechende Gesetzes-Reformen anstoßen. Deutsche Unternehmen können daher für die Zukunft davon ausgehen, dass sich ihre Eigentumsrechte in Indien künftig noch besser durchsetzen lassen. (fm)