IT-Rückblick 2006: Dumm gelaufen

21.12.2006
Ein Jahresrückblick der etwas anderen Art: Auch 2006 wurde die Technik für einige Zeitgenossen zum Verhängnis. Und Schadenfreude bleibt die schönste Freude.

Dummheit 1: Angriff der Akkus

Der 62-jährige Thomas Forqueran ging im Juli mit einem Freund zum Fischen, sein Dell-Notebook ließ er im Auto zurück. Nach kurzer Zeit bemerkten die Angler Brandgeruch und sahen Flammen im Fahrgastraum. Rasch griff das Feuer auf das Handschuhfach über, in dem drei Schachteln mit Munition lagen. Forqueran und sein Freund suchten Deckung, als die Munition in die Luft flog und schließlich der Benzintank des 40 Jahre alten Fords explodierte. Brennende Laptops sorgten 2006 häufig für Schlagzeilen, aber es war Forquerans Rechner, der Dell zum Rückruf von 4,1 Millionen Lithium-Ionen-Akkus aus dem Hause Sony veranlasste. Andere Hardwarehersteller folgten, insgesamt mussten knapp zehn Millionen Akkus der Japaner ersetzt werden.

Lesson learned: Lagern Sie Notebooks und Munition immer getrennt voneinander.

Dummheit 2: Moderne Zeiten

Als der amerikanische Elektronik-Einzelhändler RadioShack im Sommer um 400 Stellen gesundschrumpfen wollte, wurden die betroffenen Mitarbeiter per E-Mail davon unterrichtet, dass sie umgehend ihren Schreibtisch zu räumen haben: "Unglücklicherweise wurde Ihre Position eliminiert." Management-Experten zeigten sich überrascht angesichts dieser Vorgehensweise. Dabei war erst kurz zuvor einer Angestellten in Großbritannien per SMS gekündigt worden, was von dem Unternehmen mit der dort herrschenden "Jugendkultur" erklärt wurde. Krankmeldungen per SMS werden hingegen nicht gerne gesehen.

Lesson learned: Wenden Sie den Spam-Filter auch auf hausinterne E-Mails an.

Dummheit 3: Wir sind Papst

Es sollte die größte Kalenderreform seit Papst Gregor XIII. werden: Sanjay Kumar und sein Management-Team von CA entwickelten im Vertrieb Monate mit 35 Tagen. Allerdings wurde der Kumarianische Kalender im Nachhinein als illegal beurteilt. Im vergangenen April bekannte sich schließlich auch Kumar schuldig, die kommenden zwölf Jahre wird er als Gast der US-Behörde für Resozialisierung verbringen. Derweil versucht CA, wenigstens etwas von den 14,9 Millionen Dollar zurückzuerhalten, die man bis zuletzt für seine Verteidigung ausgegeben hatte. Gepfändet wurden Bankkonten, eine Yacht und mehrere Autos (zwei Ferraris, ein Land Rover, ein Volvo).

Lesson learned: Nur wenn Ihre Fahrzeuge das Kennzeichen "SCV-1" tragen, sind Sie tatsächlich Papst.

Dummheit 4: Cyber-Sturm

Im Februar hat die amerikanische Heimatschutzbehörde (DHS) ihre IT mit einer fünf Tage dauernden Angriffssimulation auf Schwachstellen testen lassen. Das Ergebnis veranlasste Kommentatoren in den USA zum Fazit, die digitale Infrastruktur des Landes könnte von einem cleveren 14-jährigen Schüler mit einem Amiga übernommen werden. Allerdings war nicht viel mehr zu erwarten gewesen: Schließlich ist das DHS in den vergangenen drei Jahren bei der Untersuchung eines Kongressausschusses zur Computersicherheit jedes Mal glatt durchgefallen. Besonders sicher war die IT in der amerikanischen Arbeitsbehörde.

Lesson learned: Zweifeln Sie nicht an den Untersuchungsergebnissen, sondern an den Kompetenzen der Personen, die die Untersuchung durchgeführt haben.

Dummheit 5: Interessenkonflikte

Es gibt Blogger, und es gibt PR-Agenten. An den Schnittpunkten der beiden Welten entstehen interessante Geschichten: So wollte ein Pärchen auf Hochzeitsreise durch die USA jede Nacht auf einem Parkplatz von Wal-Mart verbringen und in seinem Blog die netten Mitarbeiter des Konzerns vorstellen. Finanziert und betreut wurde der Trip durch eine Organisation sowie eine PR-Agentur, die wiederum von Wal-Mart finanziert werden. Die PR-Agentur musste anschließend einen kurzen Umweg über Canossa fahren. In Deutschland hieß Wal-Mart Opel.

Lesson learned: Egal, was man Ihnen auch anbietet - handeln Sie auf jeden Fall zusätzlich eine "Aufwandsentschädigung" heraus.

Dummheit 6: Heimlichtuer

Eine Software, die sich unbemerkt installiert, das System ausforscht und regelmäßig Informationen nach außen sendet, heißt allgemein "Spyware". Oder "Windows Genuine Advantage" (WGA), laut Microsoft ein automatisch eingespieltes, weil "kritisches Sicherheits-Update". Nach massiver Kritik durch Anwender und einigen Klagen änderte der Konzern die Modalitäten geringfügig. Nun lässt sich einstellen, wie oft Systeminformationen nach Redmond gesendet werden.

Lesson learned: Hat von mehreren Anbietern einer die marktbeherrschende Stellung inne, spricht man in Fachkreisen laut Wikipedia nicht von einem Monopol, sondern von einer "unvollständigen Konkurrenz".

Dummheit 7: Little Brother

Im Jahr 2006 haben es die Interessengruppen RIAA (Recording Industry Ass. Of America) und MPAA (Motion Picture Ass. Of America) tatsächlich geschafft, keine verstorbenen Personen wegen illegaler Downloads zu verklagen. Stattdessen wurden die Boy Scouts (Pfadfinder) von Los Angeles im Kampf gegen Urheberrechtspiraten verpflichtet: Sie können sich ein Abzeichen erarbeiten, wenn sie sich über legale P2P-Netze informieren, ein Hollywood-Studio besuchen oder sich über die Folgeschäden durch Raubkopien Gedanken machen. Ziel ist es, (dass auch die Eltern lernen,) Urheberrechte zu respektieren.

Lesson learned: Be prepared, und sichern Sie Ihre Rechner gegen den Zugriff durch die lieben Kleinen ab.

Dummheit 8: Schwarzer Peter

Die "iPods" von Apple sind das Maß der Dinge im Bereich tragbarer Musikspieler, daran ändert vorerst auch Microsofts "Zune" nichts. Zudem konnte es sich Apple 2006 leisten, mindestens zwei Dutzend Video-iPods mit dem Trojaner "RavMonE" auszuliefern. Der Schädling soll sich über einen Rechner in der Qualitätskontrolle auf die Festplatten eingeschlichen haben. Apple zeigte sich sogleich bestürzt darüber, wie anfällig Windows-Systeme gegenüber Malware sind. Immerhin verlinkte Apple auf einen kostenlosen Sicherheitsscan - von Microsoft.

Lesson learned: Jede Krise kann man auch als Chance begreifen.

Dummheit 9: Notebook-Verluste

Privacy-Guru Robert Ellis Smith hat 2006 als "Jahr der gestohlenen Laptops" bezeichnet und einige Fälle aus den USA aufgeführt, in denen insgesamt rund 27 Millionen Datensätze von Personen verloren gegangen sind. Betroffen waren beispielsweise EDS, Ernst & Young, Fidelity Investments, die Federal Trade Commission (FTC), die Steuerbehörde der USA, Starbucks, T-Mobile, Toyota, Union Pacific sowie Verizon. Der dickste Fisch waren die Daten von über 25 Millionen US-Veteranen. Anfang Dezember berichtete der "IDG News Service", dass die Zahl der abhanden gekommenen Datensätze (nicht nur durch geklaute Notebooks) in den USA auf über 100 Millionen angestiegen ist.

Lesson learned: Entwickeln Sie eine Fernzündung für Notebook-Akkus und bieten Sie Sony das Patent an.

Dummheit 10: Finden statt suchen

Im Juli stellte AOL "versehentlich" die Suchanfragen von 650.000 Nutzern online zur Verfügung. Zwar gab es keine Klarnamen, einige Personen konnten aber anhand ihrer Suchprofile identifiziert werden. AOL nahm die Daten sofort wieder vom Netz, aber sie waren schon kopiert und mit einer Suchmaske versehen worden. AOL-Nutzer wollten etwa wissen: "is cocaine good for you?", "finance me some gold teeth", und "how to kill your wife". Cheftechnikerin Maureen Govern musste sich darauf hin einen neuen Job suchen.

Lesson learned: Man hat es geahnt, aber bis dato nicht gewusst: Einige Nutzer von AOL haben wirklich bizarre Interessen.