IT-Vertrieb braucht gutes Personal-Management

14.10.2005 von Manfred Buchner
Jahrelang lief der Verkauf in IT-Unternehmen von allein. In schwierigen Zeiten muss nun in neue Konzepte und Weiterbildung investiert werden, wie das Beispiel zweier Unternehmen zeigt.

Hier lesen Sie ...

  • wie Firmen ihre Vertriebsmitarbeiter fit machen;

  • welche Rolle das Personal-Management dabei spielt;

  • ob Vertrieb und Beratung zusammengehören.

Von einer Lösung zu sprechen, ist in der IT-Branche höchst beliebt. Doch wenn Fachleute diesen Begriff verwenden, sollten die Gesprächspartner die Ohren spitzen, wie Jörg Wacha empfiehlt. „Das Wort wird gerne als Deckmantel verwendet“, warnt der Geschäftsführer der Beratungsfirma Detego in Wiesbaden, „nicht selten versteckt sich dahinter ein geradezu narzisstischer Blick auf das eigene Produkt. Selten geht es um den konkreten Bedarf des Kunden.“

Vertriebler verbringen zu wenig Zeit beim Kunden

Fehlende Kundenorientierung gilt als einer der größten Schwachpunkte der IT-Branche. In den 90er Jahren durch traumhafte Wachstumsraten verwöhnt, wurden viele Anbieter nach Ende der New Economy von Umsatzeinbrüchen kalt erwischt. Um darauf reagieren zu können, fehlt vielen Unternehmen ein wirksames Instrument für eine offensive Marktstrategie. So stellt die US-Beratung Proudfoot Consulting ein gewaltiges Manko im Vertrieb fest. Nach einer internationalen Studie verbringen die Mitarbeiter nur ein Zehntel ihrer Arbeitszeit mit aktivem Verkaufen und der Akquisition von Aufträgen. Stattdessen sind sie zu 90 Prozent mit Verwaltung, Troubleshooting und anderen Dingen beschäftigt. Kein Wunder, dass eine Steigerung der Vertriebseffizienz um durchschnittlich 30 Prozent möglich ist. Das erwartet Mercer Management Consulting, wenn man Schlüsselfaktoren wie Vertriebsstrategie,

Professionalisierung des Vertriebs-Managements und Mitarbeitermotivation gezielt fördert.

Auch die Unternehmen kennen ihre Schwächen im Verkauf, wie Michael Bienert, Professor an der Fachhochschule Hannover, bei der Befragung von 99 Sales-Profis herausfand. Danach sind für den Vertriebserfolg vor allem gute Personalarbeit (26 Prozent der Befragten), systematische Kundenorientierung (21 Prozent) sowie gutes Marketing (15 Prozent) entscheidend. Was aber konkret tun, um den Vertrieb schlagkräftiger zu machen beziehungsweise den Vertriebsgedanken zu fördern? Ein Patentrezept gibt es für Detego-Berater Wacha nicht.

Einzelne Schulungen verpuffen nur

Zwei Dinge sind für ihn aber klar: Nur eine ganzheitliche Sicht auf die Akquise und ihre gezielte Gestaltung führen zur echten Kundenorientierung. Das heißt auch, dass es auf ein Gesamtkonzept ankommt, wenn sich in Abteilungen oder Mitarbeitergruppen etwas ändern soll. Einzelne Schulungsmaßnahmen verpuffen nur. Zufriedene Kunden reichen nicht aus, sie müssen begeistert sein. Dieser Zustand tritt für Wacha ein, wenn nach Abschluss eines Projekts die „wahrgenommene Realität die Erwartungen übersteigt“. Ansonsten „zeigen Kunden keinerlei aktives Wiederkaufs- und Empfehlungsverhalten“.

Gemessen an dieser Vorgabe ist die Aareon AG mit ihrer neuen Ver

Berater Wacha (links) und Vorstand Gebhard arbeiteten eine neue Vertriebsstrategie für Aareon aus.

triebsstrategie schon weit vorangekommen. „96 Prozent unserer Kunden würden uns an Geschäftspartner weiterempfehlen. 98 Prozent fühlen sich gut bis sehr gut betreut,“ berichtet Lothar Gebhard, Vertriebsvorstand des auf immobilienwirtschaftliche Lösungen für Wohnungsunternehmen spezialisierten Beratungs- und Systemhauses mit Sitz in Mainz aus einer aktuellen Kundenbefragung. Das Ergebnis erklärt sich aus den über viele Jahre gewachsenen Kundenbeziehungen, aber auch aus einer radikalen Änderung der Vertriebsstrategie.

Das nötige Change-Management hat Aareon zusammen mit Berater Wacha entwickelt. Erstaunlich ist das hervorragende Resultat dennoch, weil die Tochter der Aarealbank AG bis 2001 keine eigene Vertriebsabteilung hatte. Die Kontakte zu vielen der insgesamt 1600 Kunden liefen bis dahin meist über regionale Vertriebsgesellschaften mit Verbandsbeteiligung. Was in den goldenen 90er Jahren in der IT-Branche noch gut ging, erwies sich in Krisenzeiten jedoch als Pferdefuß. „Wir mussten feststellen, dass viele Kunden ihre Ansprechpartner bei uns nicht kannten“, berichtet Vertriebschef Gebhard, „für uns war das inakzeptabel. Wir haben darauf sofort reagiert.“

Trennung von Vertrieb und Beratung bei Aareon

Um die Vertriebseffizienz zu stärken, beschloss Aareon eine Vier-Phasen-Strategie: Aufbau einer eigenen Vertriebsorganisation; Definition von Prozessen, Aufgaben und Rollen; fachliche und psychologische Schulung der Mitarbeiter; Prozessoptimierung. Im Gegensatz zu anderen IT-Dienstleistern entschied sich der Softwarespezialist für eine Trennung von Vertrieb und Beratung. Dazu musste man die Aufgaben der 50 Vertriebsmitarbeiter und der 160 Consultants definieren und abstimmen. „Von Zusammenarbeit konnte man zuvor nicht reden“, erklärt Gebhard, „die Leute haben sich eher skeptisch beäugt.“

Teamarbeit ist deshalb ein zentraler Punkt im neuen Vertriebskonzept. Man ist auch dabei, eine eigene Sitzungskultur zu entwickeln. „Vertrieb und Consulting treffen sich regelmäßig und stimmen die Kundenaktivitäten ab“, berichtet Detego-Berater Wacha, der die Veränderung

sd&m-Chef Küpper verzichtet auf eine eigene Vertriebsmannschaft.

begleitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. "Der Vertrieb hat im Haus inzwischen ein positives Image. Dies war früher nicht so“, zieht Gebhard positive eine Zwischenbilanz. Berater übernehmen vertriebliche Aufgaben

Anders als Aareon verzichtet das Software- und Beratungshaus sd&m auf eine eigene Sales-Mannschaft. Den Grund nennt Vorstandschef Edmund Küpper: „Der Verkauf unserer Dienstleistungen ist nur mit hohem Verständnis für die Kunden und mit Beratungs- und Software-Know-how möglich.“ Es handele sich in erster Linie um eine „Vertrauenssache.“ Dennoch spielt bei dem auf maßgeschneiderte betriebliche und technische Anwendungen spezialisierten IT-Dienstleister mit Sitz in München das Thema Vertrieb eine zunehmend wichtige Rolle.

IT-Profis mussten Akquisemethoden lernen

Vor drei Jahren entschloss sich sd&m, die vertriebliche Orientierung auszubauen und strukturell als Geschäftsprozess zu verankern. „Wir haben die Vertriebsverantwortung auf 30 führende Mitarbeiter konzentriert und diese auch mit entsprechenden Vorgaben ausgestattet“, erläutert Küpper. Damit auch die Softwareingenieure in laufenden Projekten neue Geschäftsmöglichkeiten entwickeln und bei Kundenkontakt selbst aktiv werden können, haben die Münchner einen formalisierten, IT-gestützten Geschäftsprozess für die Vertriebsaktivitäten installiert. Und weil die Computerfachleute keine Vertriebsprofis sind, werden ihnen Akquisitionsmethoden und Verhaltensmuster im Umgang mit Kunden vermittelt. „Nicht alle haben das Coaching begrüßt. Manche haben es sogar abgelehnt“, berichtet sd&m-Chef Küpper, „die dachten, sie müssten ihre Seele verkaufen.“

Damit aus Ablehnung Engagement wurde, setzte sd&m zusammen mit dem Personalberater Toni Heimbring, Geschäftsführer von Skills Development in Baldham, ein Change-Management-Konzept um, das auch Rollenspiele beinhaltete. So hat der Münchner Softwaredienstleister mit der neuen vertriebsorientierten Strategie Kundenkontakte auch „ohne konkreten Anlass“ eingeführt. Solche Gesprächssituationen wurden in Schulungen geübt. Küpper: „Hier kommt es darauf an, einen Anknüpfungspunkt zu finden und ein Thema richtig zu adressieren. Dazu muss man gut vorbereitet sein und das Umfeld des Gesprächspartners genau kennen.“

Stärken und Schwächen der Kommunikation mit dem Kunden

Zum Coaching gehört auch Training-on-the-Job. Bei Kundenbesuchen werden sd&m-Berater in wenigen Einzelfällen dazu von einem Trainer begleitet. Nach dem Treffen wird das Kommunikationsverhalten auf Stärken und Schwächen analysiert In einem Punkt müssen technisch orientierte IT-Fachleute generell umlernen. „Die Zeiten sind vorbei, in denen fachkompetente Softwareentwicklung und gutes Projekt-Management ausreichen", betont Heimbring, „jeder, der heute im Kundenumfeld zu tun hat, muss das vertriebsorientierte Beziehungs-Management beherrschen.“

Besserwisserei ist der größte Fehler

Gröbste Fehler von IT-Spezialisten im Umgang mit Kunden sind nach seinen Beobachtungen im weiten Markt der IT-Dienstleistung informatiklastiges Denken und Besserwisserei. Heimbring: „Wenn ein Berater dem Kunden das Gefühl vermittelt, seine IT-Abteilung habe bislang nur Fehler gemacht, kann er einpacken.“ "Zuhören - verstehen - pragmatisch lösen", heißt für Heimbring die einfache For-mel, die bei sd&m bereits Wirkung zeigt. Vorstand Küpper berichtet von einer Übererfül-lung des Umsatzplans zur Jahresmitte um 15 Prozent „Allerdings hilft uns derzeit auch der Markt“, relativiert der sd&m-Chef.