Cloud Computing

Jeder muss die Risikoabwägung machen

13.10.2010 von Oliver Häußler
Ist Cloud Computing das AUS für die Informatik, wie wir sie kannten? Andreas Von Gunten, Cloud-Experte und Verwaltungsratspräsident des Cloud-Dienstleisters PARX, prophezeit Schwund in IT-Abteilungen und neue Aufgabenbereiche für Administratoren.

Herr Von Gunten, Sie prophezeiten in Ihrem Vortrag auf der SaaSKon2009 das Ende der Informatik, wie wir sie kannten. Wie sieht die künftige Unternehmens-IT ihrer Meinung nach aus?

Cloud-Experte Andreas Von Gunten zur Kontrolle des Cloud Providers: "Sie können in der Regel auch nicht bei Ihrer Versicherung vorbeigehen und sich zeigen lassen, wie deren Berechnungsmodelle entstehen und ob diese sicher mit Ihren Daten umgehen."

Andreas Von Gunten: Nun, ich gehe davon aus, dass die meisten Unternehmen fast keine eigene Server-Infrastruktur für den Betrieb der verschiedenen Unternehmensanwendungen mehr vorhalten beziehungsweise selber betreiben werden. Dafür werden viel mehr Endgeräte mit dem Internet, der Cloud eben, verbunden sein. Daten und Anwendungen liegen in der Cloud.

Wird es künftig noch einen IT-Administrator im heutigen Sinne geben? Wenn ja, welche Aufgaben hat er?

Von Gunten: Den IT-Administrator, der da und dort Patches einspielt, Upgrades durchführt und Backups organisiert, wird es mittelfristig bei den Unternehmen selbst nicht mehr geben. Diese Leute werden in viel geringerer Zahl in Zukunft von den Cloud-Anbietern beschäftigt werden. Unternehmensintern werden die IT-Leute in Zukunft eher auf Prozessebene als auf technischer Ebene tätig sein. Es werden vor allem IT-Mitarbeiter gebraucht, die dafür sorgen, dass die kurzen Innovationszyklen der Cloud-Anbieter ebenso schnell in realen Nutzen bei den Anwendern und den Unternehmen übersetzt werden können.

Cloud-Provider auf dem Prüfstand
Cloud-Anbieter auf dem Prüfstand
Die Experton Group hat sich die relevanten und in Deutschland aktiven Anbieter genauer angesehen. Hier finden Sie die Ergebnisse im Schnelldurchlauf. <br /><br /> <a href=" http://www.experton-group.de/research/studien/cloud-vendor-benchmark-2010/ueberblick.html" target="_blank">Weitere Informationen zur Studie finden Sie auf der Web-Site der Experton Group</a>
Amazon
<b>Amazon </b>hat die Palette seiner Cloud-Dienste seit 2002 unter dem Namen Amazon Web Services (AWS) stark ausgeweitet. So kamen zum ursprünglichen Kernangebot (Vermietung von Rechenleistung "EC2", Storage "S3" und Datenbankkapazität "SimpleDB") unter anderem noch relationale Datenbanken, Content Delivery, Messaging und Monitoring, Virtual Private Clouds sowie weitere Add-ons (etwa in Zahlungen und Rechnungen) hinzu. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Google
Die "Google Apps" von <b>Google</b> sind für Anwender vorgesehen, die einfache, standardisierte Collaboration-Lösungen (SaaS) wollen. Die Infrastructure-as-a-Service-und Platform-as-a-Service-Angebote unter dem Namen "Google AppEngine" sind auf Entwickler und Start-ups ausgerichtet. Sie stehen ohne Zugangsbeschränkung in der Public Cloud zur Verfügung, es gibt sie allerdings nicht in Deutsch. Rechenleistung lässt sich neuerdings über die so genannten "free quotas" zu festen Konditionen per Kreditkarte beziehen. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Microsoft
<b>Microsoft</b> bietet mittlerweile nahezu alle Produkte und Technologien auch aus der Cloud an. Damit zählt der Konzern zu den wenigen Anbietern mit komplettem Cloud-Stack, der sowohl IaaS, PaaS und SaaS als auch Private-, Public- und Hybrid-Cloud-Services abdeckt. Das zentrale Element des Portfolios bildet die Plattform "Windows Azure". Auch das kommende Office-Release 2010 soll in die Wolke passen, lässt aber auch eine lokale Installation zu. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Salesforce
<b>Salesforce</b> hat sich vom reinen Anbieter von SaaS-Lösungen für das Customer-Relationship-Management (CRM) zu einem Plattformanbieter weiterentwickelt. Neben der etablierten SaaS-Lösung für das Kunden-Managment und die Vertriebs- und Marketing-Automatisierung bietet Salesforce mit Force.com eine Betriebs- und Entwicklungsumgebung im Public-Cloud-Modus an. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Deutsche Telekom
Die breite SaaS-Palette des <b>Geschäftskundenbereichs der Deutschen Telekom</b> umfasst unter anderem Lösungen für E-Mail, Collaboration, Conferencing, CRM und ERP. Zudem beinhaltet sie integrierte IT- und TK-Services (etwa das "Deutschland LAN"). Erwähnenswert sind die von T-Systems entwickelten "Dynamic Services", die etwa betriebswirtschaftliche Applikationen bedarfsgerecht bereitstellen und abrechnen. Hinzu kommen nun auch erste IaaS-Angebote (Infrastructure as a Service) für größere Mittelständler. Diese Offerten bieten eine flexible Buchung von Server-Instanzen, sind hinsichtlich ihrer Skalierbarkeit und nutzungsabhängigen Bezahlung aber noch ausbaufähig. <br/><br/>Quelle: Experton Group
IBM
Als technologischer Innovator verfügt <b>IBM</b> über ein breites, aber teilweise nur schwer überschaubares Angebot an Cloud- Services (IaaS, PaaS, SaaS) und Produkten. Neben den eigenen SaaS-Lösungen (zum Beispiel Lotus) stehen IBM-Kunden eine Vielzahl an Partnerlösungen auf der IBM-Plattform zur Verfügung. Für Softwaretests und -entwicklung, ein wichtiges Cloud-Anwendungsfeld, bietet IBM Unternehmen eine ausgereifte Plattform. <br/><br/>Quelle: Experton Group
HP
<b>Hewlett-Packard (HP)</b> vertreibt Hard- und Software für den Aufbau von Private-Cloud-Infrastrukturen. Zudem können Großkunden Rechenleistung und Storage-Kapazitäten in einem IaaS-Modell nutzen. Allerdings sind Zugang, Skalierbarkeit und Self-Service beschränkt. Dagegen sind die Utility-Services, die Enterprise-Applikationen etwa von SAP auf einer virtualisierten Plattform flexibel bereitstellen und abrechnen, weit entwickelt und voll ausgereift. Sie sind das Kernstück des derzeitigen Cloud-Angebots. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Fujitsu Technology Solutions
<b>Fujitsu Technology Solutions (FTS)</b> bietet unter dem Namen "Infrastructure-as-a-Service for Servers" zurzeit lediglich flexibel buchbare Server-Kapazitäten in einem "Private-Cloud-Modell" an. Die Abrechnung mit den Kunden erfolgt allerdings nach gebuchten und nicht nach wirklich verbrauchten IT-Ressourcen. Leider hat Fujitu hier den Cloud-Ansatz noch nicht hundertprozentig umgesetzt. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Pironet NDH
<b>Pironet NDH</b> fokussiert sich mit seinem Cloud-Angebot eindeutig auf den Mittelstand und positioniert sich dort als "Trusted Partner". Das Portfolio umfasst neben Infrastruktur-Services (etwa Storage on Demand) zahlreiche SaaS-Lösungen von Partnern. Dazu kommen verschiedene Managed-Services auf der Netzebene. <br/><br/>Quelle: Experton Group
T-Systems
Neben zahreichen, auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Managed-Services bilden die "Dynamic Services" den Kern des Cloud-Angebots von <b>T-Systems</b>. Anwendern stellt die Telekom-Tochter Enterprise-Applikationen (etwa ERP und CRM) zur Verfügung, die auf skalierbaren und standardisierten Hardware-Infrastrukturen laufen. Die Abrechnung der genutzten SAP- oder Microsoft-Systeme erfolgt nutzungsabhängig. <br/><br/>Quelle: Experton Group
Nionex
Als einer der wenigen IT-Service-Provider in Deutschland bietet <b>Nionex</b> seit 2009 ein klar strukturiertes Public-Cloud-Angebot an. So werden mit den IaaS-Offerten mittelständische Unternehmen angesprochen, die Teile ihrer Infrastruktur flexibilisieren und erste Anwendungen in der Cloud betreiben wollen. Nionex stellt neben Rechnerleistung auch Storage und weitere Services bereit. <br/><br/>Quelle: Experton Group

Sie zitieren Phil Wainwright von ZDNet mit seiner Aussage: "A cloud is not a cloud when it's not in the cloud". Wo ordnen Sie Hybridmodelle und Private-Cloud-Computing ein?

Von Gunten: Der Begriff "Cloud Computing" bezeichnet für mich ein Modell für die Nutzung von IT-Infrastruktur über das Internet. Dabei werden entweder virtuelle Server, Speicherplatz, Applikationsplattformen oder Anwendungen als Service bereitgestellt. Investitionskosten in Hardware und Softwarelizenzen entfallen. Das ist bei Private oder Hybrid Clouds nicht oder nur teilweise der Fall, darum finde ich diese Bezeichnungen eigentlich auch irreführend. Ein großer Teil der Vorteile des Cloud-Computing-Gedankens kann durch diese Ideen nicht realisiert werden.

Ein "neues Evangelium"

Halten Sie das Modell der Private Cloud für zukunftsfähig?

Von Gunten: Nein, das ist eine Übergangserscheinung. Ich kann verstehen, dass für einige Unternehmen diese Varianten im Moment noch als attraktiv erscheinen, denke aber, dass es in vielen Fällen nicht wirklich Sinn macht, die Investitionen in eine eigene virtualisierte Infrastruktur noch zu tätigen. Da ist das Model der Virtual Private Cloud, wie es zum Beispiel Amazon bietet, schon einiges vielversprechender.

Sind die Standards für Public Clouds im Hinblick auf Sicherheit und Recht denn heute schon ausreichend definiert?

Von Gunten: Zertifizierungen wie SAS70 oder ISO27001 sind bereits weit verbreitet. Allerdings ist die Cloud-Computing-, ja die Internet-Ära überhaupt, noch jung. Gerade dem globalen Aspekt dieses Paradigmas hinken die nationalen Rechtssysteme weitgehend hinterher, darum muss immer im Einzelfall geklärt werden, ob der rechtliche Rahmen einen sinnvollen Einsatz von Cloud Computing erlaubt. In den meisten Fällen ist das so, aber nicht in allen.

Anbieter geben ihrem Cloud-Provider einen gewissen Vertrauensvorschuss im Umgang mit ihren Daten. Welche Kontrollmöglichkeiten hat der Kunde gegenüber dem Provider?

Von Gunten: Er muss sich da weitgehend auf den Markt, auf die Zertifizierungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen verlassen. Das ist ähnlich wie bei den meisten anderen Dienstleistungen. Sie können meistens nicht wirklich unter die Haube schauen. So können Sie in der Regel nicht bei Ihrer Versicherung vorbeigehen und sich zeigen lassen, wie deren Berechnungsmodelle entstehen und ob diese sicher mit Ihren Daten umgehen. Im Wesentlichen geht es hier um Vertrauen, und dieses Vertrauen wird sich die Cloud-Computing-Branche Schritt für Schritt aufbauen. Jeder muss immer wieder selber für sich die Risikoabwägung gegenüber den Geschäftspotenzialen machen, wenn er mit jemandem in eine geschäftliche Beziehung treten will.

Sie bezeichnen sich als Cloud-Computing-Evangelist, also als Verkünder dieser Technologie. Was haben Sie sich zum Ziel gesetzt?

Von Gunten: Ich bin der Meinung, dass Cloud Computing ein fantastisches Model ist. Es ermöglicht sehr kleinen Gruppen, mit wenigen finanziellen Mitteln viel zu bewirken. Die Menschen und die Unternehmen können sich auf Innovationen durch Technologie konzentrieren und müssen sich nicht mit der Infrastruktur herumschlagen. Gerade für unsere Softwareindustrie birgt das Modell großartige Chancen. Ich finde es wichtig, dass wir diese nutzen. Je mehr Unternehmen auf dieses Modell setzen, desto bessere Produkte werden wir bekommen.