Employer Branding

Jetzt Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ergreifen

17.04.2020 von Sebastian von Rabenau  IDG ExpertenNetzwerk
In Zeiten der Corona-Kriese machen viele Unternehmen neue Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern. Jetzt ist eine gute Zeit, auch einmal Dinge auszuprobieren, die bisher nicht praktiziert wurden. Hier lesen Sie Beispiele.

Als Geschäftsführer, Personalleiter oder Führungskraft konnte man sich an einem "ganz normalen Morgen im Jahr 2020" in den letzten Wochen wie Captain Jean-Luc Picard beim morgendlichen "Damage Report" fühlen. Noch vor dem ersten Kaffee werden diverse Covid-19-Dashboards und Newsseiten geöffnet und die aktuellen Zahlen betrachtet. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sorgen sich gleichermaßen: Wie geht es jetzt weiter? Was werden die kurz- und langfristigen Folgen für mich und mein Geschäft oder meinen Job sein?

Home Office ist angesagt. Das gilt aktuell auch für die Mehrzahl von Bewerbern.
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Um genau zu sein, muss die Krise sogar als Chance verstanden werden, denn die Welt wird nach der Krise eine andere sein - und hierauf wollen Sie vorbereitet sein. Um besser auf "das Danach" vorbereitet zu sein, ist nach dem ersten Schock nun der Moment gekommen, die Auswirkungen der Krise für sich zu analysieren, die sich ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen und so schnell wie möglich umzusetzen.

Am einfachsten zeigt sich das an der aktuell stattfindenden Verlagerung vieler Arbeitsplätze vom Büro in das Home Office. Plötzlich zeigt sich, welche Infrastruktur benötigt wird, dass auch hierfür Trainings sein können und wie wenig intuitiv die digitale Kommunikation derzeit für Viele noch ist. Jetzt ist genau das eine Notwendigkeit, was in vielen Berufen und Branchen früher noch ausgeschlossen schien. Vorstände treffen sich in Videokonferenzen, Berater beraten ihre Kunden online, Pressekonferenzen werden zum Webcast.

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Per Video Chat neue Mitarbeiter einstellen

Und natürlich finden auch Bewerbungsgespräche nun vermehrt online statt. Einige Unternehmen, für die dies vorher noch undenkbar gewesen wäre, haben mittlerweile sogar schon Bewerber eingestellt, die sie nun bisher noch gar nicht persönlich kennengelernt haben.

Was zunächst nach einer Horrorvorstellung für Recruiter klingt, ist in Wirklichkeit die große Chance, althergebrachte Prozesse zu hinterfragen und frei von Dogmen neue Employer-Branding-Maßnahmen auszuprobieren. Und dabei sind überwiegend online stattfindende Bewerbungsverfahren nicht einfach nur schneller und, gerade bei internationalen Positionen auch mit deutlich geringeren Kosten verbunden, sondern sie bringen noch eine Reihe weiterer positiver Effekte mit sich.

So treffen sich die Parteien in diesem Setup "auf neutralem Boden" , Bewerber und Interviewer lernen sich unmittelbar in ihrem persönlichen Umfeld kennen. Wenn der Interviewer das beachtet und behutsam mit diesen Faktoren umgeht, erlaubt Ihnen das eine viel direktere und persönlichere Verbindung zum Bewerber, als das im sterilen und eben nicht neutralen Umfeld Ihrer Büroräume möglich ist.

Video-Recruiting: Tipps fürs Vorstellungsgespräch per Skype & Co.
Der Fauch-Pas
Ein Bewerber nutzte sein Video-Job-Interview dazu, seinem potentiellen neuen Arbeitgeber die Familienkatze vorzustellen. Bei einem anderen trottete der vierbeinige Hausfreund seelenruhig während des Bewerbungsgesprächs durch das Bild. John Reed findet hierzu klare Worte: "Das ist keine Zeit, um sein Privatleben auszubreiten. Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie sich in einem Raum befinden, zu dem Haustiere keinen Zugang haben."
Der verkannte Gourmet
Einige IT-Entscheider bekamen zum Bewerbungsgespräch per Video nicht nur den Kandidaten, sondern auch seine Leibspeise zu sehen. In einem Fall konnte ein Bewerber einfach nicht ohne die wichtigste Mahlzeit des Tages und verspeiste sein Frühstück gänzlich während des Job-Interviews. "Tun sie das einfach nicht", empfiehlt Reed. "Essen sie stattdessen vor oder nach dem Vorstellungsgespräch. Akzeptabel ist höchstens ein Glas Wasser, von dem sie aber höchstens ab und an nippen."
"Es passt gerade nicht so gut, Schatz"
Sie führen gerade ein Vorstellungsgespräch per Skype, als plötzlich Ihr Smartphone klingelt. Was tun Sie? Für einen Bewerber war der Fall klar: Rangehen und erst einmal während des Interviews mit der Freundin telefonieren. In einem anderen Fall bekam der Arbeitgeber die Ehefrau eines potentiellen Kandidaten zu sehen - im freizügigen Dusch-Outfit. Analyst John Reed gibt dazu folgenden Tipp: "Stellen Sie sicher, dass sie entweder alleine sind und Ihr Bewerbungsgespräch ungestört führen können, oder sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitbewohner, Familie oder Freunde wissen, dass Sie nicht gestört werden dürfen."
Die süßen Kleinen
"Mami, was machst du da?" - fragte das Kind einer Job-Kandidatin während des Vorstellungsgesprächs ganz unverblümt ins Kameraobjektiv. Das war bestimmt ganz süß - aber trotzdem mehr als unpassend. Auch hier empfiehlt Reed, potentielle "Störquellen" bereits im Vorfeld zu eliminieren.
Das Dezibel-Desaster
Ein anderer Job-Kandidat führte sein Video-Interview, während im Hintergrund die Grundsanierung seiner Wohnung abgeschlossen wurde. Was für einen Eindruck das hinterlassen haben muss, kann man sich lebhaft ausmalen. "Finden Sie unbedingt einen ruhigen, abgeschlossenen Raum, wo Sie Ihr Job-Interview ungestört absolvieren können. Wenn das nicht möglich ist, sollten Sie Ihrem potentiellen Arbeitgeber die Situation erklären und das Interview wenn möglich verschieben", empfiehlt Reed.
Wenn der Postmann ...
... mitten im Bewerbungsgespräch klingelt es an der Tür, der Kandidat springt auf und nimmt eine Paketsendung entgegen. "Das ist genauso geschehen - und zwar mir persönlich", erzählt John Reed. "Ich führte das Interview, als der Kandidat plötzlich sagte: 'Entschuldigen Sie mich einen Moment'. Er ging zur Tür und wir konnten hören, wie er die Sendung quittierte. Ein schwerwiegendes No-Go."
Kleider machen Leute
Auch dieser Punkt scheint für einige Bewerber im vermeintlich sicheren "Cyberspace" nicht zur Selbstverständlichkeit gehören. Die von Robert Half Technology befragten IT-Entscheider berichten von Bewerbern in Flip-Flops und Tanktop und Kandidaten, die sich erst während des Gesprächs ankleiden. Auch hier hat Experte Reed einen Tipp: "Behandeln Sie ein Job-Interview per Video wie ein echtes Bewerbungsgespräch. Heutzutage ist die allgemeine Unternehmenskultur zwar deutlich lockerer und offener - dennoch sollten Sie sicherstellen, dass Sie bei einem Vorstellungsgespräch angemessen gekleidet sind. Schließlich drückt ein seriöses Äußeres auch aus, dass Sie Ihre Bewerbung ernst nehmen."

Natürlich sind Video-Interviews auch ökologischer als das Bewerbungsgespräch vor Ort. Diesen Fakt können sie als Werbung für sich nutzen. Werbung in eigener Sache ist auch, dass Sie digitale Lösungen in der Personalbeschaffung einsetzen. Solange Sie dennoch den persönlichen (meint: personalisierten) Kontakt mit Ihren Bewerbern haben, erkennen Kandidaten in solchen Unternehmen die höhere Digitalkompetenz, weswegen sie als moderner und attraktiver wahrgenommen werden.

Haben Sie die Digitalisierung des Recruitings bisher nicht nur als reine Rationalisierungsmaßnahme verstanden, sondern die Chancen des Zeitgewinns für Ihre Recruiter be- und ergriffen, haben Sie die richtigen Weichen gestellt.

Sollten Sie bereits auf Active Sourcing als Werkzeug Ihres Recruitings setzen, dann profitieren Sie aktuell übrigens von einer stark erhöhten Erreichbarkeit von Kandidaten. Da nicht nur Sie, sondern vermutlich auch Ihre Zielgruppe aus dem Home Office arbeitet, entfällt jeder soziale Druck durch Kollegen und Vorgesetzte, der Ihre Kandidaten aus dem Active Sourcing zuletzt regelmäßig davon abgehalten hat, Ihre Anfrage (zeitnah) zu beantworten.

Wann Bewerber lügen dürfen
Unzulässige Fragen im Bewerbungsgespräch ...
... muss man nicht wahrheitsgemäß beantworten.
Frage nach Vorstrafen
Die Frage ist unzulässig, außer die Vorstrafe ist von direkter Bedeutung für die Tätigkeit.
Frage nach dem Glauben
Auch hier darf man lügen. Ausnahme: Man bewirbt sich bei einem kirchlichen Arbeitgeber.
Frage nach Aids-Erkrankung
Fragen nach einer Aids-Infektion müssen dann beantwortet werden, wenn die Tätigkeit andere Menschen gefährden kann. Die Frage nach einer Aids-Erkrankung muss wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Frage nach Parteizugehörigkeit
Auch hier muss nur geantwortet werden, wenn der Arbeitgeber ein Tendenzbetrieb ist, etwa eine Partei.
Frage nach Familienplanung
Auch die Frage nach der persönlichen Familienplanung ist unzulässig.
Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit
Hier gilt das gleiche wie bei der Konfession und der Parteizugehörigkeit. Wer sich nicht bei einem Tendenzbetrieb bewirbt, darf lügen.
Frage nach Lohnpfändungen und Vermögensverhältnissen
Diese Fragen sind unzulässig. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Bewerber sich auf eine Position mit umfangreichem Geldverkehr bewirbt.
Souverän antworten
Auf unzulässige Fragen lieber nicht "Das dürfen Sie nicht!" sagen. Besser gelassen und souverän reagieren, bei der Wahrheit muss man nicht bleiben.
Frage nach Schwangerschaft
So ist zum Beispiel die Frage nach einer Schwangerschaft unzulässig. Eine Ausnahme wäre es nur dann, wenn die Tätigkeit das Ungeborene schädigen könnte.

Digitale Tools - probieren macht schlau

Falls für Ihr Unternehmen auch weitere onlinegestützte Verfahren wie Online-Assessments, Sprachanalyse oder Tools zur automatisierten Verifizierung von Kandidatenangaben, sinnvoll, jedoch noch nicht im Einsatz sind, ist jetzt eine gute Zeit, diese im Live-Betrieb einzusetzen und zu testen. Aufgrund der vorherrschenden Verunsicherung sind Kandidaten derzeit eher bereit, Ihnen Ungenauigkeiten und Fehlentscheidungen nachzusehen. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Bewerber, sondern auch für Ihre bestehende Belegschaft.

Praktiziert Ihr Unternehmen noch kein E-Learning für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter, dann ist es jetzt höchste Eisenbahn, diesen Schritt umzusetzen. Abgesehen davon, dass sich hieraus extreme Einsparpotenziale ergeben, ist es derzeit fast Ihre einzige Chance, neue Mitarbeiter sinnvoll in das Unternehmen und den Arbeitsalltag zu integrieren.

Loyalität der Mitarbeiter stärken

Möglicherweise lässt sich die Krise für Sie auch für eine erhöhte Kandidaten- und Mitarbeiterbindung nutzen. Frei nach dem Motto "wenn wir schon damals eine so gravierende Krise miteinander überstanden und gestaltet haben, was soll uns noch gefährlich werden?" Diesen Effekt sollten Sie in Ihrer aktuellen Kommunikation mit Mitarbeitern bedenken. Dann gewinnen Sie für sich ein weites und loyales Netzwerk an Fürsprechern, die Ihnen bei der "Dauerkrise" des Fachkräftemangels auch in der Zukunft behilflich zur Seite stehen werden.

Tipps für die Mitarbeitermotivation
Zwischendurch Luft schnappen
Da kann es schon für mehr Energie sorgen, zwischendurch kurz an die frische Luft zu gehen. Vielleicht lässt sich ein Meeting nach draußen verlegen.
Ein Kaffee zwischendurch
Wer keinen Kicker oder Sportangebote im Büro vorfindet, dem hilft vielleicht eine kurze Kaffeepause mit Kollegen, um anschließend motiviert und mit neuen Ideen an die Arbeit zu gehen.
Verabredungen am Feierabend
Wer tagsüber im Büro vom Biergartenbesuch träumt, sollte ihn für abends fest einplanen und sich mit Kollegen oder im Freundeskreis verabreden. Die Aussicht auf eine schöne Verabredung motiviert für den Tag.
Ablenkung mit Kollegen
Wer sich kurz mit Kollegen ablenkt - zum Beispiel am Tischkicker - ist danach oft motivierter.
Weg vom Schreibtisch
Besonders bei größeren Arbeitgebern gehören Sport- und Entspannugsangebote genauso dazu wie die Kantine. Sie helfen, danach ausgeglichener und motivierter an den Schreibtisch zurückzukehren.
Entspannung am Schreibtisch
Manchmal muss man für mehr Entspannung den Schreibtisch auch gar nicht verlassen: zum Beispiel für eine kurze Meditation oder wenn der Arbeitgeber einen Massagedienst anbietet.
Entspannung im Sitzen
Mancher entspannt auch lieber allein für einige Minuten und findet in einer Sitzsack- oder Sofaecke Erholung und Motivation für neue Aufgaben.
Eiskalte Motivation
Auch die Aussicht auf ein Eis in der Mittagspause oder nach Feierabend kann die Motivation steigern.
Motivation am Nullpunkt
Gerade wenn es draußen wärmer wird, leidet häufig die Motivation der Mitarbeiter, die gedanklich schon die Füße im Badesee baumeln lassen.

Welche Maßnahmen auch immer für Sie den höchsten Nutzen bringen, wichtig ist jetzt, dass Sie die aktuellen Umstellungen aus der Phase der durch die Krise ausgelösten, kreativen Spontanität heraus strukturieren und professionalisieren. Die Notwendigkeit hierfür entsteht aus der sich ändernden Erwartungshaltung künftiger Mitarbeiter und liegt in Ihrem Interesse an effektiven Verfahren und effizienten Prozessen. Oder um mit dem Schriftsteller Max Frisch zu sagen: "Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen."

[Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel ausschließlich die männliche Begriffsform genutzt. Selbstverständlich gilt der gesamte Inhalt für Personen jeden Geschlechts.] (bw)