Jürgen Richter, Siebel: "Partner sind der Schlüssel zum Mittelstand"

28.02.2005
Jürgen Richter, Deutschlands neuer Siebel-Chef, muss das Mittelstandsgeschäft des CRM-Herstellers ankurbeln. Wie dies geschehen soll, erläuterte er im Gespräch mit CW-Redakteur Sascha Alexander .

CW: Letztes Jahr kündigte Siebel eine Mittelstandsoffensive an und stellte im Dezember neben neuer Software auch ein Partnerprogramm vor. Was hat sich bisher getan?

Jürgen Richter, Geschäftsführer von Siebel Systems Deutschland: " Wir müssen Firmen die Angst vor der Komplexität einer Siebel-Mittelstandslösung nehmen." (Fotos: Joachim Wendler)

RICHTER: Es ist immer noch ein junges Geschäft für uns und erfordert weitere Investitionen. In Deutschland sind wir erst seit November 2004 ernsthaft im Vertrieb aktiv. Bisher betreuen wir vor allem Bestandskunden. Wir hoffen aber jetzt auf gute Neuabschlüsse. Zudem erweitern wir die Zielgruppe in Richtung gehobener Mittelstand. Zählten bisher Unternehmen mit einem Jahresumsatz von nicht mehr als 500 Millionen Dollar für uns zum Mittelstand, so steigt ab März in Deutschland die Obergrenze auf eine Milliarde Dollar. Zudem wollen wir mehr Personal einstellen und suchen weiter nach Partnern.

CW: Ist ihr Angebot demnach doch eher etwas für den gehobenen Mittelstand?

RICHTER: Unsere Mietsoftware "Siebel CRM On-Demand" richtet sich vor allem an kleinere mittelständische Firmen und Konzernbereiche. Die neue "Siebel CRM, Professional Edition" zielt hingegen auf den klassischen und den gehobenen Mittelstand. Letztere Gruppe ist aber auch schon wieder für unsere "Enterprise Edition" interessant.

CW: Bisher hatte Siebel wenig Erfolg im Mittelstand, da die Produkte als teuer und aufwändig gelten.

RICHTER: Wir müssen Firmen die Angst vor der Komplexität einer Siebel-Mittelstandslösung nehmen. Unsere Argumente sind die Investitionssicherheit der On-Demand-Software (70 Euro pro User pro Monat) und dass die Professional Edition auf diese Klientel zugeschnitten ist. Zum anderen brauchen wir die Hilfe ausgewiesener Mittelstandspartner. Ich kann nicht mit meinem Direktvertrieb in den Mittelstand gehen.

CW: Was Siebel früher aber versucht hat...

RICHTER: Ja, aber schauen wir nicht mehr zurück. Der Schlüssel zum Mittelstand sind künftig Partner.

Jürgen Richter im Gespräch mit CW-Redakteur Sascha Alexander.

CW: Wie weit sind Sie beim Aufbau des indirekten Vertriebs?

RICHTER: Wir haben in Deutschland bisher drei Mittelstandspartner. Zudem verhandeln wir mit weiteren Anbietern, die landesweit vertreten sind, eine starke Vertriebsmannschaft unterhalten und in der CRM-Branche einen guten Ruf haben. Im zweiten Quartal 2005 wollen wir mindestens einen oder zwei solcher großen Partner haben. Bis Jahresende könnten es zehn Partner in Deutschland sein.

CW: Ihre Partner verdienen an den Margen beim Lizenzverkauf der Professional Edition. Die Mietsoftware wird hingegen von IBM und T-Systems gehostet. Schaden Sie sich nicht, wenn ihre Partner dem Kunden konkurrierende Angebote machen?

RICHTER: Das müssen wir mit aller Macht verhindern. Reseller können auch die On-Demand-Lösung verkaufen. Dabei erhalten sie entweder eine Vermittlerprovision, wenn der Kunde direkt mit dem Hoster verhandeln will, oder sie schließen einen "Path-Through"-Vertrag mit dem Hoster ab und wickeln das Geschäft dann selber ab.

CW: Wollen Dienstleister überhaupt als verlängerter Vertriebsarm für Siebel arbeiten?

RICHTER: Das sollen sie gar nicht. Wir wollen, dass sie völlig eigenständig bleiben. Momentan gibt es keine vertraglich festgelegten Vertriebsregionen, da sich die drei Partner die Arbeit noch gut teilen können. Mit der Zeit werden wir aber ein sauberes Channel-Management aufbauen müssen.

CW: Bisher besteht ihr Mittelstandsangebot aus zwei, wenn auch funktional ähnlichen Produkten (On Demand/ Professional Edition). Sind letztlich Lizenzkosten das eigentliche Auswahlkriterium?

RICHTER: Erklärtes Ziel ist es, beide Produkte funktional immer mehr zusammenwachsen zu lassen und so auch Migrationen zu ermöglichen. Kunden müssen entscheiden, ob sie CRM via On Demand beziehen wollen oder nicht und bis zu welcher Benutzerzahl beispielsweise sich die jeweilige Lösung rechnet.

"Kleine Mittelständler werden sicher beim On-Demand-Angebot bleiben."

CW: Hoffen Sie, dass Firman auch auf Siebels mächtige "Enterprise Edition" umsatteln?

RICHTER: Ja, es gibt Kunden, die zunächst mit der Professional Edition starten, aber irgendwann auf die Enterprise Edition wechseln wollen.

CW: Konkurrenten wie die SAP bezweifeln, dass Anwender tatsächlich von einem CRM-System zum anderen wechseln werden, wenn es erst einmal läuft.

RICHTER: Kleine Mittelständler werden sicher beim On-Demand-Angebot bleiben, weil der Wechsel sich für sie nicht rechnet. Unter den Großkunden gibt es welche, die kleinere Landesgesellschaften im ersten Schritt mit der Mietsoftware für 20 bis 100 User ausstatten und wenn diese wachsen auch dort interne Lösungen aufbauen wollen.

CW: Wie viele gehostete Kunden haben Sie denn in Deutschland?

RICHTER: Derzeit 20 bei IBM. T-Systems startet erst zum März.

CW: Auch andere Anbieter werben mit Hosting- und Mietmodellen für CRM. Wie hebt Siebel sich von ihnen ab?

RICHTER: Viele Lizenzmodelle sind heute möglich. Das traditionelle Hosting von Unternehmenssoftware ist aber nicht mit Mietsoftware identisch, wie wir sie bieten. Das On-Demand-Geschäft erfordert eine speziell hierfür entwickelte Softwarelösung, die fast kein Konkurrent derzeit vorzeigen kann.

CW: Warum hält denn die SAP offenbar nichts von On Demand?

RICHTER: Der Markt für On Demand existiert! Die SAP ist aber technisch gar nicht in der Lage, dies anzubieten.

"Wir fangen klein an, müssen die Pipeline aufbauen, und dann können wir auch mehr Personal einstellen."

CW: Wo sieht Siebel in der nächsten Zeit die größten Umsatzchancen?

RICHTER: Unternehmen können jetzt zwischen On Demand, On Premise oder Eigenentwicklung sowie zwischen vielen CRM-Funktionen und Branchen-Features von Siebel wählen. In alle Strategiefelder wird investiert. Es gibt keine Bevorzugung.

CW: Haben Sie hierzulande überhaupt genügend Ressourcen für die vielen Aufgaben und Modelle?

RICHTER: Wir fangen klein an, müssen die Pipeline aufbauen, und dann können wir auch mehr Personal einstellen. Siebel ist ein attraktiver Arbeitgeber.

CW: Vor allem der Vertrieb von Siebel wurde früher immer wieder als arrogant bezeichnet. Was wollen Sie ändern?

RICHTER: In der Vergangenheit legte Siebel am Markt und gegenüber Kunden eine gewisse Arroganz an den Tag. Dies ist heute definitiv nicht mehr der Fall. Die Kritik ist bei Siebel schon vor einiger Zeit angekommen und hat unter anderem auch Wechsel im Management verursacht. Wir haben unsere Unternehmenskultur komplett verändert.

CW: Chief Executive Officer Mike Lawrie hat vor kurzem gesagt, dass Siebel künftig stärker auf Zukäufe statt auf Eigenentwicklung setzen will. Die kürzliche erfolgte Übernahme der auf Billing-Software spezialisierten Firma Edocs fällt offenbar in diese Strategie. Sind weitere Zukäufe geplant?

RICHTER: Das kann ihnen nur Mike Lawrie sagen. Grundsätzlich konzentrieren sich die Übernahmen aber auf das Front-Office. So können wir mit Edocs erstmal das Thema E-Billing abdecken. Wir haben dadurch interessante Kunden und Projekte auch in Deutschland hinzugewonnen und werden zunächst Banken und TK-Unternehmen mit der Software angehen.

CW: Wie entwickelt das traditionelle Geschäft mit der Enterprise Edition?

RICHTER: In Deutschland wird vorsichtig wieder investiert. Von einem deutlichen Trend kann man aber noch nicht reden. Seit 2001 wurden die Budgets fast nur für die Wartung bestehender Lösungen verwendet, jetzt kommen neue Projekte und Kunden hinzu. Anwender haben offenbar den Kunden wiederentdeckt und wollen ihre Frontend-Prozesse verbessern. Thematisch geht es vor allem um Lösungen zur Vertriebsunterstützung (Sales Force Automation), aber auch solche für das Marketing und den Außendienst werden mehr nachgefragt.

CW: Sie hatten im vierten Quartal im Neulizenzgeschäft sehr gut zugelegt. Woher kam die Nachfrage?

RICHTER: Es gab vor allem in England und Holland einige Großprojekte. Das Plus kam nicht so sehr aus Deutschland.

CW: Welche Rolle spielt der deutsche Markt für Siebel?

RICHTER: Wir müssten für Siebel nach England die Nummer zwei in Europa sein. Momentan sind wir aber auf Platz vier.