Bereits seit geraumer Zeit versuchen sich Tech-Gigant Apple und sein schärfster Kontrahent Samsung mittels Patentklagen in unterschiedlichen Ländern gegenseitig kaltzustellen. Als vorläufigen Höhepunkt erwirkte Apple beim Landgericht Düsseldorf dabei Mitte September mit einer einstweiligen Verfügung ein Verkaufsverbot des Samsung Galaxy Tab 10.1. im deutschen Markt. Der erste ernstzunehmende iPad-Rivale ist damit gestoppt, auch wenn die Hauptverhandlung erst im März 2012 ansteht. Denn Apple hat genügend Zeit, um sein iPad 3 auf dem Markt zu positionieren.
Doch auch Samsung ist nicht untätig und kündigt an, den bevorstehenden Verkauf des iPhone 4S in verschiedenen Märkten zu verhindern. Wiederum soll es eine einstweilige Verfügung sein, die den Gegner wirtschaftlich zu fallen bringen soll, denn laut Angaben von Samsung soll Apple bestehende Mobilfunkpatente verletzt haben.
Einstweilige Verfügung - das scharfe Schwert
Doch warum ist hier eine einstweilige Verfügung ein so mächtiges Instrument? Ein Rechtsanwalt und Branchenkenner, der selbst Patentklagen zwischen internationalen Größen im Smartphone-Markt führt, gibt Auskunft: "In aller Regel ist der Unterlassungsanspruch das 'schärfste Schwert' des Patentrechts, insbesondere wenn die Nutzung der patentierten Erfindung in der entsprechenden Branche faktisch unumgänglich ist und das fragliche Patent noch eine erhebliche Restlaufzeit hat." Im Einzelfall könnten auch die Schadensersatzansprüche einen Umfang annehmen, dass die Existenz des Unternehmens gefährdet ist, fügt er hinzu. "Das ist jedoch die Ausnahme." Er merkt zudem an, dass die Gerichte in Deutschland generell eher zurückhaltend sind, wenn es um die Vergabe einer einstweiligen Verfügung geht. Sie wüssten, was für das betroffene Unternehmen auf dem Spiel steht.
Mehr Schutzrechte für mehr Marktvorsprung
Und auf dem Spiel steht wirklich einiges. "Ich vermute, dass die Einreichung verschiedener Klagen in mehreren Ländern insbesondere aus strategischen Gründen erfolgte", so der Patentrechtsexperte weiter. Es dürfte in erster Linie um die Verteidigung von Marktanteilen gehen. Schutzrechte, selbstverständlich auch Rechte auf Design (Geschmacksmuster), seien hierbei grundsätzlich ein legitimes Instrument zur Vermeidung von Nachahmerprodukten.
Dass Patente insbesondere im Bereich der Smartphones, eine so große Rolle spielen, liegt seiner Ansicht nach daran, dass der Markt für Endgeräte sich sehr dynamisch entwickelt. Dies könne manan den wirtschaftlichen Aussichten für Marktführer für einfache Handys (z.B. Nokia) sowie die ersten Business-Smartphones (Blackberry) ablesen.
"Apple weiß nur zu gut, wie dicht ihnen die Koreaner auf den Fersen sind, welche Bedrohung das Galaxy Tab für das iPad bedeutet und dass sie alles daran setzen müssen, um ihre Vormachtstellung zu halten", erläutert der Patentexperte.
Über Geschmack lässt sich streiten
Dabei geht es zum einen um ein Patent auf das "Look & Feel", also ein sogenanntes Geschmacksmuster, zum anderen um ein Patent auf einen mobilen Übertragungsstandard. Das Geschmacksmuster sind ausschließlich gestalterische Elemente, von den Rundungen des iPad bis zu seiner Größe und das Design. In der Samsung-Klage geht es dagegen um ein Technologie-Patent, der 3G-Übetrtragung, die bereits als internationaler Standard gilt.
Die Geltendmachung sowohl des einen als auch anderen Patents kann verheerend für den jeweiligen Wettbewerber sein. "Patente auf Erfindungen im Bereich der Informationstechnologie einschließlich derjenigen Schutzrechte, die sich auf Hardware beziehen, können den Wettbewerb lähmen, wenn die Erfindung bei Nutzung eines technischen Standards verwendet werden muss, weil der Standard dies zwingend vorschreibt", erklärt der Patentexperte. Dann sei die Durchsetzung dieses Patents auch kartellrechtlich relevant.
Bei Geschmacksmustern besteht grundsätzlich diese Problematik nicht . Zum einen beträfen technische Standards nicht die Gestaltung von Produkten, zum anderen lasse sich in aller Regel das Design so abändern, dass das Produkt in technischer Hinsicht immer noch funktioniert und verkauft werden kann, so der Anwalt.
Wirtschaftliches Kalkül als Antrieb
Neben den Patentarten, muss man ebenfalls verstehen, welchen Industrien die Unternehmen selbst entstammen, um die Motivation der Klagen besser einordnen zu können. Im umkämpften Markt der Smartphones ist sowohl die Hardware- als auch die Softwarefront am Werk ist. Bei Apple steht im Patentpoker die Hardware im Vordergrund. Samsung oder auch Google pokern mit Software.
In Bezug auf die Patente im Endgeräte - Markt scheint es sich daher zunehmend um Mischungen aus Hard- und Softwarepatenten zu handeln. Das gegenseitige Aufrüsten durch Patente hat neben einer hohen Öffentlichkeitswirksamkeit sowie der Abschreckung des Gegners auch eine finanzielle Dimension. Denn wer das Patent des anderen für die Vermarktung seiner Produkte braucht, muss Lizenzgebühren an den Patentinhaber zahlen. Damit hat der Patentinhaber die Möglichkeit höhere Preise im Markt durchzusetzen.
Patente, die entscheidende "Währung" für den künftigen Markterfolg?
Der Patentexperte relativiert: "Nach meiner Einschätzung werden Patente beziehungsweise Verfahren um deren Verletzung nicht entscheidend sein für den Ausgang dieser Schlachten, um das beste Betriebssystem, den besten Chip und Ähnliches. Das Instrument des Patentrechts ist meiner Ansicht nach nur eines von mehreren Mitteln, das in der Gesamtauseinandersetzung eingesetzt wird." Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass sich nach einer gewissen Konsolidierung des Marktes, wenn sich feste Lager gebildet haben und die "Sieger" und "Verlierer" der Schlachten feststehen, Anzahl und Umfang der Patentverletzungsverfahren sinken, so der Patentexperte weiter.
Erfindungen made in USA/Deutschland
Nach Angaben des Rechtsberaters liegt das Patentwesen in Deutschland und den USA auf demselben Niveau. In beiden Ländern herrsche die Problematik der Trivialpatente, also Schutzrechte, die keine erfinderische Qualität aufweisen, aber irrtümlich erteilt wurden und daher im Streitfalle mühsam wieder gelöscht werden müssen. Allerdings haben die USA nicht diese Regelungen zur Ausnahme der Programme für Datenverarbeitungsanlagen vom Patentschutz (siehe Kasten), so dass dort auch Erfindungen im Bereich der Software angemeldet werden können.
Welche erfinderische Qualität im aktuellen Patentstreit zwischen Apple und Samsung die Gerichte überzeugt, wird sich in Kürze zeigen. Fest steht, der Gewinner wird mit einer Monopolstellung für technischen Fortschritt sowie mit Marktanteilen belohnt.
Die Paragrafen
Im Patentrecht könnte man von Software-Patenten sprechen, wenn sich bei einer Erfindung die Frage stellt, ob sie ggf. unter die Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Patentgesetzes (bzw. der nahezu gleichlautenden Vorschrift im Europäischen Patentübereinkommen) fällt, wonach "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" nicht als Erfindungen im Sinne des Gesetzes gelten. Hierzu hat die Rechtssprechung den Begriff der Technizität gebildet, wonach eine Erfindung immer einen Bezug zu technischen Sachverhalten aufweisen muss, was bei bloßem Programm-Code (der nicht immer mit dem technischen Begriff "Software" gleichgesetzt werden kann) in aller Regel nicht gegeben ist, so dass ein Patent auch nicht erteilt werden kann. (mb)