Auch Microsoft wird geprüft

Kartellamt stellt Apple unter Aufsicht

11.04.2023 von Martin Bayer
Das Bundeskartellamt zeigt seine Zähne. Apple wird unter Aufsicht gestellt, gleiches bei Microsoft geprüft. Dazu kommt, dass die Bundesregierung, die Kompetenzen der Kartellwächter erweitern will.
Apple muss sich auf ungemütlichere Zeiten einstellen. Die Kartellwächter schauen dem Konzern ganz genau auf die Finger.
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Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass Apple ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit unterliege der US-Konzern gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht nach Paragraf 19a GWB, hieß es. Die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz) ist im Januar 2021 in Kraft getreten.

Zentrale Änderung war der oben genannte Paragraf 19. Dieser erlaubt den Kartellwächtern ein frühzeitiges und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. In einem zweistufigen Vorgehen lassen sich Verfahren gegen Unternehmen in die Wege leiten, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, und in letzter Konsequenz auch wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Zu wenig Kontrolle: Apple nimmt Schlüsselpositionen ein

"Apple verfügt über eine marktübergreifende wirtschaftliche Machtposition, die dem Unternehmen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte Verhaltensspielräume eröffnet", konstatierte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Der Konzern sei - ausgehend von seinen mobilen Endgeräten wie dem iPhone - Betreiber eines umfassenden digitalen Ökosystems mit einer hohen Bedeutung für den Wettbewerb nicht nur in Deutschland, sondern auch europa- und weltweit. "Apple nimmt mit seinen proprietären Produkten iOS und dem App Store Schlüsselpositionen für den Wettbewerb und für den Zugang zum Ökosystem und den Apple-Kunden ein", sagte der oberste Kartellwächter Deutschlands und kündigte an: "Auf der Grundlage dieser Entscheidung können wir gezielt wettbewerbsgefährdende Praktiken aufgreifen und effektiv unterbinden."

Mit der Neueinordnung könne man gezielt wettbewerbsgefährdende Praktiken aufgreifen und unterbinden, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes.
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Die marktbeherrschende Stellung von Apple macht das Bundeskartellamt an folgenden Faktoren fest: Apple besetze "die gesamte Wertschöpfungskette rund um hochwertige mobile digitale Endgeräte, teilweise einschließlich der eigenen Entwicklung von zentralen Komponenten wie der Prozessoren", steht in einer Mitteilung der Behörde (B9-67/21). Auch die Software für diese Geräte - allen voran deren mobile Betriebssysteme wie iOS - entwickle Apple selbst. Gleiches gelte für die Plattform für den mobilen Softwarevertrieb auf den Geräten, den App Store.

Daraus resultiere eine marktbeherrschende, mindestens jedoch marktstarke Stellungen auf allen vertikal verbundenen Stufen ausgehend von Smartphones, Tablets und Smartwatches über die proprietären Betriebssysteme bis hin zum Apple App Store. Letzterer sei für App-Anbieter wie auch für Nutzerinnen und Nutzer die einzig verfügbare digitale Vertriebsplattform für Apps und andere Softwareprodukte auf Apple-Geräten.

Apples Ökosystem bindet Nutzerinnnen und Nutzer

Ausgehend von dieser engen, proprietären Verflechtung von Produkten und Diensten sowie einer aktiven Gerätebasis von weltweit derzeit mehr als zwei Milliarden Stück sei Apple so in der Lage, seine Nutzerinnen und Nutzer langfristig an sein komplexes Ökosystem zu binden, lautet das Fazit des Bundeskartellamts. Apple setzte auch die Regeln gegenüber Dritten, allen voran den App-Entwicklern, und kontrolliere den Zugang zu Apple-Kundinnen und -Kunden.

Außerdem stünden dem Konzern hohe Finanzmittel für den Ausbau seines Ökosystems zur Verfügung, um so seine Marktmacht weiter zu festigen. Dazu komme, dass Apple mit seinem abgeschirmten Ökosystem auch über einen privilegierten Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten verfügt. Das alles "verschafft dem Unternehmen damit im Ergebnis eine Machtposition, die ihnen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnet", so die Bilanz der Kartellbehörde.

Die Entscheidung, Apple unter Missbrauchsaufsicht zu stellen, ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet. Konkret geprüft wird bereits in einem weiteren Verfahren Apples Tracking-Regelungen sowie das App Tracking Transparency Framework. Die Kartellbehörde geht dabei insbesondere dem Anfangsverdacht nach, dass diese Regelungen Apples eigene Angebote bevorzugt behandeln und andere Unternehmen behindern könnten. Über die Einleitung weiterer Verfahren gegen Apple sei noch nicht entschieden worden, hieß es.

Gute Gründe auch Microsoft zu prüfen

Den Apple-Verantwortlichen passt die Entscheidung der deutschen Kartellwächter gar nicht. Wie Amazon hat auch Apple angekündigt, sich zu wehren und Widerspruch gegen die Einstufung als Unternehmen mit zu großer Marktmacht einzulegen. Der US-Konzern befindet sich zumindest in guter Gesellschaft. Das Bundeskartellamt hat eine überragende marktübergreifende Bedeutung bereits bei Alphabet/Google, Meta/Facebook und Amazon festgestellt. Ein weiteres Feststellungsverfahren wurde gerade erst Ende März gegen Microsoft eingeleitet.

Behörden nehmen Internet-Giganten ins Visier

"Microsoft hat mit Windows und den Office-Produkten traditionell eine sehr starke Stellung bei Betriebssystemen und Büro-Software", sagte Amtsleiter Mundt. Man beobachte eine stark gewachsene Bedeutung der Cloud-Dienste Azure und OneDrive, die vielfach mit anderen Microsoft-Anwendungen verbunden sind, sowie den durchschlagenden Erfolg von Teams. Darüber hinaus sei Microsoft in weiteren Bereichen wie dem Gaming durch die Xbox, Karrierenetzwerken mit dem Dienst LinkedIn oder der Internet-Suche mit der Suchmaschine Bing tätig und habe zuletzt mit der Integration von KI-Anwendungen auf sich aufmerksam gemacht. "Angesichts dessen gibt es gute Gründe zu prüfen, ob Microsoft eine überragende marktübergreifende Bedeutung zukommt", stellte Mundt fest. "Eine solche Feststellung würde es uns erlauben, etwaige wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen frühzeitig aufzugreifen und zu untersagen."

Bundeskartellamt soll mehr Macht bekommen

Auf die leichte Schulter sollten die milliardenschweren US-Konzerne die Maßnahmen der deutschen Kartellbehörden nicht nehmen. Anfang April hat das Bundeskabinett eine weitere Reform des hiesigen Wettbewerbsrechts auf den Weg gebracht. Im Kern sollen mit der 11. Novelle des GWB die Befugnisse des Bundeskartellamts noch erweitert werden.

Störungen des Wettbewerbs im Sinne der Verbraucher sollen künftig besser abgestellt werden können, heißt es in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wo die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegenstehe, etwa weil es nur wenige Anbieter im Markt gibt und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten sind, sollen die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts geschärft werden.

Wir brauchen eine Wettbewerbsbehörde mit Biss, sagt Marco Buschmann, Bundesjustizminister von der FDP.
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Drei Punkte will die Politik künftig im Wettbewerbsrecht verankern:

  1. Das Bundeskartell soll in Zukunft nicht mehr nur Berichte schreiben dürfen, sondern konkrete Maßnahmen anordnen können. Um festgestellte Missstände abzustellen, soll die Behörde Marktzugänge erleichtern, Konzentrationstendenzen stoppen oder - in Extremfällen - Unternehmen sogar zerschlagen können.

  2. Im Fall von Kartellrechtsverstößen soll das Amt die daraus entstandenen Vorteile leichter abschöpfen können. Es soll eine bessere Handhabe geben, um kartellrechtswidrig erlangte Gewinne wieder zu entziehen.

  3. Der Gesetzentwurf schafft die rechtlichen Grundlagen dafür, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act unterstützen kann.

"Angesichts der aktuellen Krisen müssen wir die großen Stärken des Wettbewerbs konsequenter nutzen", kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck an. Wettbewerb sei das beste Mittel, um Verbraucherinnen und Verbrauchern vor ungerechtfertigten Preissteigerungen zu schützen, und sorge für Innovation. Es gelte, das Wettbewerbsprinzip auf den Märkten aktiv durchzusetzen. "Wir brauchen eine Wettbewerbsbehörde mit Biss", ergänzte sein Kabinettskollege Marco Buschmann aus dem Justizministerium. Mit der Novelle werde zudem sichergestellt, dass rechtsstaatliche Grundsätze beim kartellbehördlichen Einschreiten strikt gewahrt werden.

"Bundesregierung schwächt den Standort weiter"

Das sieht man in Unternehmenskreisen naturgemäß anders. "Deutschland ringt derzeit an vielen Stellen um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit", kommentierte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, den Kabinettsbeschluss. "Mit diesem nationalen gesetzgeberischen Alleingang schwächt die Bundesregierung den Standort weiter." Wichtige Investitionen in Innovationen und Marktwachstum würden unterbleiben, wenn Unternehmen trotz Befolgung aller Wettbewerbsregeln Sanktionen befürchten müssen.

Künftig könne das Bundeskartellamt auch ohne einen Regelverstoß mit Sanktionen bis zur Entflechtung in unternehmerische Rechtspositionen eingreifen, kritisiert die Lobbyistin die geplante GWB-Novelle. Die Möglichkeit der Neustrukturierung von Märkten dürfe nicht in die Hände einer Aufsichtsbehörde gelegt werden. Plöger fordert: "Der Staat sollte rechtmäßiges Wachstum gerade fördern, nicht durch eine Verschärfung von Eingriffsinstrumenten und härteren Sanktionen im Wettbewerbsrecht bestrafen."