Apple gegen Samsung, Samsung und Motorola gegen Apple, Motorola gegen Microsoft - die großen Namen der IT- und Mobilfunk-Branche treffen sich derzeit häufig vor Gericht. Am Landgericht Mannheim geht es aktuell um die Frage, ob und zu welchen Bedingungen ein Unternehmen seinen Wettbewerbern gestatten muss, bestimmte Grundlagenpatente zu nutzen.
Der Verbraucher bekommt die Auswirkungen der Rechtsstreitigkeiten bereits zu spüren: Gerade erst mussten iPhone-Nutzer hinnehmen, dass ihre Geräte Nachrichten nicht mehr automatisch aus dem Netz holen. Anfang Februar entfernte Apple kurzfristig eine Reihe älterer iPhone-Modelle sowie iPads, die nach dem UMTS-Standard funken, aus dem Online-Shop in Deutschland. In beiden Fällen hatte Motorola dem Wettbewerber vorgeworfen, ältere Patente zu verletzen.
Rechtsstreit treibt die Preise hoch
Die Unternehmen streiten vor allem darum, wie teuer die Nutzung von Grundlagenpatenten durch Wettbewerber werden darf. Das hat Folgen für den Preis der Geräte und könnte den Einsatz künftiger Innovationen erschweren. So fordert Motorola von Apple eine Lizenzgebühr in Höhe von 2,25 Prozent vom Umsatz mit den betroffenen Geräten, also rund eine Milliarde Dollar allein für das vergangene Jahr. Hohe Lizenzgebühren soll auch Microsoft an Motorola zahlen.
Apple sieht sich zusätzlich einer Forderung von Samsung ausgesetzt. Die EU-Kommission hat sich bereits eingeschaltet und untersucht, ob Samsung hier nicht seine Marktmacht missbraucht. Auch Apple und Microsoft haben bei der EU-Kommission beschwert. So wollen sie wollen erreichen, dass die Höhe der Lizenzgebühren begrenzt wird, wenn diese Grundlagenpatente für bestimmte branchenweit eingesetzte Technologien oder Standards essentiell sind.
Worum geht es geanau? Ein auf ein Erzeugnis gerichtetes Patent räumt seinem Inhaber das ausschließliche Recht ein, den patentierten Gegenstand herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen. Daraus folgt: Der Patentinhaber hat die Freiheit, zu entscheiden, ob - und wenn ja, zu welchen Bedingungen - er sein Schutzrecht an Dritte lizensiert. Das ist der Kern aller gewerblichen Schutzrechte.
Schutzrechte versus Fortschritt
Im Gegensatz dazu steht das allgemeine Interesse an einem ungehinderten und möglichst vielgestaltigen Wettbewerb. Dieser wird durch das Kartellrecht geschützt.
Dieser Konflikt wird aktuell im Bereich der IT, aber auch bei pharmazeutischen Erzeugnissen deutlich. Beide Märkte sind durch eine hohe Dichte an Schutzrechten und aufeinander aufbauende Technologien gekennzeichnet. Unternehmen, die im Besitz von Schutzrechten sind, haben häufig eine Sperrposition inne, das heißt, sie können die weitere Marktentwicklung behindern. Im öffentlichen Interesse liegt es jedoch, dass der technische und medizinische Fortschritt nicht durch Schutzrechte behindert wird.
Standardisierung führt zu Konflikten
In der IT spielt die immer weiter fortschreitende Standardisierung eine erhebliche Rolle. Sie kann doppelten Arbeitsaufwand verhindern, Produktionskosten senken, den Wettbewerb fördern und zusätzliches Vertrauen in die Produkte schaffen. Bekannte Standards wie GPRS oder UMTS im Mobilfunk, CD, DVD und Blue-ray bei Speichermedien oder MP3 und MPEG bei der Audio- und Videocodierung sind Beispiele dafür, wie technischer Fortschritt in Form neuer und besserer Produkte für die Verbraucher nutzbar gemacht wurde.
Die Standardisierung führt aber unweigerlich zu Konflikten: Sobald der Inhalt eines Standards in den Schutzbereich eines Patents fällt, hat der Patentinhaber die Möglichkeit, die Anwendung des Standards zu blockieren.
Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden: Philips war im Besitz eines Grundlagenpatents, das alle Hersteller handelsüblicher wiederbeschreibbarer CDs nutzen mussten. Der niederländische Konzern hatte vielen Unternehmen eine Lizenz auf das Patent erteilt. Aber ein Wettbewerber wollte diese Lizenz nicht erwerben. Aus seiner Sicht waren die Lizenzgebühren überhöht; außerdem habe Philips anderen Unternehmen günstigere Konditionen eingeräumt, sagte er. Der Wettbewerber produzierte seine CDs also ohne Lizenz, wurde von Philips daraufhin wegen Patentverletzung verklagt.
Im Verfahren macht der Beklagte geltend, dass Philips seine marktbeherrschende Stellung mißbrauche. Und der Bundesgerichtshof ließ dieses Argument, den "kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand", gelten. Es entschied: Ein Patentinhaber darf nicht gegen das kartellrechtliche Verbot verstoßen, Wettbewerber zu diskriminieren oder ohne sachlichen Grund zu behindern. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Wettbewerber das Patent sogar ohne ausdrückliche Erlaubnis des Patentinhabers benutzen.
Was sagt das FRAND-Prinzip?
Organisationen und Vereinigungen, die sich um die Entwicklung von Standards und Normen kümmern, haben inzwischen das FRAND-Prinzip entwickelt (Fair, Reasonable And Non Discriminatory). Unternehmen, die davon profitieren wollen, dass ihre Patente Bestandteil eines Standards werden, müssen vorab eine Selbstverpflichtung abgeben. Sie soll sicherstellen, dass die für einen Standard oder eine Norm wesentliche patentierte Technologie allen Anwendern zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen zugänglich ist Insbesondere gilt es, zu verhindern, dass - wie im Fall Philips - Rechteinhaber bestimmten Wettbewerbern keine Lizenzen erteilen oder überhöhte Lizenzgebühren fordern, nachdem sich die Branche dem Standard angeschlossen hat.
Zudem wird vom Patentinhaber erwartet, dass er sämtliche Rechte offenlegt, die für Anwender eines Standards erforderlich sind. Tut er das nämlich nicht, so müssen alle Unternehmen, die eine standardisierte Technologie einsetzen, zusätzliche Lizenzgebühren entrichten. Zwei Fälle dieses "Patenthinterhalts" sind bekannt geworden. So sollen der Hersteller von Speicherchips Rambus und der Computerproduzent Dell in den USA bestimmte Patente bei der Entwicklung von Standards verschwiegen haben. Als sich der Standard dann am Markt etablierte, versuchten beide, ihre Schlüsselpatente durchzusetzen.
Das FRAND-Prinzip wurde Anfang 2011 auch von der Europäischen Kommission in ihre Leitlinien übernommen. Allerdings hatten die Gerichte noch offene Rechtsfragen zu klären. So beteiligte sich Bosch als Mitglied des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) mit eigenen Patenten an der Entwicklung des UMTS-Standards. Dabei ging Bosch auch die FRAND-Verpflichtung ein. Die Bosch-Patente wurden aber später vom deutschen Patentrechte-Verwerter IPCom übernommen, und der sah sich nicht mehr an die von Bosch abgegebene Zusage gebunden. Das Landgericht Mannheim räumte alleridings auch in diesem Fall den Wettbewerbern eine wirkungsvolle Möglichkeit zur Verteidigung ein: das Argument, dass der Patentinhaber seine marktbeherrschende Stellung missbrauche.
Was ist fair und angemessen?
Weitere Fragen sind noch offen. So ist sich die Branche weitgehend uneinig, wie hoch eine faire und angemessene Lizenzgebühr unter FRAND-Bedingungen sein darf. Wichtig ist das nicht nur für die Beurteilung, ob ein Patentinhaber durch seine Gebührenforderung tatsächlich den Wettbewerb behindert. Vielmehr zeigt es auch in der Praxis, ob eine FRAND-Erklärung die Patentinhaber zwingt, finanzielle Obergrenzen bei ihrer Lizenzpolitik zu akzeptieren. Strenge Richtlinien wären für die Gerichte zwar nicht verbindlich, wohl aber ein Indiz für die Rechtsfindung.
Ohne ausreichenden finanziellen Anreiz lohnt sich es für Unternehmen sicher nicht, neue Technologien zu entwickeln. In Branchen, die einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen, können Inhaber von Schlüsselpatenten aber versuchen, den Wettbewerb zu blockieren. Sind die Lizenzgebühren für die Nutzung von Standard-bestimmenden Patenten zu hoch, werden sich Innovationen nicht breit am Markt durchsetzen. (qua)