Keine Scheu vor Zeitarbeit

07.03.2003 von Alexandra Mesmer
Eine Woche Irland hatte sich Angela Bauer im Oktober 2001 gegönnt - und diesen Urlaub wird sie so schnell nicht vergessen. Als sie an jenem Montag wieder an ihren Schreibtisch bei Broadvision zurückkehrte, waren die Tische ihrer Kollegen leer.

Eine Woche Irland hatte sich Angela Bauer im Oktober 2001 gegönnt - und diesen Urlaub wird sie so schnell nicht vergessen. Als sie an jenem Montag wieder an ihren Schreibtisch bei Broadvision zurückkehrte, waren die Tische ihrer Kollegen leer. Alle, die in der Marketing-Abteilung des amerikanischen Softwareanbieters in München gearbeitet hatten, waren entlassen - alle bis auf Angela Bauer.

Für die Diplombetriebswirtin begannen Monate zwischen Hoffen und Bangen: Einerseits konnte sie nun ihr eigenes Budget verwalten und bekam zu ihren ursprünglichen Aufgaben wie Direkt-Marketing und Event-Organisation auch noch die Pressearbeit hinzu. Andererseits musste sie befürchten, dass es nicht bei dieser einen Kündigungswelle bleiben würde. Sie hatte Recht: Von einst 50 Mitarbeitern in München mussten im Februar 2002 38 gehen - auch Angela Bauer.

Angelika Bauer Foto: Joachim Wendler

"Ich wusste, dass der Arbeitsmarkt nicht gerade rosig aussieht, und habe mir ein halbes Jahr für die Jobsuche gegeben", erinnert sich die 28-Jährige. 70 Bewerbungen und 30 Vorstellungsgespräche später war sie ihrer Hoffnungen beraubt: "Es gab immer noch jemanden, der besser war als ich. Viele Positionen wurden auch intern besetzt, manchmal stellte sich auch erst während des Bewerbungsprozesses heraus, dass doch ganz andere Qualifikationen gefordert wurden."

Nach sechs Monaten wusste Bauer, dass sie ihre Bewerbungsstrategie erweitern und auch versuchen musste, über Zeitarbeit den Wiedereinstieg zu schaffen. Schließlich hatte sie in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen gemacht, als sie direkt nach ihrem Studium über Zeitarbeit in der Marketing-Abteilung des IT-Herstellers Amdahl einsteigen konnte, von dem sie später ein Headhunter für Broadvision abwarb.

Finanzielle Einbußen

"Viele Bewerber scheuen den Weg über Zeitarbeit, weil er mit finanziellen Abstrichen verbunden ist", weiß Bauer. "Doch sie vergessen, dass er die Chance mit sich bringt, einen tieferen Einblick in die Unternehmen und unterschiedliche Abteilungen zu erhalten und viel früher als der Bewerber draußen zu erfahren, wo eine Stelle frei oder neu geschaffen wird." Bauer arbeitet mittlerweile über die DIS AG in der Marketing-Abteilung des Chip-Herstellers Texas Instruments (TI).

Auch wenn ihr der Job netto weniger einbringt als das Arbeitslosengeld, fühlt sie sich in dem jungen, internationalen Arbeitsumfeld wohl: Bei TI in Freising arbeiten Menschen aus 36 Nationen zusammen, das Klima stimmt, man fährt auch mal gemeinsam zum Skifahren, und die junge Betriebswirtin darf endlich wieder zeigen, was sie kann. "Zu Hause habe ich mich einfach gelangweilt. Ich brauche eine Aufgabe und den Kontakt zu anderen Leuten", hat Bauer festgestellt. Freunde können in einer solchen Situation auch nur bedingt weiterhelfen: "Bei ihnen dreht sich auch vieles um das Arbeitsleben. Wenn man selbst aber keinen Job hat, wird das zum Problem." Doch jetzt kann sie wieder mitreden. (am)