Home-Office-Day

Klare Absprachen helfen Home Workern

14.11.2013 von Ingrid  Weidner
Für Pendler bedeutet die Möglichkeit, auch von zu Hause aus zu arbeiten, eine Entlastung. Doch viele Führungskräfte sind skeptisch. Der Home-Office-Day am 14. November soll das ändern.

Die Schweizer waren schneller. Seit 2009 unterstützen Politiker, Hochschulen und Firmen wie Swisscom den „Home Office Day", an dem heuer mehr als 41.000 Schweizer von zu Hause aus arbeiteten. Für die Popularität des flexiblen Arbeitens gibt es einen handfesten Hintergrund: Trotz des perfekt ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes droht dort der Verkehrskollaps, wenn die Pendlerströme nicht entzerrt werden.

In Deutschland gibt es zwar seit 2010 ebenfalls einen Home-Office-Day, dieses Jahr am 14. November, doch die Resonanz ist bescheiden. „Von den Schweizer Zahlen sind wir weit entfernt. Wenn wir das für Deutschland hochrechnen würden, müssten sich 700.000 Beschäftigte beteiligen", sagt Heiko Pobbig von der Hamburger Beratung Inditango, die das Modell für Deutschland anpasste.

Heiko Pobbig von der Beratung Inditango wirbtfür den Home Office Day.
Foto: Inditango

Familienfreundlichkeit ist ein weiteres Argument für Home-Office-Konzepte. „In Deutschland herrscht oft noch eine starke Präsenzkultur", sagt Sofie Geisel, Projektleiterin des Netzwerkbüros Erfolgsfaktor Familie in Berlin. „Zudem haben wir einen hohen Anteil an Beschäftigten in der Produktion. Diese Arbeiten lassen sich nicht nach Hause verlagern." Trotzdem beobachtet Geisel, dass sich Firmen auch wegen des zunehmenden Fachkräftemangels offener für flexible Arbeitsmodelle zeigen.

Heiko Pobbig selbst nutzt auch an ein bis zwei Tagen in der Woche den Schreibtisch in der eigenen Wohnung. Doch der Berater weiß, dass sich nicht jede Aufgabe von zu Hause aus erledigen lässt, und so arbeiten einige der 40 Inditango-Beschäftigten überwiegend in einem der Büros in Hamburg, Düsseldorf oder Wien.

Home Office heißt nicht mehr Freizeit

Wer täglich lange Wege von zu Hause ins Büro zurücklegt, freut sich oft über mobile Konzepte, die tageweises Arbeiten daheim ermöglichen. Doch Home Office bedeutet kein Plus an Freizeit. „Die Beschäftigten können ihre Zeiteinteilung und ihre Arbeitsbedingungen besser steuern", sagt Geisel. Manche bevorzugen die Ruhe im heimischen Büro, um konzentriert zu arbeiten. Trotz solcher Vorteile ziehen andere das Büro und den regelmäßigen Austausch mit den Kollegen vor und möchten auf keinen Fall ins Home Office wechseln.

Sofie Geisel, Erfolgsfaktor Familie: „In Deutschland herrscht oft noch eine starke Präsenzkultur."
Foto: Geisel

Das Misstrauen gegenüber Heimarbeitern ist hierzulande besonders hoch. In einer Studie von Regus äußerten nur 36 Prozent der befragten Führungskräften die Meinung, dass sich Mitarbeiter auch aus der Ferne führen lassen. Die große Mehrheit hat Vorbehalte, etwa bei der Frage, wie sie die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter kontrollieren können. „Es ist wichtig, vorab klare Ziele zu vereinbaren", sagt Geisel.

Viele Aufgaben in der IT und von Wissensarbeitern lassen sich einfach in moderne und flexible Arbeitskonzepte integrieren. „Flexibles Arbeiten ist für uns Teil der Unternehmenskultur. Den Mitarbeitern steht es frei, wann und wo sie arbeiten", sagt Elke Frank, Personalchefin von Microsoft Deutschland. 90 Prozent der Microsoft-Angestellten nutzen die Möglichkeiten des Home Office. Allerdings eigne sich nicht jede Position gleichermaßen dafür, so Frank: „Aufgaben wie Controlling, Finanzen oder Personal erfordern oft die persönliche Abstimmung mit Kollegen und lassen sich daher nicht ausschließlich von zu Hause aus erledigen. Sales-Mitarbeiter dagegen arbeiten überwiegend mobil oder beim Kunden."

Elke Frank, Microsoft: „Flexibles Arbeiten ist Teil unserer Kultur.“
Foto: Microsoft

Auch wenn Microsoft mit Sharepoint, Yammer oder Skype eigene Tools für das mobile Arbeiten im Portfolio hat, bereitet das Unternehmen Mitarbeiter und Vorgesetzte auf flexible Arbeitsmodelle vor. Die Angestellten entscheiden selbst, welche Werkzeuge sie verwenden, um Termine und Aufgaben zu planen. Sie legen fest, wann und wo Besprechungen stattfinden und wie sie erreichbar sind. Trainingsangebote, Rollenspiele und Praxisbeispiele helfen ihnen, sich auf die Aufgaben vorzubereiten. Eine Broschüre fasst die Ergebnisse zusammen. „Manager sollen ein Gespür für ihre Mitarbeiter entwickeln, damit sie schnell merken, wenn diese überlastet sind. Dann können sie früh gegensteuern", sagt Frank. Oft verleite das Home Office dazu, zu viel zu arbeiten. Zusätzlich unterstützen Mitarbeiter aus der Personalabteilung ihre Kollegen, wenn sich Probleme anbahnen.

Home office
Klare Vereinbarungen treffen
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Nutzung freistellen
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Mitarbeitern vertrauen
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und "loslassen" können.
Mitarbeiterleistung messen
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Führung nicht vernachlässigen
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Fürsorgepflicht ernst nehmen
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern. Diese gelten auch und insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Neue Meetingkulturen schaffen
Bei aller Flexibilität: Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente und effektive Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Gemeinschaftsgefühl stärken
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen - und so die Zusammenarbeit und das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Mitarbeiter willkommen heißen
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Unternehmenskultur überprüfen
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur, der Philosophie und den Unternehmenszielen vereinbar sind.

Dass Absprachen helfen, Missverständnisse zu vermeiden, weiß auch das Management von Microsoft. Gemeinsam mit dem Betriebsrat überarbeitet das Unternehmen gerade die Rahmenbedingungen für das Home Office. Ganz in das häusliche Arbeitszimmer möchte Microsoft seine Mitarbeiter allerdings nicht verbannen. Persönliche Kontakte mit den Kollegen, die Kaffee-Ecke und Besprechungen im Büro runden das flexible Arbeitskonzept ab. „Der persönliche Kontakt zu den Kollegen und Managern ist uns wichtig", betont Frank.

Die Ängste vor dem Home Office als Abstellgleis sind begründet

Dieter Frey lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Sozialpsychologie. Der Professor forscht zu Themen wie Motivation, Teamarbeit und Führungsverhalten. Im Interview erklärt er, was sich für Führungskräfte und Mitarbeiter verändert, wenn sie flexibel arbeiten.

CW: Müssen Home Worker anders geführt werden?

FREY: Das Führungsverhalten sollte sich nicht ändern, im Gegenteil. Es geht darum, sehr professionell zu arbeiten, an Werten und Ethik orientiert sowie berechenbar zu sein. Vorgesetzte und Mitarbeiter sollten kollegial miteinander umgehen. In den Präsenzphasen muss die Führungsperson klar Orientierung geben: Was sind die Rahmenbedingungen des Arbeitens? Was sind die konkreten Ziele? Das sollte sie verbinden mit Sinnvermittlung, Transparenz, klarem Feedback, Wertschätzung, Fairness sowie Handlungsspielräumen.

Sozialpsychologe Dieter Frey: „Auch vom Home Office aus kann man führen.“
Foto: Frey

CW: Wie wichtig sind feste Zeiten für Besprechungen?

FREY: Grundsätzlich lässt sich alles, was bisher im Büro besprochen wurde, auch über Mails, Telefon- und Videokonferenzen klären. Am wichtigsten ist es, den Leuten Rahmenbedingungen und Orientierung zu geben, was zu tun ist, und sie zu begleiten. Zeitrahmen und Kontrollen der Arbeitsleistung sollten abgesprochen und eingehalten werden. Das Topmanagement muss hinter den flexiblen Arbeitsmodellen stehen und der Führungskraft volle Rückendeckung geben.

CW: Wie sollten Firmen Mitarbeiter und Chefs auf flexibles Arbeiten vorbereiten?

FREY: Mitarbeiter und Vorgesetzte sollten klären, welche Erwartungen sie haben und was Neues auf sie zukommt. So sollte besprochen werden, wie und wann Manager und Mitarbeiter füreinander erreichbar sind. Mit flexiblem Arbeiten wächst die Eigenverantwortung aller Beteiligten. Als Angestellter kann man nicht mehr sofort zum Chef rennen, wenn etwas eilt. Gleichzeitig kann auch der Chef nicht jede Minute beim Mitarbeiter im Büro stehen und nachfragen.

CW: Verändern sich die Karriereperspektiven von Home Workern?

FREY: Die Hoffnung ist, dass sich die Karriereperspektiven nicht verändern. Aber das hängt von der Firma, ihrer Kultur und dem Vorbildverhalten des Vorgesetzten ab. Sind Familienfreundlichkeit und Work-Life-Balance im Unternehmen verankert, wirkt sich das mobile Arbeiten nicht nachteilig aus. Mitarbeiter und Führungskräfte sollten darauf pochen und ein waches Auge darauf haben, dass Versprechen gehalten werden.

CW: Womit punkten mobile Arbeiter?

FREY: Sie sollten mit absolut professioneller Arbeit glänzen. Sitzfleisch ist nicht entscheidend, auch vom Home Office aus lässt sich gut führen. Vorgesetzte können trotzdem nah bei den Mitarbeitern sein, klare Ziele vereinbaren und Wertschätzung vermitteln.

CW: Das Büro zu Hause ist nicht sehr beliebt. Fürchten Mitarbeiter das Abstellgleis Home Office?

FREY: Das stimmt leider. Das könnte an einer zu maskulinen Konstruktion von Organisationen liegen, die zu wenig Wert auf Familienfreundlichkeit und Work-Life-Balance legen. Die Generation Y wird dies hoffentlich stärker einklagen. Die Ängste mancher Arbeitnehmer sind begründet, es gibt genügend Intrigen: So werden Entscheidungen getroffen, ohne die Kollegen einzubinden, die von zu Hause aus arbeiten. Auch wenn Büroräume oder Arbeiten neu verteilt werden, verlieren manche Vorgesetzte ihre überwiegend im Home Office arbeitenden Angestellten aus den Augen. Deshalb ist es so wichtig, dass das Topmanagement sich klar für das Arbeiten von zu Hause ausspricht und selbst als Vorbild fungiert.

Home Office 2
Nach Feierabend abschalten
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Eignung prüfen
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Selbstbewusstsein entwickeln
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Verantwortung übernehmen
Der Mitarbeiter übernimmt mehr unternehmerisches Denken und sollte sich seiner Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber bewusst sein.
Klare Ziele setzen
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen und Präsenz, um sich weiter zu entwickeln.
Richtig kommunizieren
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Arbeitsrhythmus neu definieren
Den eigenen Rhythmus finden: Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Mit Kollegen austauschen
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Sorgfältig arbeiten
Gerade bei virtuellen Teams ist professionelles Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Sich selbst managen
Flexible Arbeitszeit und Arbeitsplatzmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation, das nicht jeder aufbringt.