Gründer vor der Wahl

Kopie oder Innovation?

04.01.2012 von Lothar Lochmaier
Auf den ersten Blick scheint es für Gründer leichter zu sein, Investorenkapital für ein Geschäftsmodell zu erhalten, das sich anderswo schon bewährt hat. Statt nachzuahmen kann es sich aber auch lohnen, eigene Ideen zu verfolgen.
Kopie oder Original - manchmal lohnt sich doch die Arbeit, eine eigene Idee umzusetzen.
Foto: OutdoorPhoto/Fotolia.com

Klon oder Original? Beide Ansätze bergen Chancen, weisen aber auch Risiken auf. Offensichtlich ist, dass IT-Startups mit innovativen Technologien und Plattformen heute gute Chancen haben, binnen kurzer Zeit den Weltmarkt zu erreichen. Dafür brauchen sie allerdings ein gutes Geschäftsmodell, Ausdauer und Experimentierfreude.

Günstige Hosting-Dienste erleichtern Start

Chancen ergeben sich beispielsweise durch günstige Hosting-Dienste wie etwa Amazon Web Services. Eine große Auswahl an kostengünstigen Verbreitungskanälen steht bereit - beispielsweise die App Stores für die Apple- und die Android-Welt, zu denen sich bald um Windows 8 eine weitere Alternative eröffnen wird. So gesehen können Startups heute mit vergleichsweise geringem Aufwand einiges in der IT- beziehungsweise Internet-Branche bewegen. Dennoch bleibt die Marktauslese hart. Dehalb fragt sich mancher Jungunternehmer, ob er lieber ein bewährtes Geschäftsmodell kopieren oder etwas ganz Neues anfangen soll.

Die Diskussion wird durchaus emotional und kontrovers geführt. In Berlin gibt es sogar die "Anti-Copycat-Revolution", die ein innovatives Gründerklima in Berlin und in Europa zum Ziel hat. Wer dahintersteckt, lässt sich auf einer Internet-Landkarte nachvollziehen. Hendrik Brandis, Managing Partner bei Earlybird Venture Capital, sieht auch wirtschaftlichen Sinn darin, nicht zu kopieren, sondern zu erfinden: "Unserer Meinung nach täuscht der Eindruck, dass Copycats in Deutschland erfolgreicher sind als die Originale." Das Gegenteil sei der Fall. Gemessen am Unternehmenswert, seien Originale hierzulande deutlich erfolgreicher.

Der Experte verdeutlicht dies an den Erfolgsbeispielen Interhyp (Baudarlehen im Netz) und Tipp 24 (Wettanbieter), die bei Weiterverkäufen deutlich höher bewertet worden seien als bekannte Copycats wie etwa StudiVZ oder brands4friends. Der Haken: Rund um eine gute Idee ein Unternehmen zu gründen ist aufwendig und mit hohen Risiken behaftet.

Hendrik Brandes: Managing Partner bei Earlybird Venture Capital: "Unserer Meinung nach täuscht der Eindruck, dass Copycats in Deutschland erfolgreicher sind als die Orignale."
Foto: Earlybird Venture Capital

"Entscheidend ist der Innovationsgrad. Man sollte nicht nur die evolutionäre Verbesserung einer bereits bekannten Geschäftsidee in petto haben, sondern eine neue Technik oder ein neues Geschäftsmodell", so Brandis weiter. Das entscheidende Kriterium seien hohe Eintrittsbarrieren für Wettbewerber. "Das Management-Team und die Größe des Markts sind wichtig", so Brandis weiter.

Woran Gründer denken sollten

Pro-Argumente für Copycats

Die Übernahme eines existierenden Geschäftsmodells bietet im Wesentlichen drei Vorteile.

1. Absicherung durch ein scheinbar funktionierendes Geschäftsmodell;

2. ein klarer Aktionsplan für die Umsetzung, was die Fehlerquote reduzieren und die Geschwindigkeit in der Umsetzung erhöhen kann;

3. einfachere Finanzierung einschließlich von Exit-Optionen.

Konzeptionelle Hürden: Erstens sind die Vorbilder häufig nicht eins zu eins auf den deutschen Markt übertragbar. Zweitens besteht die Gefahr einer nachhaltigen Innovationsschwäche. Diese wird im Wettbewerb spätestens mittelfristig zum Problem. Und drittens besteht die Gefahr von Verletzungen der geistigen Eigentumsrechte mit oftmals gravierenden Konsequenzen.

Pro-Argumente für Originale

- Die Umsetzung eines neuen Geschäftsmodells ist besonders dann sinnvoll, wenn sich dadurch eine nachhaltig beherrschende Position im Markt erzielen lässt. Das kann sowohl durch das Besetzen einer Nische als auch durch Skalen- und Netzvorteile in größeren Märkten geschehen.

- Zudem ist ein neues Geschäftsmodell nötig, wenn kein Vorbild existiert oder wenn dieses zum Beispiel wegen exklusiven Zugriffs auf Ressourcen nicht kopiert werden kann. Gerade bei der ersten Variante kann man den Neuheitsgrad der eigenen Idee jedoch überschätzen. Die fehlende Differenzierung führt dann geradewegs in die Erfolglosigkeit.

Quelle: Capgemini Consulting

Dass das Gros der hiesigen Startups auf mehr oder minder abgewandelte Vorbilder baut, sieht Oliver Schön, Principal Consultant bei Capgemini Consulting, in deutschen Marktgegebenheiten begründet. Erstens sei das originäre Risikokapital bis dato limitiert, die Geldgeber agierten auch nicht besonders mutig. Und zweitens gebe es nicht genügend erfahrene Unternehmensgründer, denen man aufgrund ihres Lebenslaufs einen großen unternehmerischen Wurf zutraue, so Schön weiter.

An der Innovationsbörse heiß gehandelt sind derzeit Trends wie lokale Dienste, Couponing, Social Commerce und Travel. Gerade die Reisebranche ist durch starke US-Vorbilder geprägt. Copycats haben hier ebenso gute Chancen wie Senkrechtstarter, die eine neue Idee verwirklichen wollen.

Startups brauchen starke Persönlichkeiten

"Beeindruckend sind Startups, die mit geringem Mitteleinsatz weit gekommen sind und mit Kreativität überzeugen", ist Christian Thaler-Wolski von Wellington Partners in München überzeugt. Als Beispiel nennt der Experte die Berliner EyeEm. Hier habe ein junges Team mit wenig Ressourcen eine Foto-Sharing-App für iPhone- und Android-Geräte entwickelt und daraus ein Startup mit globalem Wirkungsanspruch gegründet. Nutzer können ihre geteilten Fotos etwa mit Ortsnamen oder Veranstaltungsbezeichnung taggen, so dass andere User entsprechende Fotostreams abonnieren oder via Suche erreichen können.

Do the right thing

Checkliste für Startups bei der Investorensuche:

- Das vorrangige Ziel kann darin liegen, externe Investoren erst so spät an Bord zu holen, dass die eigene Idee möglichst unabhängig ausreifen kann.

- Kontaktieren Sie Investoren dennoch rechtzeitig, wenn der Finanzierungsbedarf abschätzbar ist.

- Gehen Sie mit einer gesunden Portion Realismus in die Verhandlungen.

- Unabhängig vom Produkt oder Geschäftsmodell ist eine gründliche Vorbereitung des gesamten Ablaufs wichtig.

Fazit: Oft investieren Gründer viel Zeit und Geld in die Ansprache der falschen Investoren. Geldgeber mit einem Fokus auf spätere Unternehmensphasen werden nicht in ein gerade gegründetes Unternehmen ohne Umsatz investieren. Investoren mit einem fachlichen Fokus auf Life Sciences dürften sich kaum an einem Internet-Startup beteiligen.Quelle: High-Tech Gründerfonds

Christian Thaler-Wolski, Wellington Partners: "Beeindruckend sind Startups, die mit geringem Mitteleinsatz weit gekommen sind und mit Kreativität überzeugen."
Foto: Wellington Partners

Von zentraler Bedeutung sind laut Thaler-Wolski die Persönlichkeiten im Management-Team. Der Wellington-Manager illustriert das am Beispiel von Spotify, einem Anbieter kostenloser Musik-Streaming-Software. Dessen schwedischer Gründer Daniel Ek könne tief in das Produkt eintauchen, sei aber auch in der Lage, seine Vision anschaulich zu erklären und Menschen hierfür zu begeistern, so Thaler-Wolski.

Es zeigt sich also, dass die Frage Kopieren oder Innovieren nicht allein über den Erfolg eines Startups entscheidet. International aufstrebende Unternehmen wie der Internet-Schuhhändler Zalando oder die Social-Advertising-Plattform Sponsorpay lassen sich nur mit hohem Aufwand auf lokale Bedürfnisse zuschneiden. Diese Geschäftsmodelle zu kopieren ist also alles andere als einfach, die Grenzlinie zwischen Kopie und Original relativiert sich.

Jan Sessenhausen, High-Tech Gründerfonds: "Durch Cloud Computing verändern sich die Spielregeln im Softwaremarkt, der auch Startups neue Chancen gibt."
Foto: High-Tech Gründerfond

Dass sich unabhängig davon derzeit die Spielregeln im Softwaremarkt verändern, davon ist Jan Sessenhausen, InvestmentManager beim High-Tech Gründerfonds (HTGF), überzeugt. Im Oktober 2011 erst war der Gründerfonds II mit einem Volumen von 288,5 Millionen Euro für Hightech-Startups an den Start gegangen.

Besonders der Trend zum Cloud Computing ist nicht mehr aufzuhalten. "Der Durchgriff der IT-Organisationen in den Unternehmen geht nach und nach verloren", meint Sessenhausen. Durch den Cloud-Trend bekämen Startups mit innovativen Angeboten und Apps gute Chancen, im Konzert der Großen mitzuspielen. "Das sieht man schon heute an Diensten wie Dropbox oder Evernote, die bereits im Mainstream angekommen sind", so der Investment-Manager.