Wann ein blauer Brief als zugestellt gilt

Kündigung nur bei Fristeinhaltung wirksam

18.06.2012 von Renate Oettinger
Dr. Christian Salzbrunn erklärt, wann der Zugang einer Kündigung durch Übergabe an den Ehegatten außerhalb der Wohnung erfolgt.

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird als sogenannte einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erst dann wirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer zugeht, § 130 BGB. In der Praxis werden im Rahmen der Zustellung jedoch oft Fehler gemacht, zum Teil mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Denn wenn eine Kündigung z. B. erst am letzten Tag des Monatsendes auf den Weg gebracht wird und sie den Empfänger nicht vor Ablauf des Monatswechsels erreicht, ist die ursprünglich vorgesehene Kündigungsfrist nicht eingehalten. Dann kann zwar im Regelfalle im nächsten Monat eine neue Kündigung des Arbeitsvertrages ausgesprochen werden, das Arbeitsverhältnis endet dann einen Monat später.

Kündigungen sind nur bei fristgerechter Zustellung wirksam.
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Ärgerlich sind solche Fallgestaltungen aber vor allem dann, wenn z. B. vertraglich eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende oder sogar von einem halben Jahr zum Jahresende vereinbart worden ist. Versäumnisse bei der einwandfreien Zustellung einer Kündigungserklärung können dann auf Arbeitgeberseite schnell einen Quartalslohn oder schlimmstenfalls einen Jahreslohn kosten.

Daher haben sich die deutschen Arbeitsgerichte auch immer wieder mit der Problematik der Kündigungszustellung zu befassen. In einer neuen Entscheidung des BAG vom 09.06.2011 zu diesem Thema mussten die Erfurter Richter über die Rechtsfrage befinden, ob auch der Ehegatte des zu kündigenden Arbeitnehmers als so genannter Empfangsbote fungieren kann, wenn er die Kündigung außerhalb der gemeinsamen Ehewohnung übergeben bekommt.

Tipps für Kündigung und Trennung
Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten.
Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben.
Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird?
Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..."
"Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.
"Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene.
Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten.
Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.

In dem zu beurteilenden Sachverhalt ging es um eine Assistentin der Geschäftsleitung, die seit dem 03.02.2003 in dem beklagten Unternehmen beschäftigt war. Aufgrund der Größe des Unternehmens fand das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Am 31.01.2008 verließ die Arbeitnehmerin nach einem Streit einfach ihren Arbeitsplatz, und der Arbeitgeber entschied sich dazu, das Arbeitsverhältnis noch am gleichen Tag mit der entsprechenden Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende, mithin zum 29.02.2008 zu beenden.

Das Kündigungsschreiben übergab der Arbeitgeber einem Mitarbeiter, der noch am selben Tag den mit ihm befreundeten Ehemann der Arbeitnehmerin an dessen Arbeitplatz in einem Bau- und Heimwerkermarkt aufsuchte und das Schriftstück übergab. Dieser reichte das Schreiben aber erst am darauffolgenden Tag, d. h. am 01.02.2008, an seine Ehefrau weiter, da er das Kündigungsschreiben zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen gelassen hatte.

Die Parteien stritten im Folgenden vor den Arbeitsgerichten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis bereits zum 29.02.2008 oder erst zum 31.03.2008 beendet worden ist. Erstinstanzlich hatte die Arbeitnehmerin noch Erfolg, das LAG Köln und auch das BAG wiesen ihre Klage jedoch ab.

Machtbereich des Arbeitnehmers

Die Richter des BAG wiesen in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass eine Kündigung unter Abwesenden erst dann zugeht, wenn sie verkehrsüblicherweise in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, sodass dieser unter den gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hat, hiervon Kenntnis zu nehmen. Dabei sei es ebenso möglich, Kündigungsschreiben auch an solche Personen zu übergeben, die mit dem Arbeitnehmer in einer Wohnung zusammenleben und aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten als geeignet erscheinen, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten.

Vor allem Ehegatten seien als solche zulässigen Empfangsboten anzusehen. Die BAG-Richter sahen es des Weiteren auch nicht als hinderlich an, dass das Kündigungsschreiben dem Ehemann an dessen Arbeitsplatz und damit außerhalb der ehelichen Wohnung übergeben worden ist. Denn nach ihrer Ansicht sei allein entscheidend, dass unter den normalen Umständen nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung mit einer Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am gleichen Tag gerechnet werden konnte.

Die fünf größten Irrtümer beim Thema
Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Wann ist eine Kündigung rechtens und wann nicht. Wir klären über die fünf häufigsten Mythen zum Thema Kündigung auf.
Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam.
Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist.
Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen.
Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung.
Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.

Insoweit wiesen die BAG-Richter auch noch das Argument der Klägerin zurück, wonach die Eigenschaft ihres Ehemanns als "externer Briefkasten" nicht mit dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG zu vereinbaren sei, weil sich ihr Verheiratetsein als ein erheblicher Nachteil gegenüber Nichtverheirateten oder Lebenspartnern herausstelle (denn dort gäbe es nach der Ansicht der Klägerin keine entsprechende Verkehrssitte). Hierbei betonten die Richter nämlich, dass sämtliche in der Wohnung des Kündigungsempfängers lebenden erwachsenen Haushaltsmitglieder als solche Empfangsboten fungieren könnten, d. h. also auch unverheiratete Lebenspartner. Nach alledem bestätigten die Richter die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 29.02.2008 und nicht erst zum 31.03.2008 (BAG, Urteil vom 09.06.2011, Az.: 6 AZR 687/09).

Im vorliegenden Fall ist die Zustellung der Kündigung im sprichwörtlichen Sinne also noch einmal gut gegangen. Aber was wäre passiert, wenn der Ehemann die Annahme des Briefes verweigert hätte? Die BAG-Richter ließen in ihrer Urteilsbegründung durchblicken, dass dann nicht mehr von einem rechtswirksamen Zugang noch am 31.01.2008 hätte gesprochen werden können. Arbeitgeber sollten daher bei der Zustellung der Kündigung eines Arbeitsvertrages erhebliche Sorgfalt walten lassen:

Zeuge und Quittierung empfehlenswert

Erfolgt die Übergabe des Kündigungsschreibens gegenüber einem anwesenden Mitarbeiter, sollte bei der Übergabe ein zuverlässiger Zeuge anwesend sein, und es empfiehlt sich vor allem die Quittierung des Erhalts des Schreibens auf einer Kopie der Kündigungserklärung.

Schwieriger ist dagegen die Kündigung gegenüber einem abwesenden Mitarbeiter. Häufig bedienen sich Arbeitgeber zur Übersendung des Schreibens der Postzusteller, was aber gerade in den Fällen, in denen Kündigungsfristen zu beachten sind, sehr gefährlich werden kann. Eine Übersendung per normaler Briefpost oder auch per Einwurfeinschreiben hat den Makel, dass für die rechtzeitige Zustellung kein Beweis vorhanden ist und ein Arbeitnehmer hinterher immer behaupten kann, den Brief entweder gar nicht oder erst verspätet bekommen zu haben.

Nach der Kündigung
Wie Betroffenen auf Kündigungen reagieren
Wenn ein Personalabbau angekündigt wird, verfolgen die Mitarbeiter oft zunächst die "Vogel-Strauß-Taktik". Sie gehen in Deckung und hoffen, dass der Krug an Ihnen vorübergehen möge. Steht fest, wer das Unternehmen verlassen muss, spaltet sich die Belegschaft in Betroffene und Nicht-Betroffene.
Der Gefasste ...
... der wenig Emotion zeigt.
Der Geschockte ...
... der Mitleid erregt.
Der Hysterische ...
... den Hysterischen, der emotional diskutiert.
Der Verhandler ...
... der rational das Gespräch sucht.
Der Zyniker ...
... der schon immer alles kommen sehen hat und weiß, wer daran schuld ist.
Der Bettler ...
... der mit seinen Unterhaltsverpflichtungen und seiner Loyalität argumentiert.

Die Versendung per Übergabeeinschreiben oder per Einschreiben mit Rückschein hat den erheblichen Nachteil, dass in den Fällen, in denen der Empfänger von Seiten des Postboten zu Hause nicht angetroffen wird, lediglich im Briefkasten ein Benachrichtigungszettel hinterlegt wird. Das Kündigungsschreiben ist damit nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Sofern der Empfänger das Schreiben nämlich gar nicht abholt, geht es nach dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist zurück an den Absender. Die Kündigung ist damit nie zugegangen.

Der sicherste Weg für einen rechtswirksamen Zugang ist die Zustellung der Kündigung durch einen als Zeugen zu benennenden Boten des Arbeitgebers. Dabei sollte der Bote selbst das Original der unterschriebenen Kündigung einkuvertieren oder zumindest bei dem Vorgang anwesend sein, damit er sich von dem Inhalt des Umschlags überzeugen kann. Der Bote sollte dann das Schreiben in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwerfen und hiervon ein ausführliches Protokoll anfertigen. Im Streitfalle kann dann das Protokoll vor Gericht vorgelegt werden und der Bote als Zeuge für die Zustellung benannt werden.

Allerdings sollte auch hierbei dringend darauf geachtet werden, dass der Einwurf in den Briefkasten zu einer Tageszeit vorgenommen wird, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer Entnahme durch den Adressaten noch gerechnet werden kann. Das bedeutet, dass die regelmäßigen Postzustellzeiten eingehalten werden sollten. Auch wenn heutzutage zahlreiche private Postdienstleister noch bis in den späten Nachmittag Zustellungen vornehmen, empfiehlt sich nach wie vor ein Einwurf bis in die späte Mittagszeit, d. h. bis ca. 14:00 Uhr, um sich nicht dem möglichen Einwand auszusetzen, dass mit einer Zustellung an diesem Tag nicht mehr gerechnet werden konnte und die Zustellung dann erst für den Folgetag gilt. (oe)

Kontakt:

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen das Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht sowie die Themen Insolvenz und Inkasso. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de