BMC Exchange

Laut BMC droht das Multi-Cloud-Chaos

12.11.2018 von Martin Bayer
In heterogenen Cloud-Infrastrukturen liegt aus Sicht von BMC die große Herausforderung für die IT-Verantwortlichen. Neue Tools sollen dabei helfen, sämtliche Infrastruktur-Komponenten, vom Mainframe bis zum Cloud-Service, effizient zu managen.

Den Weg in die Cloud für die Anwender beherrschbar machen - das ist laut Olf Jännsch, Area Director für BMC Deutschland, die Zielsetzung des US-amerikanischen Softwareanbieters. Auf der Kundenkonferenz BMC Exchange Anfang November in München standen daher vor allem Werkzeuge im Rampenlicht, die das Verwalten heterogener Infrastrukturkomponenten vom Mainframe über das eigene Rechenzentrum bis hin zu Hybrid- und Public-Cloud-Bestandteilen erleichtern sollen.

Wer mit vielen unterschiedlichen Infrastrukturen hantieren muss, verliert sich leicht im Chaos.
Foto: GiroScience - shutterstock.com

Anwenderunternehmen stünden derzeit vor der Herausforderung, die digitale Transformation ihres Geschäfts voranzutreiben - und das im laufenden Betrieb, betonte Jännsch vor den rund 500 Besuchern der BMC Exchange. Dabei gelte es, Innovationen zu entwickeln und neue IT-Techniken zu mutzen, genauso aber auch einen stabilen IT-Betrieb zu gewährleisten sowie stetig zu optimieren und damit eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu schlagen.

Es droht das "Multi-Cloud-Chaos"

Eine zentrale Rolle spielen dabei Multi-Cloud-Infrastrukturen. "Die Dinge werden damit aber deutlich komplexer", sagte Jännsch. Dies bestätigte auch Carla Arend, Senior Program Director Cloud Research von IDC, die von einem regelrechten Multi-Cloud-Chaos spricht. Demzufolge würden in den kommenden Jahren fast alle Unternehmen auf einen Multi-Cloud-Kurs einschwenken, prognostizierte die Analystin und warnte: "Nicht einmal die Hälfte dieser Betriebe wird es schaffen, solche Umgebungen effizient zu managen."

Um das Thema in den Griff zu bekommen, müssten Anwender verschiedenste Dimensionen einer solchen Infrastruktur im Blick behalten, sagte die Marktforscherin. Wenn Unternehmen die falschen Workloads in die Cloud verlagerten, sei dies in aller Regel teurer als der Betrieb einer eigenen Infrastruktur. BMC-Manager Jännsch will sogar ausgemacht haben, dass etliche Unternehmen von einer Public Cloud zu On-premise zurückkehren. Ihre Erwartungen hätten sich nicht erfüllt, außerdem fühlten sie sich von Komplexität und Sicherheitsbedenken überfordert.

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Hier will BMC mit seinen Werkzeugen und Services ansetzen. Der 1980 gegründete Softwarespezialist ist mit Management-Tools für die Mainframe-Welt groß geworden. Doch gerade in den vergangenen Jahren hat sich BMC von Grund auf erneuert. Dabei geholfen hat Jännsch zufolge die Tatsache, dass der Softwarehersteller 2013 von einer Investorengruppe unter der Führung von Bain Capital Private Equity und Golden Gate Capital von der Börse genommen und privatisiert wurde. Unter den Fittichen der Investoren habe BMC die Entwicklung neuer Werkzeuge und Services forcieren können und sich damit neu aufgestellt. "Es wurde massiv in Research and Development investiert."

Vor rund 500 Besuchern erläuterten die BMC-Verantwortlichen auf der BMC Exchange in München ihre Strategie für das Multi-Cloud-Management.
Foto: BMC

Von Unruhe angesichts der jüngsten Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen will Jännsch nichts wissen. Im Mai dieses Jahres hatten die Investoren angekündigt, BMC an das Investment-Unternehmen KKR verkaufen zu wollen - Insider sprachen von einem Kaufpreis in Höhe von 8,3 Milliarden Dollar, nachdem BMC vor fünf Jahren für 6,9 Milliarden vom Börsenparkett weggekauft worden war. Anfang Oktober wurde der Deal abgeschlossen.

Neuer Investor - neues Firmenkapitel

Mit KKR schlage man ein neues Kapitel auf, hatte Peter Leav, President und Chief Executive Officer von BMC, den Wechsel vor wenigen Wochen kommentiert. "Mit Unterstützung von KKR werden wir weiter wachsen und in unsere Zukunft investieren. BMC ist gut positioniert für zukünftiges Wachstum und Erfolg." Jännsch, der seit sieben Monaten das Deutschland-Geschäft verantwortet, verweist zudem darauf, dass sich mit einem einzigen Eigentümer und Investor im Rücken die Verhältnisse vereinfacht hätten. Es müssten nicht mehr die Interessen verschiedener Stakeholder unter einen Hut gebracht werden.

Sich richtig in einem sich ständig verändernden Markt zu positionieren, scheint allerdings alles andere als einfach. Darauf deuten zumindest die verschiedenen Claims hin, unter denen BMC zuletzt antrat. Im vergangenen Jahr präsentierte sich der Anbieter zur Exchange-Konferenz noch als Spezialist für das "Digital Enterprise Management". In diesem Jahr firmiert man als "BMC - The Multi-Cloud Management Company". Dazu kommt, dass die Klassiker im Produktportfolio, allen voran die Mainframe-Tools,m nach wie vor eine wichtige Rolle im BMC-Geschäft spielen.

Wie deutsche Unternehmen ihren Weg in die Cloud finden, lesen Sie in unserer aktuellen Studie "Cloud Migration 2018"

Die immer breiter werdende Spanne zwischen der Legacy-IT und der neuen Cloud-Welt spiegelt sich auch in Produkten und Services von BMC wider. Knapp 160 Einzelposten finden sich dort, die produktseitig in die Kategorien Service Management, Automation, Operations und Mainframe eingeordnet werden. Unter der Lösungsperspektive sortiert BMC sein Portfolio in die Segmente Multi-Cloud-Management, Automation und DevOps, Security & Compliance, IT-Optimierung, Künstliche Intelligenz & Machine Learning sowie Service Management Excellence - für Kunden nicht gerade einfach, hier den Durchblick zu behalten.

IKEA kontrolliert sein Möbelholz via App

Jännsch spricht indes von einer differenzierten Positionierung BMCs und verweist auf eine treue Kundenbasis, die auch in einem zunehmend heterogeneren Umfeld an den BMC-Produkten festhält. Einer dieser Kunden ist Peter Zumbrink, Team Manager IT bei IKEA Deutschland. Der schwedische Möbelhersteller setzt seit 2000 auf BMC-Tools, räumt aber ein, in der IT-Infrastruktur einen schmerzhaften Spagat aushalten zu müssen.

In Sachen Multi Cloud geht es Zumbrink zufolge neben Kostenvorteilen vor allem darum, Innovationen voranzutreiben. Als Beispiel nennt der IKEA-Manager 3D-Modelle der Möbelprodukte, die inzwischen in Microsofts Azure-Cloud gerendert würden. Früher habe IKEA dafür eine eigene Server-Infrastruktur vorgehalten. Auch im Management der Kern-Ressource Holz setzt IKEA auf moderne Technik. Förster, die den eigenen Wald beaufsichtigen, können heute Fotos von Auffälligkeiten im Baumbestand direkt in eine App hochladen, die dann per Bilderkennung feststellen kann, ob es sich um eine Krankheit oder Schädlingsbefall handelt. Entsprechend schnell ließen sich Gegenmaßnahmen ergreifen.

Neben diesen Innovationen muss sich Zumbrink allerdings auch um einen in die Jahren gekommenen monolithischen Backbone kümmern, über den nach wie vor das Kerngeschäft von IKEA abgewickelt wird. Dieser basiert auf dem schon vor Jahren abgekündigten Betriebssystem OpenVMS. "Diesen Backbone bekommt man nicht in die Cloud", stellte Zumbrink klar. Also werde man damit weiterarbeiten. Ein Problem hat der IT-Manager damit nicht. Immerhin skaliere das Legacy-System nach wie vor zufriedenstellend. Die BMC-Tools, mit denen das IKEA-Backend verwaltet wird, zählt Zumbrink allerdings auch zur Legacy IT.

Wege aus der Customizing-Falle

Wie aufwändig der Weg aus einer solchen Legacy-Welt sein kann, schilderte Markus Steyerer vom Allgemeinen Rechenzentrum (ARZ), einem Service Provider für die Finanzbranche in Österreich. Nachdem man nach der Jahrtausendwende die eigenen Prozesse definiert hatte, sei man 2006/07 auf das BMC-Tool "Remedy" für das Management dieser Abläufe umgestiegen. Die wichtigste Prämisse lautete damals: Das Tool muss sich nach den zuvor definierten Prozessen richten. "Rückblickend war das ein Fehler", räumte Steyerer ein. Man habe in der Folge das ITSM-System ständig angepasst. Zum Schluss zählten die Verantwortlichen rund 1200 Customizings in dem Tool. Die Folge: Das System wurde zunehmend langsam und unflexibel. Zudem seien immer mehr Ressourcen erforderlich gewesen, um es am Laufen zu halten.

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Als ein Release-Wechsel anstand und eine Analyse ergab, dass dieser nur unter einem immensen zeitlichen Aufwand und mit externer Hilfe zu bewerkstelligen war, zogen die ARZ-Verantwortlichen die Reißleine. Parallel zum alten System führte Steyerer das neue Release auf der grünen Wiese ein - allerdings unter einem neuen Ansatz. Zunächst wurde geprüft, wie bestimmte Prozesse im Tool abgebildet werden. Entsprechend habe man die eigene Organisation darauf getrimmt, sich an dem durch das Management-Werkzeug vorgegebenen Standard zu orientieren.

Das habe zwar nicht zu 100 Prozent funktioniert. Mit nur rund 20 Customizings arbeite man heute aber ganz nahe am Standard, konstatierte der Manager. Die Vorteile liegen Steyerer zufolge auf der Hand: Neue Funktionen ließen sich zügig implementieren, die Releasezyklen hätten sich deutlich verkürzt, der Pflegeaufwand sei reduziert und die Abhängigkeiten von externen Dienstleistern seien geringer geworden. Allerdings, so rät Steyerer anderen Anwendern: "Am Standard zu bleiben, bedeutet kontinuierliche Arbeit."

Helix - Service Management in der Cloud

Neben der Pflege der klassischen Tool-Familien rund um "Control M", "Remedy" und "Truesight" arbeitet BMC auch an neuen Werkzeugen. Dazu zählt BMC-Manager Jännsch beispielsweise das Cloud-basierte "Helix". Das ITSM-Werkzeug, das bei BMC unter "Cognitive Service Management" läuft, funktioniert Container-basiert auf unterschiedlichen Cloud-Plattformen wie AWS, Microsoft Azure oder in der Google Cloud. Mit der "Helix Innovation Suite" erhielten Anwender zudem ein Werkzeug an die Hand, mit dessen Hilfe sich ohne großen Aufwand eigene Applikationen entwickeln ließen.

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Christoph Klapetke von Hermes Logistics hat das Werkzeug genutzt, um einen auf händischen Eingaben in Excel basierenden Workflow abzulösen. Der Logistiker zog ein positives Fazit seines Experiments: Mit Hilfe der Drag-and-Drop-Oberfläche, auf der sich ohne Entwickler-Knowhow Workflows modellieren ließen, könnten Applikationen zügig gebaut werden - auch direkt vom Fachbereich. So ließen sich zudem die fachlichen Anforderungen praktisch zu 100 Prozent abdecken. Künftige Anpassungen könnten die Mitarbeiter in den Abteilungen direkt selbst einpflegen.

Klapetke verwies auf Untersuchungen, wonach bereits 2020 rund drei Viertel aller Applikationen für das digitale Business selbst gebaut und nicht mehr gekauft werden sollen. Low-Code beziehungsweise No-Code heißt in diesem Zusammenhang das neue Zauberwort. Der Hermes-Logistics-Manager sieht daher noch einiges Potenzial in der Helix-Lösung. Er hat dabei einige hundert Applikationen im Blick, die bei Hermes in näherer Zukunft modernisiert beziehungsweise in die Cloud verlagert werden müssten. Etliche dieser Anwendungen werde man neu schreiben. An dieser Stelle will er die BMC-Lösung in seine Überlegungen mit einbeziehen.

Cloud-Kosten im Griff

Aber auch die klassischen Werkzeuge will BMC weiterentwickeln. Das ITSM-Tool Remedy wurde verschlankt, unter anderem durch das Entfernen der integrierten Datenbank MongoDB. Es wird nun auch als Service aus der Cloud angeboten. Control M für die "Digital Business Automation" soll ab 2018 in einem jährlichen Release-Takt herauskommen. Dabei verspricht der Hersteller Upgrades (fast) ohne Downtime. Zu den künftigen Features zählen die Einbindung von Multi-Cloud-Umgebungen sowie die Unterstützung von Hadoop-Systemen beim File-Transfer.

Um die Kosten besser im Blick zu behalten, bietet BMC im Truesight-Portfolio "Cost Control" an. Damit könnten Anwender simulieren, welche Kosten die Verlagerung von Workloads in die Cloud mit sich bringt, und diese mit dem eigenen On-premise-Aufwand vergleichen. Darüber hinaus ließen sich mit dem Werkzeug nicht mehr genutzte Cloud-Instanzen sowie überdimensionierte VMs aufspüren.

"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", konstatiert BMCs Deutschland-Chef Olf Jännsch mit Blick auf das eigene Produktportfolio.
Foto: BMC

"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagt BMC-Manager Jännsch mit Blick auf die Weiterentwicklung des eigenen Portfolios. Den BMC-Ansatz beschreibt er als offen skalierbar und modular. Darin sieht Jännsch auch den Vorteil gegenüber den großen Cloud-Hyperscalern AWS, Google und Microsoft, die ihre eigenen Management-Werkzeuge anbieten. Anwender würden es jedoch vorziehen, nicht mit unterschiedlichen Tools hantieren zu müssen, sondern mit einem Werkzeug ihre Multi Cloud orchestrieren zu können.