Lawson Software nimmt neuen Anlauf

28.09.2006
Lawson-CEO Harry Debes will endlich einen Schlussstrich unter die Irritationen rund um die Intentia-Übernahme ziehen und die Geschäfte wieder ins Rollen bringen. Kein leichtes Unterfangen angesichts des nach wie vor schwierigen Marktumfelds und der harten Konkurrenz.

"Die neue Lawson steht am Start", lautet die Botschaft, mit der CEO Debes die künftige Wachstumsstrategie des US-amerikanischen Anbieters von Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP) einläuten will. Seine Ziele sind ehrgeizig. Für das erste gemeinsame Geschäftsjahr mit Intentia, das im Mai kommenden Jahres endet, erwartet der Manager einen Umsatz von etwa 750 Millionen Dollar. Im darauf folgenden Fiskaljahr sind Einnahmen von 860 Millionen Dollar anvisiert, 2009 soll der Umsatz auf 950 Millionen Dollar klettern.

Nicht eingerechnet in diese Kalkulation sind Akquisitionen, betont Debes. So plant der seit Juni vergangenen Jahres amtierende Lawson-Chef etwa drei bis vier Zukäufe pro Jahr. Damit will er das Branchen-Know-how stärken, die Funktionspalette erweitern beziehungsweise die Tür in zusätzliche Regionen aufstoßen. Um dies zu erreichen, genügten jedoch kleinere Zukäufe. Deals vom Kaliber der Intentia-Übernahme seien derzeit nicht geplant, für später aber nicht ausgeschlossen. Erst müsse das Geschäft des kombinierten Unternehmens laufen.

Für die Integration von Intentia hat Lawson lang gebraucht: Anfang Juni 2005 hatten die Vorstände von Lawson und Intentia den Deal mit einem Volumen von 480 Millionen Dollar bekannt gegeben (siehe auch: "Lawson schluckt Intentia" und "Intentia hat sich zu sehr auf Europa konzentriert"). Ende 2005 sollte die Akquisitionen eigentlich abgeschlossen sein. Doch dann kam alles anders: Die Finanzbehörden forderten zusätzliche Informationen und der Vollzug verzögerte sich bis Ende April 2006 (siehe auch: Lawson will Intentia-Übernahme endlich abschließen). Dazu kamen in Folge Unruhen im Management des Unternehmens. Anfang August sickerte durch, dass die Position des Chief Operating Officer (COO) ersatzlos gestrichen wird. Bekleidet hatte bis dato diesen Posten Bertrand Sciard, Ex-CEO von Intentia (siehe auch: Update: Lawson räumt auf und entmachtet Intentia-Chef).

"Die Umstrukturierungen sind abgeschlossen", versichert Debes nun. Von Querelen rund um das Ausscheiden von Sciard will er nichts wissen. Lawson brauche keinen COO, so seine Begründung. Zudem sei ihm die Nähe zu den Service und Vertriebsabteilungen wichtig. Ein Manager für das Tagesgeschäft stand ihm da wohl im Weg. Service und Vertrieb will Debes weiter stärken. Noch im laufenden Geschäftsjahr sollen 45 weitere Vertriebsmitarbeiter und 160 Berater eingestellt werden.

Mit dieser Strategie will das Lawson-Management in erster Linie das Neukundengeschäft forcieren. Rund die Hälfte der künftigen Lizenzeinnahmen sollen aus diesem Bereich kommen, lautet die Vorgabe. Seinen weltweit rund 4000 Bestandskunden verspricht der Hersteller eine konsistente Produktstrategie, um sie bei der Stange zu halten. Demnach sollen die Produktlinien S3 (Lawson) und Intentias M3 (vormals "Movex") weiter entwickelt und gepflegt werden. Es sei nicht geplant, beide Linien zu verschmelzen, versichert Debes. Zudem würde kein Anwender gezwungen, Produkt oder Plattform zu wechseln. Damit sollen die Investitionen der Anwender geschützt werden.

Seinen angestammten Branchen will Lawson treu bleiben. Dazu gehören das produzierende Gewerbe, vor allem Mode und Lebensmittel, der Handel und Dienstleister, in erster Linie aus den Bereichen Finanzen, Gesundheitswesen und Behörden. Zusätzlichen Anschub erhoffen sich die Verantwortlichen von Cross-Selling-Effekten. So sollen die M3-Lösungen von Intentia, die bislang fast ausschließlich in Europa verkauft wurden, auch in Amerika und Asien vermarktet werden. Umgekehrt will Lawson die eigenen Lösungen, die in Europa fast unbekannt sind, künftig auch in der alten Welt verkaufen. Darüber hinaus will der Hersteller den Bestandskunden von M3 und S3 zusätzliche Funktionen der jeweiligen anderen Lösung verkaufen. Die einzige Klammer rund um M3 und S3 soll eine einheitliche Benutzeroberfläche bilden.

Veränderungen gibt es im Umfeld der Produkte. Statt einer Einheitswartung können die Kunden künftig zwischen vier unterschiedlichen Maintenance-Leveln wählen - von Bronze über Silber und Gold bis Platinum. Die höheren Stufen bieten den Anwendern zusätzliche Services wie Rund-um-die-Uhr-Betreuung und Wartung von Kundenanpassungen. Im kommenden Jahr soll zusätzlich eine Hosting-Version auf den Markt kommen. Für die Standardwartung fordert Lawson jährlich 20 Prozent vom Lizenzpreis ein. Wie teuer die höheren Wartungslevel sind, vermochte Debes nicht zu sagen. Dies hänge auch von den jeweiligen Installationen ab, wich der Lawson-Chef aus.

Ebenfalls noch unsicher sind die Überlegungen zum Projekt "Landmark". Von dem auf Eclipse basierenden Entwicklungs-Framework verspricht sich der Anbieter eine deutlich vereinfachte und effizientere Softwareproduktion. Debes zufolge ließen sich mit dem Toolset 200.000 Zeilen herkömmlicher Code auf 13.100 Zeilen eindampfen. Ursprünglich wurde das Entwicklungswerkzeug für den eigenen Bedarf gebaut, doch nun gebe es Überlegungen, das Tool auch Kunden sowie Partnern zugänglich zu machen. In welcher Form - ob als Teil der Applikationspakete oder als separates Produkt -, das stehe noch nicht fest, räumte Debes ein. Auch über den Preis sei man sich noch nicht im Klaren. Umsonst gebe es Landmark allerdings nicht, stellte der CEO klar.

Ob die Neuerungen im Produktumfeld ausreichen, um Lawsons Geschäfte anzukurbeln, ist fraglich. Gerade im Mittelstand zögern die Anwender aufwändige und teure Migrationen so lang wie möglich hinaus, gerade wenn die bestehenden Lösungen ausreichten. Auch Lawson spürt dies am eigenen Leib. Obwohl bereits seit Jahren eine Java-basierende Movex-Lösung (heute M3) verfügbar, nutzt der Großteil der Intentia-Anwender die alte RPG-Version.

Es hänge nicht nur an den Kosten widerspricht Debes. Wenn es gelinge, die Kunden von den Vorteilen einer neuen Softwarelösung zu überzeugen, seien diese durchaus bereit dafür zu bezahlen. Überzeugungsarbeit sollen künftig auch verstärkt Partner leisten. Zwar will Lawson nach wie vor seinen direkten Draht zum Kunden halten, indem der Anbieter neben der Software auch alle notwendigen Implentierungs- und Support-Services anbietet. Trotzdem gebe es Platz für Partner versichert der CEO. Klare Regeln, wie mit Partnern umgegangen wird gibt es nicht. Das wird offenbar von Fall zu Fall verhandelt. Inwieweit dieses Umfeld mit unklaren Regeln und einem dominanten Anbieter, der sein Standing beim Kunden wahren möchte, attraktiv genug für Partner ist, bleibt abzuwarten.

Gute Chancen rechnet sich Lawson auch im gegenwärtigen Marktumfeld aus. Nachdem viele Unternehmen Mitte der 90er Jahre ihre Enterprise-Applikationen auch im Zuge der Jahr-2000-Umstellung auf den neuesten Stand gebracht haben, stehe nun ein neuer Wechselzyklus an, behauptet Dean Hager, Senior Vice President für das Produkt-Marketing bei Lawson. Da es jedoch viele Anbieter gar nicht mehr gebe, stünden bei vielen Kunden Ablöseprojekte an. Gerade im Mittelstand seien durch die anhaltende Konsolidierung zahlreiche Softwarehersteller von der Bildfläche verschwunden. Da zudem oft das Vertrauen in die großen Softwarekonzerne fehle, die die kleinen Anbieter geschluckt haben, eröffne dies Möglichkeiten für Lawson.

Für weitere Irritationen sorgten außerdem die Produktstrategien der Big Player. Debes kritisiert in diesem Zusammenhang das Vorgehen des Konkurrenten SAP, der beim Umstieg auf Mysap ERP den Kauf einer neuen Lizenz verlange. Dies gebe es bei Lawson nicht. Im Rahmen der Wartung hätten Kunden immer das Recht, auf das jeweils aktuelle Release umzusteigen. Auch von dem aktuell grassierenden Hype rund um Service-orientierte Architekturen (SOA) hält der Lawson-CEO wenig. Zwar versprächen die Techniken und Standards im Umfeld von Web Services durchaus einen effizienteren Softwareeinsatz. Die Vision, dass sich mit Hilfe von SOA beliebige Applikationskomponenten auch verschiedener Hersteller problemlos miteinander verknüpfen lassen könnten, werde jedoch nie eintreten. Die großen Anbieter hätten daran überhaupt kein Interesse, ist sich Debes sicher. Der Grund: Dieses Szenario würde das Ende von SAP und Oracle bedeuten. Letzten Endes müssten sich die Anwender doch für die Suite eines bestimmten Herstellers entscheiden. Derzeit füllten die Diskussionen um SOA nur die Börsen der Berater.

Schlussendlich seien die Anwender froh, wenn sie neben den großen Applikationsanbietern zusätzliche Alternativen hätten, glaubt Debes. Mit diesem Argument gehen jedoch eine Reihe weiterer mittelständischer Softwarehersteller ins Rennen um den Kunden.

Dabei liefen Lawsons Geschäfte im Heimatmarkt Amerika zuletzt nicht schlecht (siehe auch: Lawson Software steigert Gewinn). Intentia hatte jedoch zuletzt in Europa Probleme (siehe auch: Intentia steckt weiter in den roten Zahlen). Im letzten Geschäftsjahr als unabhängiges Unternehmen schrieben die Schweden bei stagnierenden Einnahmen rote Zahlen. In der jüngsten Lünendonk-Liste der erfolgreichsten Softwareanbieter in Deutschland im Jahr 2005 landete die Intentia Deutschland GmbH auf Platz 24. Nach einem Umsatz von 40,5 Millionen Euro im Jahr 2004 standen im darauf folgenden Jahr nur mehr Einnahmen von 34 Millionen Euro zu Buche (siehe auch: Intentia verschiebt Lawson-Ergebnis in den roten Bereich).

Dieser Rückgang sei auf temporäre Effekte zurückzuführen, wiegelt Franck Cohen, Lawsons Senior Vice President für die Region Emea, ab. Trotz eines harten Wettbewerbs im Heimatmarkt der SAP rechne er mit einem Umsatzwachstum im zweistelligen Prozentbereich. Analysten haben indes Zweifel, ob Lawson seine hochgesteckten Ziele erreichen kann. Nach Einschätzung von Christian Glas von Pierre Audoin Consultants (PAC) kann von einem generellen Ablösezyklus in Sachen Business Software derzeit keine Rede sein. Trotzdem würden sich viele Hersteller immer wieder darauf berufen. In der Realität setzten die Anwender ihre Software so lange ein, wie sie damit zufrieden sind. Wenn die Applikation gut funktioniere, läuft sie zehn Jahre und länger, funktioniere sie schlecht, fliegt sie schon nach kurzer Zeit wieder raus. (ba)