Personalisierung des Lernens

Lernst Du schon oder spielst Du noch?

07.09.2019 von Manuel Nitzsche
Wie hilft die Digitalisierung, Lernende in allen Bildungsstufen zu motivieren und ihre Lernerfahrung zu verbessern? Hier kommen die Grundlagen.

Ob an Hochschulen oder in beruflichen Weiterbildungsprogrammen - hier kommen Lernende mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammen: Manche haben gerade erst die Schule abgeschlossen, andere haben bereits eine Ausbildung hinter sich, und wieder andere haben bereits Berufserfahrung oder studieren sogar berufsbegleitend.

Um seine Träume zu verwirklichen, gibt es viele Wege, die zum Ziel führen.
Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Und genauso unterschiedlich wie die Erfahrungen sind die Lerngeschwindigkeiten und Medienpräferenzen: die Generation Z, von Kindesbeinen an Digital Natives, nutzt ganz selbstverständlich Lernvideos aus dem Netz. Andere arbeiten lieber mit gedruckten oder digitalen Texten oder eignen sich Wissen aus Podcasts an.

Losgröße Eins in der Bildung

Auf diese Unterschiede einzugehen ist eine riesige Herausforderung für die Anbieter von Bildungsprogrammen. Mit welchen Strategien können sie auf diese Herausforderung eingehen?

Und worauf sollten Unternehmen und Nutzer bei der Auswahl von Bildungsprogrammen achten? Die Antwort liefert die Digitalisierung, die nicht nur die Wirtschaft ins Industrie 4.0-Zeitalter katapultiert hat: es ist die Personalisierung des Lernens. Denn der Einsatz von digitaler Technologie macht es möglich. Losgröße eins bei der Bildung heißt Individualität trotz Massen-Ausbildung - übrigens, auch eine große Chance in Zeiten des akuten Lehrermangels.

Individualisiertes Lernen macht den Anfang

Die einfachste Form des personalisierten Lernens ist hierbei das individualisierte Lernen. Dabei werden Lernende von den strengen Zeitvorgaben der Präsenzlehre befreit. Sie können die Lernziele in ihrer eigenen Geschwindigkeit erreichen, Inhalte so oft wie nötig wiederholen und beim Erreichen eines Lernziels sofort weitergehen. Helfen kann dabei beispielsweise das Hosting von Inhalten auf Learning Management-Systemen in der Cloud. Es erlaubt Lernenden, jederzeit, von jedem Ort aus und über unterschiedlichste Endgeräte auf die Lerninhalte zuzugreifen. Vor allem Lernende, die Aus- und Weiterbildung mit Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen, profitieren enorm von dieser Flexibilität.

Entscheidend ist differenzierende Lehre

Differenzierende Lehre geht einen Schritt weiter. Denn Lernende unterscheiden sich nicht nur in ihren Lerngeschwindigkeiten. Nehmen wir als Beispiel eine Weiterbildung zum Social Media Manager, in der eine Spezialistin für Pressearbeit mit langjähriger Berufserfahrung neben einem jungen Eventmanager sitzt. Beide vereint das gleiche Ziel: Am Ende des Kurses wollen sie ihr Unternehmen erfolgreich bei YouTube, Facebook, LinkedIn und Co. repräsentieren.

Doch der Weg unterscheidet sich: während der Eventmanager sich eher für Content Creation interessieren mag, geht es der Pressespezialistin vielleicht um Web Analytics und Live Marketing. Das Beispiel zeigt: für unterschiedliche Lernende sind unterschiedliche Lernpfade zielführend. Doch wie können die unterschiedlichen Bedürfnisse im Rahmen eines einzigen Kurses optimal erfüllt werden? Kunden von Amazon, Cyberport oder Deezer erleben es jeden Tag: smarte Algorithmen und automatisierte Tests können Interessen und Vorerfahrungen der Lernenden erfassen, um den individuell optimalen Lernpfad zu bestimmen - inhaltlich und im Hinblick auf die präsentierten Medien.

Das gleiche Ziel - unterschiedliche Ansätze
Foto: pathdoc - shutterstock.com

Paradigmenwechsel: Vom Wissensvermittler zum Wissenscoach

Aber eine solcher Art personalisierter Lehre ändert natürlich auch Rolle und Selbstverständnis von Lehrenden und Lernenden. Lehrende legen nicht wie bisher lediglich die Lernziele fest und erstellen ein für alle Lerner verbindliches Skript oder einen Foliensatz. Stattdessen müssen sie eigene Inhalte wie Texte, Grafiken und Videos mit fremden Lehrmaterialien - etwa von kommerziellen Inhalte-Anbietern - verzahnen.

Die Herausforderung: eine nahtlose Integration verschiedener Inhalte zu einer medial und inhaltlich bruchfreien Lernerfahrung. Und die Verbesserung der Lernerfahrung ist laut Analysten von IDC für mehr als die Hälfte der europäischen Bildungsanbieter eine Top-Priorität. Automatisierte Tests, mit denen die Lernenden selbst fortlaufend ihren Lernfortschritt überprüfen, liefern Hinweise zum Lernen und steigern den Lernerfolg. Die Lehrenden komplettieren die Lernerfahrungen mit zusätzlichem individuellem Feedback, das sich nicht maschinell erzeugen lässt - durch schriftliche Kommentare in den Tests, in Live-Chats, im Präsenz-Unterricht oder der Sprechstunde.

Lernende bei aktiver Informations-Verarbeitung fesseln

Noch stärker ändert sich die Rolle der Lernenden - sie sind nicht mehr reiner Konsument von Informationen. Stattdessen nehmen sie im Lernprozess eine aktive Rolle ein, arbeiten mit Lehrenden und anderen Lernenden zusammen und steuern ihren eigenen Lernpfad. Das macht Lerninhalte relevant, aber auch viel Arbeit.

Um Lernende zu motivieren und auch bei umfangreichen Bildungsangeboten bei der Stange zu halten, helfen Unternehmen und Bildungsanbietern Ansätze aus der Gamification: die Übertragung von Spiele-Elementen in einen Nicht-Spiel-Kontext. Im einfachsten Fall sind das digitale Rewards und Badges, die den eigenen Lernfortschritt ansprechend visualisieren. Innerhalb der Lernumgebung kann der Vergleich mit anderen Lernenden anspornen, außerhalb der Lernumgebung, beispielsweise für Arbeitgeber und in Unternehmen, kann der Vergleich als Signal für Fähigkeiten und Kompetenzen dienen.

Sich freuen über den Erfolg. Dieser kann anhand von Gamification-Elementen noch spannender werden.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Zentraler Mehrwert durch Technologie und Gamification

Doch auch in anderen Bereichen können Anbieter von personalisierten Bildungsangeboten und Lehrende von Spieleentwicklern lernen. In vielen Kursen wird das Erreichen des Lernziels nur zum Ende hin überprüft - das erhöht den Druck, weil ein Fehlschlag gravierende Konsequenzen hat. Wieso nicht das Lernziel in kleinere Teile aufteilen und, wie in einem Videospiel, in ein individuell wählbares Narrativ einbetten? Damit können die kleineren Einheiten auch ohne großen Aufwand wiederholt werden, und bei jedem Versuch können die Lernenden neue Aspekte des Teilziels erfassen. Dieses Microlearning lässt sich auch bei beruflicher Weiterbildung leicht in den Arbeitsalltag integrieren.
Doch auch konzeptionell hat ein solcher Ansatz klare Vorteile: Lernende können unterschiedlicher Rollen ausprobieren - wie Startup-Gründer, Business Angel oder Investor bei einer innovativen Geschäftsidee - und damit ein umfassenderes Verständnis der Lerninhalte gewinnen.

Fazit

Technologie - insbesondere digitale Technologien wie Cloud, Lernmanagement-Systeme (LMS), Analytics und Sharing - verändert Bildung und Ausbildung deutlich. Lernende können sich Wissen aneignen - wann, in welcher Tiefe und mit welchen Medien auch immer.
Lehrende wiederum können sich auf Tätigkeiten konzentrieren, die maximalen Lerneffekt versprechen - also etwa praxisnahe Rollenspiele moderieren. Damit zeichnet sich eine große Chance für alle Formen der Bildung ab - in Schule, Universität oder Berufsleben, denn in unserer Welt der Singularitäten werden Massen-Ausbildung und individuelle Förderung vereinbar: Losgröße Eins für die Bildung.