In fünf Jahren werden zwei von drei neuen Anwendungen mit Low-Code-Plattformen entwickelt, prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Gartner. Gründe dafür gibt es viele. So sieht Neil Ward-Dutton, Vice President bei IDC, Low-Code als Antwort auf den Personalnotstand in den Entwicklungsabteilungen. Praktiker wie Konrad Nadobny, Senior Data Scientist beim Pharmakonzern Bayer, betonen hingegen die Arbeitserleichterung für erfahrene Entwickler. Low-Code ist also eine Möglichkeit, Anspruch und Wirklichkeit in der Softwareentwicklung zu vereinen.
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Die Latte liegt hoch. So charakterisierte der Gartner-Analyst Paul Saunders kürzlich auf dem "Symposium" in Barcelona die Anwendung der Zukunft folgendermaßen: Sie sei vom Nutzer her konzipiert, im Einklang mit ihm entwickelt und fähig, sich mit ihm weiterzuentwickeln. Ein solcher Anspruch ist mit konventionellen Entwicklungswerkzeugen kaum zu verwirklichen.
Low-Code-Tiefenintegration mit Third-Party-Funktionen
Low-Code-Tools arbeiten mit Modellen und grafischen Elementen; der Entwickler nutzt die Maus statt der Tastatur. Plattformen wie Appian, OutSystems oder Mendix nehmen ihm Routineaufgaben ab, indem sie die repetitiven Tätigkeiten im Hintergrund automatisieren. Und wenn die Anwendungsoberfläche von der Integrationsschicht sauber getrennt ist, lässt sich die Applikation ohne übermäßigen Aufwand "up to date" halten.
Für die Appian-Plattform sprechen laut CEO Matt Calkins die zahlreichen "Connected Systems": Bestimmte von Fremdanbietern bereitgestellte Funktionen lassen sich ohne Programmierarbeit in die Applikationen einpassen - "nicht nur oberflächlich, sondern tiefgehend", wie Calkins in seiner Keynote betonte. "Unsere beliebte Salesforce-Anbindung beispielsweise macht aus Salesforce-Objekten tatsächlich Appian-Objekte."
Theoretisch könne der Kunde jede Funktion integrieren, die ihm zusage, führte Calkins im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE aus. Doch Appian habe sich auf den wichtigsten Anwendungsfeldern für jeweils ein "marktführendes" System entschieden und dafür eine Default-Integration entwickelt.
Künstliche Intelligenz ohne Lizenzkosten
Die neuesten Beispiele für Connected-Systems-Anbindungen sind die Integration des Cloud-Speichers Google Drive und des E-Signature-Tools DocuSign. Außerdem soll der "AWS Signature Version 4 Support" die Authentifizierung für mehr als 100 AWS-Services vereinfachen, darunter S3, Comprehend und Textract. In das Machine-Learning-Entwicklungssystem "AI for Appian" ist jetzt ferner die Möglichkeit integriert, via "Google Cloud Translation" Texte automatisch in unterschiedliche Sprachen zu übersetzen.
Die KI-Entwicklungsumgebung gehört zu einer Reihe von vorgefertigten Anwendungen, die Appian ebenfalls bereitstellt. Es gibt sie beispielsweise für Robotic Process Automation (RPA), konkret: für die Orchestrierung von "gemischten Teams" aus Menschen, Bots und KI-Komponenten, sowie für den Institutional-Onboarding-Prozess, der vor allem in hochregulierten Branchen wie Banken und Versicherungen hochkomplex ist.
AI for Appian beruht auf den KI-Funktionen von Google. Die Partnerschaft zwischen Appian und dem Hyperscaler ist deutlich enger als die mit anderen Third Parties: Der Kunde benötigt nicht einmal eine Google-Lizenz; Google AI ist fester Bestandteil der Appian-Plattform und sogar in der kostenlosen Testversion eingeschlossen.
Low Code inklusive Health Check
Eine weitere Verbesserung in Appian 19.4 betrifft den Komfort der Codebereitstellung für DevOps-Umgebungen. Laut Anbieter können Appian-Entwickler Codeänderungen direkt, sprich: ohne Umweg über die DevOps-Software eines Dritten, von einer Umgebung auf eine andere übertragen.
Vereinfacht hat Appian auch die Bereitstellung von Anwendungen auf mobilen Endgeräten. Sicherheits-, und Deployment-Anforderungen lassen sich jetzt zentral verwalten - im Einklang mit den Standards der AppConfig Community. Möglich sei zudem die Arbeit im "Mobile-Offline"-Modus.
Last, but not least will Appian seinen Kunden in jeder Phase des Anwendungs-Lebenszyklus das gute Gefühl vermitteln, dass ihre Applikation funktional und logisch in Ordnung ist. Dazu dient der automatisierte "Health Check". Er prüft auch, ob die Anwendung bewährten Vorgehensweisen entspricht und welche Risiken sie in Sachen Wartung oder Skalierbarkeit birgt. Im jüngsten Release der Appian-Plattform lässt sich diese Gesundheitsprüfung direkt von der Administrationskonsole einrichten, planen und verfolgen.
Low Code Tools in vier Segmenten
Die auf der Appian Europe 2019 vorgestellten Verbesserungen betreffen vor allem die Entwicklungsplattform. Aber die Stärke von Appian sehen Analystenhäuser wie Gartner und Forrester vor allem in seiner Herkunft aus dem "intelligenten", Modell-getriebenen Business Process Management (iBPM). Die Fähigkeit, mit komplexen Geschäftsregeln, Entscheidungsprozessen und Workflows umzugehen, sei ein Pluspunkt, ebenso die Unterstützung für fortgeschrittene Web-Applikationen und Chatbots, so die Gartner-Einschätzung. Die Appian-Plattform gelte als Enterprise-tauglich, skalierbar und sicher; der Anbieter werde als verlässlicher Partner betrachtet - vor allem seit dem Börsengang im Jahr 2017.
In seinem "magischen Viereck" verzeichnet Gartner unter dem Schlagwort Low-Code so unterschiedliche Softwarewerkzeuge wie PowerApps von Microsoft, die Entwicklungsplattformen von Mendix und Appian sowie die Development Tools von Lösungsanbietern wie Salesforce oder ServiceNow. Die Analysten von Forrester unterscheiden vier sich überlappende Segmente:
Low-Code für professionelle Anwendungsentwickler; hier finden sich beispielsweise die Tools der Anwendungsspezialisten, aber auch OutSystems und Mendix;
Low-Code für Business-Entwickler; dazu zählt Forrester unter anderen Google AppMaker, Tibco Cloud Live Apps und Betty Blocks;
Tools für die Prozessautomation in der Fläche; sie eignen sich nicht unbedingt für komplexe Prozesse, sind aber relativ kostengünstig; typische Vertreter sind AgilePoint, Axon Ivy, FlowForma und Newgen Software;
Tools für die Prozessautomation in der Tiefe; hierher gehören beispielsweise Isis Papyrus, Kofax, OpenText, Pegasystems sowie Appian.
Vertrauensbildende Maßnahme für Neukunden
Negativ bewertet Gartner die laut Referenzkunden wenig flexible Lizenzpraxis von Appian. Wie Calkins einräumt, ist die Software "alles andere als billig". Für Neukunden hat der Anbieter allerdings ein besonderes Angebot in petto: Die "Appian-Garantie" verspricht dem Erstanwender ein Projekt zum Fixpreis von 150.000 Dollar (120.000 Euro), das innerhalb von acht Wochen fertiggestellt sein soll - sofern sich der Kunde auf gewisse "Standardbedingungen" einlässt, wie etwa den Bezug der Software aus der Cloud und eine vorangegangene User-Beschreibung. Laut IDC erzielen Appian-Anwender den Break-even nach durchschnittlich sieben Monaten.
Trotzdem haben in Deutschland bislang nur etwa 30 Großunternehmen angebissen. Das klingt nicht eben nach einem durchschlagenden Erfolg. Dirk Pohla, Managing Director DACH, kontert mit zwei Argumenten: Appian wurde zwar schon 1999 gegründet, ist aber erst seit sechs Jahren auf dem kontinentaleuropäischen Markt tätig. Außerdem wende man sich nicht an den Massenmarkt, sondern vor allem an große, häufig ingenieurgetriebene Unternehmen: "Hier geht es um Zuverlässigkeit und Vertrauen, und das will langsam erworben werden."