Was Informatiker antreibt

Lust auf Innovation

11.11.2012 von Alexandra Mesmer
Sie arbeiten dort, wo sich viele Informatiker hinwünschen. Wir haben Young Professionals gefragt, warum sie sich für BMW, Microsoft, die Deutsche Telekom oder die Fraunhofer-Gesellschaft entschieden haben.

Miriam Ney, Microsoft

Wie kannst du nur für einen Monopolisten arbeiten?" Auch mit solchen Vorwürfen sieht sich Miriam Ney konfrontiert, wenn sie ihren Arbeitgeber nennt. Die Begeisterung für ihren Job als Beraterin bei Microsoft schmälert das nicht: "Ich habe erwartet, dass ich herausgefordert werde. Und das ist eingetreten. Jeder Tag ist spannend. Das ist cool." Mit den neuesten Technologien arbeiten, immer dazulernen, viele neue Menschen kennenlernen, reisen und auch internationale Kontakte knüpfen: Ney wusste genau, was sie wollte.

Miriam Ney, Microsoft: "Ich werde jeden Tag herausgefordert. Das ist spannend."
Foto: Microsoft

Während ihres dualen Bachelor-Studiums der Informationstechnik in Mannheim und dem Master in Informatik hatte sie für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gearbeitet. Das schärfte ihren Blick auf die berufliche Zukunft: "Ich wollte lieber in der Industrie als in einer staatlichen Einrichtung arbeiten", sagt die 25-Jährige. Von einem Freund erfuhr sie von MACH, dem zweijährigen Traineeprogramm von Microsoft. Eine Bewerbung, zwei Auswahlgespräche und ein Assessment Center später hatte Ney die Zusage für einen der begehrten Plätze in der Tasche. Jährlich 2500 Bewerbungen erhält der Softwarehersteller hierzulande für die insgesamt 40 Plätze. Ein harter Auswahlprozess? Nicht für Ney, die das Assessment Center als "angenehm" empfand: "Natürlich stand man anfangs unter Stress, aber das Klima war freundlich, die meisten Microsoft-Manager durften wir duzen, man entspannte sich schnell." Hilfreich war auch das Feedback danach.

Trainings und Netzwerkveranstaltungen in den USA, Paris und Prag prägten das erste Jahr des Traineeprogramms, das Ney hinter sich hat. Seit Februar ist sie als technische Beraterin für die Collaboration-Plattform Sharepoint im Einsatz. Vier Tage pro Woche ist sie beim Kunden vor Ort, einem Konzern, der für 200.000 Mitarbeiter Sharepoint einführen will. Mit ihren Kollegen schreibt Ney Guidelines für die Einführung und konzipiert Trainings für die Mitarbeiter. Sie lernt on-the-Job, hat einen Senior Consultant als Ansprechpartner zur Seite und kann die im Studium erworbenen Methoden gut einsetzen. Ähnlich wie in der Forschung fühlt sich die Informatikerin mit einem Arbeitgeber wie Microsoft vorne dran. Nur mit dem Unterschied, dass aus Technologien Produkte werden, die neu eingesetzt werden. Das macht für sie den Reiz aus, zumal sie die Praxis auf ihre Art herausfordert: "In den Teams haben, anders als im Studium, nicht alle den gleichen Kenntnisstand, sondern unterschiedlichste Erfahrungen." Diese gilt es zusammenzubringen.

Tobias Bergtholdt, Deutsche Telekom

Den Blick fürs große Ganze fand Tobias Bergtholdt in seinem früheren Job als IT-Berater bei Accenture nicht. Nach dem Studium der technischen Informatik in Mannheim beriet Bergtholdt TK-Firmen, die Softwarelösungen einführten. Ihm wurde klar, dass ihm der Fokus auf Technik nicht reichte: "Ich wollte weg vom technischen Detailwissen und mich mehr mit strategischen Themen beschäftigen. Dafür habe ich bei der Deutschen Telekom ein perfektes Umfeld gefunden." Seit zweieinhalb Jahren arbeitet er in der Produktentwicklung des TK-Konzerns.

Tobias Bergtholdt hat bei der Deutschen Telekom eine für ihn perfekte Kombination aus Technik und Strategie gefunden.
Foto: Telekom

Als Senior Manager für Business Development im Bereich Cloud Computing kommt der 28-Jährige dem großen Ganzen näher. Aus welchen Komponenten soll eine Cloud-Plattform für mittelständische Firmen bestehen? Wie soll das Geschäftsmodell aussehen? Lässt sich das Modell auf andere Länder übertragen? Antworten auf diese und andere Fragen galt es zu finden. Bergtholdt und sein Team kümmern sich um die Weiterentwicklung der Cloud-Plattform "Business Market Place", die kleine und mittelständische Unternehmen als Kunden anvisiert, und um deren technische Schnittstellen.

Sein Fachwissen und die im Studium erworbene Fähigkeit, logisch und strukturiert vorzugehen, halfen dem Informatiker von Anfang an. Bergtholdt nennt ein Beispiel: "Wir mussten für den neuen Bereich Hosting Services eine Technologiestrategie ausarbeiten, die verschiedenen Optionen aufzeigen und sie bewerten. Da hilft es sehr, die große Strategie in kleinere Teilmodule herunterzubrechen." Neu ist für ihn die Dimension. Praxisarbeiten und Übungen an der Universität sind überschaubar, das an ihnen erprobte Handwerkszeug muss er nun in komplexen Projekten anwenden und unterschiedlichste Abhängigkeiten berücksichtigen. Er lernt jeden Tag etwas dazu, das gefällt ihm. Wie er sich früher in eine Programmiersprache schnell einarbeitete, erschließt er sich heute Methoden wie Scrum, mit der seine Abteilung arbeitet: "Scrum erlaubt, Projekte und Themen schneller voranzutreiben, das kommt mir sehr entgegen." Dass die Telekom mal ein Staatskonzern war, merkt Bergtholdt nur noch selten. Er hat sich bewusst für ein Großunternehmen entschieden, weil sich ihm hier mehr Weiterbildungsschancen eröffnen als in kleineren Firmen.

Traumarbeitgeber der Informatiker 2012
Wo wollen junge Informatiker gern arbeiten?
Die Beratung Trendence befragten 583 Young Professionals, die ein (Wirtschafts-)Informatikstudium abgeschlossen haben und eine Berufserfahrung von einem bis acht Jahren haben.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt...
...landete auf Platz 25 der attraktivsten Arbeitgeber für Informatiker.
Die Deutsche Bank..
ist hierzulande eines der Anwenderunternehmen mit den größten IT-Abteilungen. Für die Young Professionals auf Platz 24.
Uwe Dumslaff, CTO von Capgemini,..
...hat 400 offene Stellen im Jahr zu besetzen. Der IT-Dienstleister kam auf Platz 22 des Arbeitgeber-Rankings ebenso wie...
die Max Planck Gesellschaft.
Forschen steht bei jungen Informatikern hoch im Kurs.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
kurz BSI ist die einzige Behörde, die es unter die attraktivsten Arbeitgeber geschafft hat. (Platz 19)
Der EADS- Konzern...
, hier im Bild der Airbus A350, landete ebenfalls auf Platz 19.
Daimler...
..stellt Autos her, die Informatiker ansprechen und teilt sich Platz 19 mit dem BSI und EADS.
Die Lufthansa...
gehört schon seit Jahren zu den beliebten Arbeitgebern, dieses Mal auf Platz 18.
Der Volkswagen Konzern,..
...hier im Bild die Autostadt in Wolfsburg, kommt bei Informatikern auf Platz 17.
Die Boston Consulting Group....
schafft es auf Platz 16 und ist einer von drei Unternehmensberatungen unter den Top 20 der attraktiven IT-Arbeitgeber.
Mit McKinsey..
folgt die nächste Unternehmensberatung auf Platz 15.
Die Deutsche Telekom..
..und Deutschlands größter IT-Dienstleister T-Systems kommen auf Platz 14. Aktuell hat der Konzern mehr als 100 offene Stellen zu besetzen.
Claudia Eckert, Leiterin des Fraunhofer Aisec..
...kann sich freuen: Die Fraunhofer Gesellschaft ist auf Platz 13 gelandet und damit die Forschungsinstitution, die am besten platziert ist.
Accenture...
..ist auf Rang 12 die beliebteste IT-Beratung für junge Informatiker.
Der Bosch-Konzern...
nicht nur bekannt für Bohrmaschinen, sondern einer der größten Automobilzulieferer hat es auf Rang 11 geschafft.
Porsche,
...ebenfalls auf Platz 9, ist einer von drei Autobauern unter den Top Ten. Attraktive Produkte strahlen auf das Image als Arbeitgeber ab.
Siemens
war noch vor zehn Jahren der beliebteste Arbeitgeber für Informatiker, heute kommt Deutshclands größter Konzern nur noch auf Rang 7.
Audi..
...auf Platz 6 ist nicht nur unter jungen Informatikern beliebt, sondern auch unter Young Professionals anderer Fachrichtugnen, die den Ingolstädter Konzern sogar auf den zweiten Rang wählten.
SAP..
...hier im Bild Aufsichtsratschef Hasso Plattner und Co-CEO Jim Hagemann Snabe, hat es auf den 5. Platz geschafft.
Apple...
..hat attraktive Produkte und kommt darum auf Rang vier. Mit Informationen zu Bewerbung, offenen Stellen oder Karriere hält sich der Konzern aber zurück.
Mit BMW..
auf Rang 2 schaffte es erstmals ein Autobauer unter die Top 3 der IT-Arbeitgeber. Für Projekte wie Connected Drive suchen die München jede Menge IT-Experten, im ganzen Konzern sind derzeit etwa 130 IT-Positionen zu besetzen.
Und der Sieger ist..
...einmal wieder und mit großem Abstand Google. Im Münchner Büro arbeiten etwa 130 Technikspezialisten für den Internet-Konzern, der seinen Mitarbeiter ...
..kostenloses Essen anbietet.
Davon machen die Googler gern Gebrauch, so dass sie im Schnitt sieben Pfund, manchmal auch sieben Kilo zunehmen.

Niels Fallenbeck, Fraunhofer

Nie wieder Forschung, dachte Niels Fallenbeck, als er seine Promotion in Informatik an der Universität Marburg abgeschlossen hatte: "Als Akademiker lebt man in einer Blase, losgelöst von der realen Welt." Also entschied er sich für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, war aber nach zwei Monaten "geläutert". Seine Aufgabe, IT-Systeme zu prüfen, hatte mit seinen Schwerpunkten Grid Computing, verteilte Systeme und Virtualisierung wenig zu tun. So bewarb er sich initiativ beim Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit (Aisec) in Garching, das 2009 gegründet wurde und seitdem stark wächst. Schnell erhielt er eine Zusage und wusste, dass er sein "Optimum" gefunden hatte: "Ich will Dinge ausprobieren und entwickeln können. Forschung im Auftrag von Unternehmen, wie sie die Fraunhofer-Institute machen, ist eine gesunde Mischung."

Niels Fallenbeck, Fraunhofer Aisec, informiert oft auf Messen über Cloud Computing.
Foto: AISEC

Fallenbeck spornt es an, reale Probleme zu lösen. Als Verantwortlicher für Cloud Computing redet er oft mit mittelständischen Firmen, die Cloud Computing nutzen wollen, aber nicht wissen, was dahintersteckt. Wer kauft es? Wie teuer ist die Lösung? Solche Fragen muss sich Fallenbeck als Forscher, der seine Blase verlassen hat, heute stellen. "Das ist auch gut so, so lernt man wirtschaftliches Denken", sagt der 33-Jährige. Zu seinen Aufgaben gehört es, bestehende Kunden zu betreuen und neue zu gewinnen. Darum ist er oft auf Messen oder Veranstaltungen der IHK zu Gast, um über Cloud Computing zu referieren. Auch an der benachbarten TU München, zu der das Aisec enge Beziehungen unterhält, hat Fallenbeck schon Seminare abgehalten. Zudem lotet er aus, welche Fördermöglichkeiten es für die Projekte gibt, und schreibt Projektentwürfe, um die finanzielle Unterstützung zu gewinnen.

Sein fachliches Wissen kann Fallenbeck nahtlos einsetzen, die praxisbezogene Forschung lässt ihm Spielräume, die er in der Industrie vermisst hat: Er kann seine Arbeit mitgestalten und auch zeitlich flexibel einteilen. Dafür nimmt er in Kauf, dass er nur einen befristeten Vertrag hat und nicht so große Gehaltssprünge wie in der Industrie machen kann: "Freiheit ist mir wichtiger als viel Geld."

Veneta Dobreva, BMW

Fragt man Veneta Dobreva, warum sie sich bei BMW beworben hat, braucht die promovierte Informatikerin nicht lange zu überlegen. Ja, natürlich habe sie Beste-Arbeitgeber-Rankings verfolgt, in denen der bayerische Autobauer stets auf den vorderen Plätzen lag. Entscheidend war ihr Wunsch, dass sie das, was sie programmiert, auch sehen kann. Hier bietet das Auto den idealen Rahmen, findet Dobreva: "Software im Auto ist ein recht neues Thema und wird immer wichtiger. Da will man als Entwickler dabei sein und mitgestalten."

Veneta Dobreva, BMW: "Im Auto kann ich sehen, was ich programmiere."
Foto: BMW

Eine Erwartung, die sich für die 29-Jährige nach ihrer Promotion an der TU München mit dem Jobstart bei BMW erfüllt hat. Mit einem Team aus Softwareentwicklern arbeitet Dobreva am Projekt "Energie-Management im Auto". Dort regulieren die Softwareentwickler etwa, ob die Sitzheizung den Strom von der Autobatterie oder einer anderen Erzeugerquelle bezieht. Dobreva erstellte ein Test-Framework, mit dem sich Tests für die einzelnen Softwaremodule schreiben lassen. "Bei uns hat das Testen einen sehr hohen Stellenwert, schließlich geht es immer um die Sicherheit des Autofahrers. Bei 180 Stundenkilometern auf der Autobahn darf kein sicherheitskritischer Softwarefehler auftreten." Im zweiten Schritt überprüft die Entwicklerin im Testfahrzeug, ob die Software funktioniert.

Eine Software zu strukturieren, zu entwickeln und gut zu dokumentieren hat Dobreva während ihres Studiums verinnerlicht, so dass sie die im Hörsaal erworbenen Kenntnisse in der Praxis umsetzen kann. Anders verhält es sich in Sachen Kommunikation. "Viele Funktionalitäten werden nicht von Fahrzeugentwicklern festgelegt. Die Herausforderung für die Softwareentwickler ist es, diese Spezifikationen in Alghorithmen zu übersetzen." Dobreva selbst gehört nicht zu den Informatikern, die sich hinter Codezeilen verstecken: "Informatiker sollten sich so ausdrücken, dass die anderen sie verstehen." Gerade in Konzernen wie BMW sei es wichtig, zu kommunizieren. Einzelgänger stießen schnell an ihre Grenzen.