"Erst der Umstieg beim Messaging machte das Projekt rentabel"

Maico mailt auf Linux-Basis

20.05.2005 von Jan Schulze
Im Rahmen einer großen Hardware-Erneuerung hat sich die Maico Elektroapparate-Fabrik auch gleich Linux ins Haus geholt. Um das Projekt wirtschaftlich zu gestalten, wurde dabei der Microsoft Exchange Server durch eine Linux-Anwendung ersetzt.

Die Maico Elektroapparate-Fabrik GmbH aus dem schwäbischen Villingen-Schwenningen kann auf eine traditionsreiche Vergangenheit zurückblicken. Das Unternehmen, das vor allem wegen seiner Haus- und Lüftungstechnik bekannt ist, besteht seit über 75 Jahren und beschäftigt rund 230 Mitarbeiter. Wie in vielen mittelständischen Unternehmen, hat auch bei Maico die IT und speziell die Hardware eine lange Lebensdauer. Doch im Sommer 2003 war es so weit: Das Rückgrat der Datenverarbeitung - vor allem Windows-NT4-Server und eine AS/400 - war kaum noch in der Lage, die Geschäftsprozesse des Unternehmens zu unterstützen. Die Hardware konnte die Last nur noch mit Mühe bewältigen, und vor allem der Mail-Server platze aus allen Nähten, erinnert sich Harald Bantle, als Bereichsleiter Logistik Mitglied der Geschäftsleitung und für die Maico-IT zuständig.

Update oder Wechsel?

Zudem war mit der bestehenden IT die Servicequalität nicht sichergestellt: Eine Umfrage unter den Fachabteilungen ergab, dass die Verfügbarkeit der IT-Systeme nicht in allen Bereichen ausreichend sichergestellt war und auf mittlere Sicht verbessert werden musste. Das war jedoch auf der bestehenden Hardware und mit dem betagten Betriebssystem nicht realisierbar.

Da ein größeres Migrationsprojekt also unvermeidlich war, kamen die bestehenden Plattformen und Anwendungen gleich mit auf den Prüfstand. Denn auch hier waren Veränderungen in absehbarer Zeit notwendig: Als Messaging- und Groupware-Lösungen hatte Maico Microsofts "Exchange 5.5" auf Basis von Windows NT 4 im Einsatz. Bereits zu Projektbeginn im Herbst 2003 war klar, dass der Support für das Betriebssystem Ende 2004 eingestellt würde. So standen dem Lüfterhersteller mehrere Optionen offen: Die neu zu beschaffenden Server könnten mit einer neueren Windows-Version betrieben werden, etwa Windows 2000 oder Windows Server 2003. Als Messaging-Plattform hätte dann ein aktueller Exchange-Release zum Einsatz kommen können. Ebenfalls wäre beim Betriebssystem-Upgrade ein Umstieg auf die IBM-Groupware "Lotus Notes" möglich gewesen. Allerdings wurden auch Alternativen zum reinen Betriebssystem-Update in die Überlegungen mit aufgenommen, und es wurde der Wechsel auf das Open-Source-Betriebssystem Linux diskutiert - zumindest für einen großen Teil der IT-Landschaft des Unternehmens. Maico entschied sich schließlich für diese Variante.

Nicht kleckern, sondern klotzen

Damit wollte das Unternehmen jedoch nicht die Microsoft-Plattform komplett verbannen, wie Bantle betont. Vielmehr ist die Entscheidung für eine Erweiterung der Betriebssystemlandschaft strategisch begründet: "Unser Ziel ist es seit langem, mit der IT die Geschäftsprozesse möglichst gut zu unterstützen. Linux sollte unsere Infrastruktur um offene Schnittstellen ergänzen und uns künftig bei der Produktauswahl flexibler machen. Wir wollen schließlich Lösungen nicht danach aussuchen, was zu unseren Betriebssystemen passt, sondern danach, was unsere Probleme am besten löst." Und auch das oft zitierte Argument, Linux sei kostenlos, lässt der IT-Chef nicht gelten. Sowohl das Betriebssystem als auch die notwendigen Wartungs- und Support-Verträge kosten Geld.

Auf große Erfahrungen im Linux-Umfeld konnten die drei IT-Mitarbeiter von Maico nicht zurückblicken. Zwar war bereits seit einiger Zeit eine Lagersteuerung auf Basis des offenen Betriebssystems im Unternehmen vorhanden, doch wurde diese überwiegend von einem externen Dienstleister betreut. Die eigene Mannschaft kümmert sich grundsätzlich ausschließlich um den täglichen Betrieb der Maico-Systeme und baut für alle anderen Aufgaben auf ein bewährtes Partnernetz.

Rundumschlag spart Kosten

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Aus wirtschaftlichen Gründen entschied sich Bantle für ein großes Projekt: In einem Rundumschlag sollten mehrere Datei-Server, der Authentifizierungsdienst sowie der Fax- und der Groupware-Server auf neue Hardware umziehen und mit Suse Linux ausgestattet werden. Denn der Austausch einfacher Server allein bietet aus Sicht des DV-Leiters noch kein ausreichendes Sparpotenzial im Vergleich zu einer Windows-Umgebung. "Da wir kein Linux-Know-how hatten, kamen Schulungs- und Trainingsaufwendungen für die IT-Mitarbeiter auf uns zu", argumentiert Bantle.

Die relativ geringen Einsparungen bei den Betriebssystemlizenzen wären durch das notwendige Training wieder wettgemacht worden. An Hardware und Beratung konnte ebenfalls nicht gespart werden. Im Zentrum der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung stand somit die Mail- und Kalenderlösung: "Bei Groupware fallen hohe Lizenzkosten an. Deswegen bestehen gerade hier auch große Einsparpotenziale", erläutert Bantle und erklärt damit, warum diese Anwendung eine so zentrale Stelle in den Überlegungen einnahm. Als Unternehmen mit einer kleinen IT-Abteilung ist Maico auf die Hilfe von Dienstleistern angewiesen. Hier pflegt das Unternehmen seit langem enge Partnerschaften, unter anderem zu IBM. Da die neue Hardware von IBM bezogen werden sollte, wandte sich Bantle auch wegen der Messaging-Lösung an Big Blue. 3

Gemeinsam mit dem Partner evaluierte Maico mehrere Linux-basierende Systeme, die von IBM und deren Partnern vertrieben werden. Schließlich entschied sich das Unternehmen für das Produkt "Scalix" des gleichnamigen Herstellers - obwohl die Software erst seit kurzem in Deutschland verfügbar ist. Ausschlaggebend war laut Bantle, dass Scalix eine weit gehend automatische Migration der bestehenden Anwenderdaten von Exchange auf die neue Plattform möglich machte: "Bei den anderen Lösungen, die wir evaluiert haben, wäre für den Umzug viel Handarbeit notwendig gewesen." Auch hatte der IT-Chef kaum Bedenken, eine wenig bekannte Software ins Haus zu holen - obwohl E-Mail im Unternehmen geschäftskritisch ist. Scalix basiere schließlich auf dem bewährten HP Openmail, so Bantle.

Training für die Admins

Allerdings fiel den Administratoren der Umstieg von Exchange und Windows auf Scalix unter Linux nicht ganz leicht: Die zu Beginn eingeführte Version 8.0 der Messaging-Lösung musste komplett über eine Konsole verwaltet werden, grafische Administrationswerkzeuge gab es nicht. "Wir mussten die IT-Mitarbeiter zwei Tage auf Schulung schicken", so Bantle. Ebenfalls seien einige Tage Training für den Umgang mit Linux notwendig gewesen. Inzwischen wurde die Messaging-Software auf Versionsstand 9.1 gebracht - hier lassen sich bereits die wichtigsten Administrationsaufgaben in einer Browser-basierenden grafischen Oberfläche erledigen.

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Auch andere, allerdings kleinere Probleme gab es mit der damaligen Scalix-Version. So war etwa der 9.0-Release noch nicht vollständig an den deutschen Markt angepasst: Benutzerordner durften zum Beispiel keine Umlaute enthalten. Auch die Menüs, die die Anwender anstelle der gewohnten Exchange-Menüs sahen, waren nicht immer aus dem Englischen übersetzt. Doch diese Mankos konnten durch das Update ebenfalls behoben werden.

Unterm Strich ist Bantle mit der Lösung hoch zufrieden: "In Verbindung mit Outlook-Clients bemerkten die Benutzer fast nichts davon, als der Exchange-Server weg war und das neue System produktiv ging." Die Linux-Server und die Messaging-Plattform laufen stabil. Zudem seien allein die Lizenzkosten um rund 30 Prozent geringer als bei den marktführenden Produkten.

Da Maico viele Kunden im Nachtsprung beliefert und damit nur geringe Zeitpuffer vorhanden sind, ist die E-Mail-Plattform als eine wichtige Kommunikationsdrehscheibe unternehmenskritisch. Durch eine Umfrage in den Fachabteilungen ermittelte der IT-Leiter, dass die Groupware maximal vier Stunden lang nicht verfügbar sein dürfe, um Schaden für Maico zu vermeiden. Deswegen peilte der Lüftungshersteller eine möglichst hohe Verfügbarkeit an: Im Laufe des Jahres ist daher vorgesehen, Scalix - wie die meisten Netzwerkdienste des Unternehmens - auf zwei Blade-Centern von IBM betreiben zu können. Mit Hilfe einer SAN (Storage Area Network)-Architektur kann beim Ausfall eines Servers ein anderer Server die Datenplatten und Dienste übernehmen. Auch die neuen i/5-Server sind redundant vorhanden.

Insgesamt verlief das Projekt aus Bantles Sicht erfolgreich: "Sicher wäre ein sukzessiver Roll-out wesentlich entspannter gewesen. Aber unsere veraltete Hardware, der auslaufende NT-4-Support und das strategische Ziel, eine bessere Verfügbarkeit der Systeme zu erreichen, ließen uns hier kaum eine andere Wahl." Durch die Einsparungen bei den Groupware-Lizenzen werde sich das Projekt mittelfristig rechnen.

Stressig, aber erfolgreich

Auch weiterhin wird Maico Windows-Rechner einsetzen und einführen. Die Entscheidung für Linux fiel aus rein pragmatischen und wirtschaftlichen Gründen. Dennoch gehört Linux nun zu den gesetzten Betriebssystemen: "Wir werden auf jeden Fall auch Linux-Desktops prüfen", so der DV-Leiter. Allerdings rechnet er dabei mit Widerständen der Anwender. Diese seien Windows gewöhnt. Bei der Einführung eines neuen Betriebssystems an den Clients müssten also die Mehrwerte für die Benutzer ganz klar erkennbar sein. Hier ist Bantle noch skeptisch. (uk)

Jan Schulze, freier Journalist in Erding bei München.