E-Mail-Archivierung

Mailboxen verwalten reicht nicht

27.07.2007 von Sascha Alexander
Fachanwender können rechtlich relevante Nachrichten und Dokumente eigenständig verwalten und für die schnelle Suche aufbereiten.

Noch vor wenigen Jahren mussten Unternehmen bei der E-Mail-Archivierung eine grundsätzliche Entscheidung treffen: entweder sie kauften Produkte, die in erster E-Mail-Systeme wie Microsoft Exchange, Lotus Domino oder Novell Groupwise bei der Verwaltung und Speicherung ihrer Daten (Mailboxen) entlasten halfen oder sie mussten spezialisierte Lösungen anschaffen, wenn es um die regelmäßige Kontrolle und Bereitstellung rechtlich relevanter Inhalte in den Nachrichten ging. Diese Unterscheidung ist laut einer Untersuchung von Gartner zu "aktiven" E-Mail-Archivlösungen heute nicht mehr nötig. Vielmehr entsteht ein eigener Markt integrierter Produktplattformen für beide Aufgaben, der nach Neulizenzen bemessen allein 2005 um 43 Prozent wuchs und bis 2011 die Eine-Milliarde-Dollar-Grenze überschreiten könnte. Zwar verlangsamte sich im letzten Jahr das Wachstum. Dies sei laut Gartner aber in erster Linie darauf zurückzuführen, dass zunehmend günstigere Angebote auf dem Markt kommen.

Dargestellt sind die Marktanteile nach Lizenzumsatz für das Jahr 2006. Symantec ist im Bereich aktive E-Mail-Archivierung klarer Marktführer. Der Markt hatte 2006 ein Gesamtvolumen von 206,9 Millionen Dollar.
Foto: Gartner

Solche aktiven Archivsysteme sind laut Gartner keine Dateiablage, sondern lassen den Fachanwender wichtige Unterlagen ohne Hilfe der IT organisieren. Neben der Verwaltung von E-Mails können entsprechende Angebote mittlerweile Dateisysteme, SAP-Dokumente, Content vom Microsoft Office Sharepoint Server oder Nachrichten aus Instant-Messaging-Programmen einbeziehen. Ebenso gehören Schnittstellen zu Lösungen für ein Records-Management zum Standard, oder die Archivlösungen besitzen hierfür eigene Funktionen.

Dennoch bleiben die Produkte im Detail sehr unterschiedlich. Dies betrifft ihre Skalierbarkeit und insbesondere die gebotenen Möglichkeiten zu automatischen oder manuellen Klassifizierung sowie zur Indizierung und gezielten Suche von Unterlagen und Nachrichten im Archiv. Zugleich steigen mit der Verbreitung die Anforderungen der Kunden an die Systeme. So äußern diese immer öfter den Wunsch, Nachrichten detaillierter nach ihrer aktuellen Bedeutung ordnen und ihnen zugleich Benutzergruppen dynamisch zuweisen zu können.

Typisch für den jungen Markt für E-Mail-Archivlösungen ist seine große Dynamik und Zersplitterung (siehe Grafik "Marktanteile nach Neulizenzgeschäft). So seien laut Gartner von den 2005 in einem ersten Bericht genannten Anbietern nur noch drei übrig geblieben, dafür viele andere hinzugekommen. Neben den Herstellern Symantec, EMC, Zantaz und Computer Associates, die gemessen am Neulizenzgeschäft zusammen einen Marktanteil von 61 Prozent haben, zitiert das Analystenhaus die Hersteller IBM, Waterford, Messaging Architects, Hewlett-Packard, Quest, ZL Technologies, C2C, Mimosa Systems, Common Vault, AXS One und Open Text. Diese haben Marktanteile zwischen drei und einem Prozent und können weitere 25 Prozent der Lizenzumsätze für sich verbuchen. In einer dritten Gruppe finden sich "andere Anbieter", die es gemeinsam auf 14 Prozent bringen. Hinzu kommen Firmen, die Gartner nicht in die Übersicht einbezog, weil sie nur Teilaspekte abdecken, zu dem noch zu wenig untersuchten Marktsegment der Anbieter mit Outsourcing-Diensten für E-Mail-Archivierung zählen oder schlicht von Kunden bisher nie genannt wurden.

Symantec setzt auf Integration

Klarer Marktführer mit einem Lizenzanteil von 33 Prozent ist derzeit Symantec mit dem Produkt "Enterprise Vault". Die Archivlösung unterstützt Unicode und erfasst und verwaltet E-Mails, Dateien, Inhalte aus dem Microsoft Sharepoint Server und Nachrichten aus Instant-Messaging-Programmen in über zehn Sprachen. Letztere Option erfordert keine Konvertierung der Nachrichten in ein E-Mail-Format, wie dies bislang nötig war. Unter der Haube arbeiten in der aktuellen Version 7.0 zwei Klassifizierungs-Engines, mit denen sich Inhalte automatisiert regel- und Policy-basierend oder manuell durch Endanwender detailliert für die spätere Suche auszeichnen (Tagging) lassen. Über Produkte von Partnern und Konnektoren ist es ferner möglich, das System mit anderen Umgebungen zu kombinieren. So sind Schnittstellen zu Datenbanken, dem Dienst Bloomberg, SAP-Umgebungen, "Blackberry"-Clients, Faxgeräten sowie zu Speichersystemen von EMC verfügbar. Konnektoren gibt es zu gängigen Records-Management-Lösungen von EMC/Documentum, Computer Associates, Open Text (Hummingbird, Livelink), Oracle/Stellent und dem "IBM DB2 Content Manager". Ein Schwerpunkt der Produktstrategie bildet das Zusammenspiel mit Microsoft-Produkten, die sich neben der Sharepoint-Anbindung in der Integration in Windows Desktop Search und den "Rights Management Server" sowie "Microsoft Entourage" für Macintosh offenbart. (siehe auch den ausführlichen Produktvergleich zwischen Symantec und EMC)

Laut Gartner investiert Symantec weiterhin stark in die Funktionen und den Ausbau des Supports für Enterprise Vault, der laut Kunden im letzten Jahr wesentlich besser geworden sein soll. Insgesamt mache das Produkt einen "robusten" Eindruck und sei besonders geeignet,

Skalierbare Lösung von EMC

Einen durchwachsenen Erfolg kann bisher EMC, mit 14 Prozent Marktanteil die Nummer zwei nach Lizenzumsetzen, vorweisen. Der Hersteller hatte zunächst auf die Archivsoftware "EmailXtender" gesetzt, dann aber ein neues Produkt vorgestellt, das technisch auf der Produktplattform der ECM-Software von Documentum basiert. Es sollte insbesondere Großunternehmen ansprechen, fand aber dort laut Gartner nur geringen Zuspruch. So muss es wohl die neue Version 4.8 von EmailXtender richten, die im Dezember 2006 herauskam. Sie adressiert vorrangig an Groupware-Umgebungen mit Lotus Notes oder Microsoft Exchange, kann aber ebenfalls Inhalte von Bloomberg, Instant-Messaging-Programmen und Unix Sendmail verwalten.

Zu den neuesten Entwicklungen gehört die Möglichkeit, Archive in einer lokalen Kopie auf den Client zu speichern. Dank der Integration von Klassifizierungstechnik des Anbieters Orchestra ist ferner ein umfassendes Tagging der Nachrichten für die spätere Indizierung und Suche möglich. Verfügbar sind auch Funktionen zur automatisierten Verwaltung von Compliance-Anforderungen, während ausgeprägte und robuste Suchmechanismen laut Gartner fehlen beziehungsweise manuelles Codieren erforderlich machen. Wie Symantec hat auch EMC in der letzten Zeit seinen internationalen Support ausgebaut. EmailXtender ist unter anderen auf englisch und deutsch erhältlich und sollte laut Gartner insbesondere dann evaluiert werden,

Zantaz - nicht nur für Juristen

An dritter Stelle nach Lizenzumsatz rangiert der Anbieter Zantaz. Er wurde kürzlich vom Suchmaschinenhersteller Autonomy erworben und soll Teil einer umfassenderen Produktsuite für Compliance und Governance werden. Die Zantaz "Enterprise Archive Solution" ist aktuell in Version 5.0.2 auf dem Markt und war ursprünglich als Erweiterung für Lotus Domino konzipiert. Mittlerweile werden von der Archivsoftware ebenso Nachrichten aus Microsoft Exchange, Microsoft Sharepoint, Microsoft Entourage und Dateisysteme erfasst und die Funktionen für die Suche rechtlich relevanter Inhalten ausgebaut (siehe auch den Beitrag "Datenarchiverung – ganz nach Vorschrift"). Durch den Kauf der Firma Singlecast kann Zantaz Aufgaben im Compliance- und E-Mail-Policy-Management abdecken.

Fokus der Produktentwicklung bleibt aber die Erweiterung der Software um spezielle Optionen für die Verwaltung juristisch relevanter Inhalte - ein Feature, dass insbesondere US-Unternehmen und große Kanzleien nachfragen. Seit März 2006 bietet Zantaz mit "First Archive" mehr Optionen für das Verwalten von Mailboxen und kann die Archivlösung auch im Hosting-Modell für Kunden übernehmen. Laut Gartner überzeugt die Enterprise Archive Solution vor allem durch ihre Archivfunktionen, während sie als Content-Management-Plattform und bei der Erkennung von Namen in den Datenbeständen noch Schwächen zeigt. Auch sollte Zantaz mehr in die Tests neuer Release-Stände investieren. Das System unterstützt Unicode, hat aber eine englischsprache Verwaltungskonsole. Es sollte laut Analysten in die engere Auswahl kommen,

Compliance-Kontrolle mit CA

Auf dem vierten Platz nach Lizenzumsatz (vier Prozent Marktanteil) findet sich Computer Associates (CA) mit dem Produkt "Message Manager". Dieses habe aber laut Gartner in der letzten Zeit kontinuierlich an Marktpräsenz verloren und finde fast nur noch unter Bestandskunden seine Abnehmer. Die Archivsoftware kam 2005 mit der Übernahme des Anbieters iLumin zu CA und unterstützt in der Version 11.5 Microsoft Exchange, Lotus Domino, die "Oracle Collaboration Suite", Sendmail, HP Open Mail, Bloomberg, Novell Groupwise und Reuters. Hinzu kommt die Integration mit den CA-Produkten "CA Records Manager" und "CA File System Manager", wobei letztere über einen Partner erfolgt. Die Stärken des Produkts zeigen sich laut Analysten in der Verwaltung von Compliance-Vorgaben und der Vor- und Nachkontrolle von E-Mails (siehe auch den Beitrag "Auch E-Mails haben einen Lebenszyklus"). Eine Klassifikation kann mittlerweile nicht mehr nur natürlichsprachlich, sondern auch automatisch erfolgen. Überarbeitet wurden auch die Funktionen für die Mailbox-Verwaltung und solche für die Arbeit mit juristisch relevanten Inhalten. Unicode wird unterstützt, die Admin-Konsole versteht indes nur Englisch. Unternehmen sollten sich den CA Message Manager anschauen,

Grundsätzlich raten die Analysten davon ab, allein anhand der Marktpräsenz eine Kandidatenliste aufzustellen, zumal ein Vergleich nach Kundenzahlen eine andere Reihenfolge ergibt. Auch ist der Markt in Bewegung. Anders als noch vor zwei Jahren geht aber Gartner davon aus, dass mittlerweile parallel zu bisherigen Angeboten für ein Content-Management auf Dauer ein eigener Markt entstanden ist (Siehe auch den Bericht zum Einsatz von DMS-Lösungen in Deutschland). Wie bei allen komplexen Softwaresystemen benötigen Unternehmen für die Auswahl von Archivlösungen detaillierte Anforderungskataloge. Aus Gründen des Investitionsschutzes sollten sie darauf achten, dass ein Produkt mit wachsenden Daten- und Benutzermengen umgehen kann und der Hersteller eine klare Produktstrategie hat. Ferner müssen sich Archivdaten auf externe Speicher komfortabel auslagern lassen und die gebotenen Funktionen für die Kategorisierung und Suche sollten im Test tatsächlich ein schnelles und vor allem gezieltes Auffinden von Inhalten ermöglichen.