Mannesmann-Prozess vor dem Abschluss - Ackermann zahlt Millionen

24.11.2006
Das spektakulärste deutsche Wirtschaftsstrafverfahren steht vor dem Abschluss: Im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess haben sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft am Freitag auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen verständigt.

Die Angeklagten um Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann stimmten den millionenschweren Zahlungen zu. Das Landgericht will in der kommenden Woche (Mittwoch) über den Antrag entscheiden – eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Ackermann soll 3,2 Millionen Euro, der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser 1,5 Millionen Euro zahlen.

Die Ackermann-Verteidiger begründeten ihren Antrag auf Einstellung des Verfahrens unter anderem mit der langen Prozessdauer. Der Schritt sei zum jetzigen Zeitpunkt angemessen, erklärten die Rechtsanwälte Eberhard Kempf und Klaus Volk im Düsseldorfer Landgericht. Am Ende des Verfahrens würde kein Urteil stehen, das alle als gerecht empfinden würden, sagte Volk. Er bat zugleich darum, Ackermann von den Lasten eines quälenden Verfahrens zu befreien.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wäre eine Verfahrenseinstellung kein „Handel mit der Gerechtigkeit“, sondern entspreche der Rechtslage und sei sachgerecht. Für die Zuerkennung von Anerkennungsprämien gebe es bislang keinen strafrechtlichen Präzedenzfall, betonten die Staatsanwälte. Die umstrittenen Prämienzahlungen hätten weder den Bestand noch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mannesmann AG gefährdet. Die Angeklagten seien nicht vorbestraft, hätten in der Mehrzahl (vier von sechs) keinen wirtschaftlichen Vorteil von den Prämien gehabt und müssten allenfalls mit Bewährungsstrafen rechnen.

Ackermann kündigte an, die Millionensumme „aus eigener Tasche“ zu bezahlen. Er hatte sein gesamtes Jahreseinkommen beim Prozessauftakt auf bis zu 20 Millionen Euro beziffert. Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende von Mannesmann, Joachim Funk, soll eine Million Euro und Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel 60.000 Euro berappen.

Der frühere Mannesmann-Chef Esser, der allein Prämien und Abfindungen von rund 30 Millionen Euro erhalten hatte, sagte, durch den bisherigen Prozessverlauf sehe er die Korrektheit seines Handelns bestätigt. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die weitere Beweisaufnahme dieses bestärken würde“. Dennoch befürworte er die Einstellung des Verfahrens, damit die Vorwürfe endgültig vom Tische seien.

Bei der Neuauflage des Mannesmann-Prozesses verhandelt das Landgericht seit Ende Oktober gegen Ackermann und fünf weitere Angeklagte wegen des Vorwurfs der schweren Untreue oder der Beihilfe dazu. Dabei geht es um die Ausschüttung von 57 Millionen Euro Prämien im Zuge der Übernahme von Mannesmann durch den britischen Mobilfunkkonzern Vodafone im Jahr 2000. Das Landgericht hatte alle Angeklagten 2004 freigesprochen. Dieses Urteil war später vom Bundesgerichtshof aufgehoben und der Fall an das Landgericht zurückverwiesen worden.

Die fassungslose Buchhalterin - Mannesmann-Rentnerin erinnert sich

Für Helga Anne Schoeller hat es wohl zynisch geklungen: „Winners Project“ hieß das Buchhaltungs-Konto, über das die umstrittenen Millionenprämien nach der verlorenen Abwehrschlacht von Mannesmann gegen Vodafone flossen, wie Staatsanwalt Dirk Negenborn am Freitag scheinbar beiläufig erwähnt. Für die inzwischen 69-Jährige war es kein „Gewinnerprojekt“ und auch nicht die „zweitbeste Lösung“, wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann die Übernahme genannt hatte, sondern „der Untergang“. Der Untergang eines Konzerns, in dem schon ihr Großvater und ihr Vater gearbeitet hatten und in dem sie selbst 46 oft harte Arbeitsjahre verbracht hat.

Wie gelähmt und fassungslos sei sie damals von der Nachricht gewesen, dass es den Traditionskonzern Mannesmann bald nicht mehr geben würde, schilderte die Rentnerin bei der Neuauflage des Mannesmann-Prozesses. Präzise erinnert sich Schoeller, die 25 Jahre lang als Sachbearbeiterin für die Vorstandsvergütung zuständig war, im Zeugenstand des Düsseldorfer Landgerichts auch an andere ungewöhnliche Vorgänge im Februar 2000. Mal wurde eine Millionenprämie im letzten Moment gestoppt, dann wurden Beschlüsse „20 Mal korrigiert“. „Was soll das denn sein?“, habe sie gefragt, als ihr ein Mitarbeiter einen Beschluss des Aufsichtsratsausschusses für Vorstandsangelegenheiten vom 4. Februar 2000 zur Umsetzung überreicht habe.

Sofort habe sie gesehen, dass sich der Unterzeichner des Papiers, der damalige Aufsichtsrats-Chef Joachim Funk, selbst einen stattlichen Millionenbetrag zugewiesen hatte. „Das finde ich nicht richtig“, habe sie ihrem Kollegen aus der Direktionsabteilung gesagt, der ihr nun als Angeklagter im Gerichtssaal gegenüber sitzt, weil er solche Bedenken offenbar nicht hatte.

Es werde noch eine Anweisung von Konzernchef Klaus Esser folgen, habe der Kollege zu beschwichtigen versucht. „Die wird auch nichts nutzen“, habe sie erwidert. Schoeller vertraute sich mit ihren Bedenken gegen den Abfluss der Konzernmillionen einem Wirtschaftsprüfer der KPMG an. So gehe das nicht, er werde sich der Sache annehmen, habe ihr der Prüfer versichert.

Auch das Prämienschreiben an das Team, das die Abwehrschlacht geführt hatte, löste bei Schoeller Stirnrunzeln aus. „Das war auf einem Bogen der Mannesmann AG geschrieben und von Funk und Esser unterzeichnet.“ Während Funk aber für die AG nicht unterzeichnen durfte, habe Esser seinen Vorstandskollegen kein Geld anweisen dürfen. Zwei der Vorstände, die vom Aufsichtsrat bedacht werden sollten, seien zudem noch gar nicht in den Vorstand berufen gewesen. Eine Woche später sei ihr dann ein neuer Beschluss nachgereicht worden, der ihre formellen Bedenken dann ausgeräumt habe.

Noch nie hatte es so hohe Bezüge gegeben wie im Jahr 1999, berichte Schoeller. Bemerkenswert sei auch gewesen, dass die Pensionen der ehemaligen Vorstände in die Höhe schnellten, weil sie auf Grundlage der persönlichen Leistung der aktiven Vorstandsmitglieder berechnet wurden. Das habe sie „irritiert“.

Aber auch Konzernchef Klaus Esser beobachtete die Arbeit der treuen Sachbearbeiterin in diesen Tagen offenbar argwöhnisch. Als sie bei der Umrechnung der Esser-Prämie von zehn Millionen Pfund Sterling in 30 Millionen DM den Mittelkurs verwendete, wurde das prompt moniert. Sie wurde angewiesen, einen höheren Kurs zu verwenden – und musste Esser weitere 100.000 DM überweisen.

Bei ihrer ersten Aussage vor fast drei Jahren hatte Schoeller geschildert, welche Panik sie ergriffen habe, als trotz aller Diskretion die Summen für Esser die Titelseite der „Bild“-Zeitung zierte: „60 Millionen - und tschüß“. Schon der Pförtner habe ihr die Zeitung morgens entgegengehalten und gefragt, ob das stimme. In Windeseile habe sie überprüft, ob ihr Tresor mit den pikanten Unterlagen auch verschlossen war. (dpa/tc)