ama-Studie

Massive Umwälzungen im deutschen PC-Markt

02.11.2012 von Gerhard Baumeister
Laut einer aktuellen Studie der Analysten von ama steht der deutsche PC-Markt vor einem Wandel.

Beim Desktop-PC-Absatz hat der deutsche ITK-Markt in den ersten beiden Quartalen 2012 Blessuren hinnehmen müssen, während der Markt für Thin Clients durch den Trend zum Cloud-Computing möglicherweise wieder neue Impulse erhält. Die Strukturen im PC-Markt dürften sich in naher Zukunft auch angesichts der aktuellen Verkaufserfolge einzelner Hersteller stark verändern. Inwieweit diese bereits Spuren im aktuellen PC-Bestand in deutschen Unternehmen und Behörden hinterlassen haben, untersuchte ITK-Marktanalyst ama zwischen Januar und Juli 2012 mittels 6.146 telefonisch geführter Interviews. Dabei entstand ein detailliertes Bild aktueller Desktop- und Netzwerk-PC-Bestände im B-to-B-Umfeld.

Präsenz der Desktop-Hersteller in deutschen Anwender-Unternehmen.
Foto: ama

Deutschland bleibt für die ITK-Anbieter ein relativ attraktiver Absatzmarkt. Laut dem „ICT Market Report 2012/13“ European Information Technology Observatory (EITO) kommt Deutschland 2012 immerhin noch auf ein leichtes Plus von 1,6 %. Eine Ausnahme bildet allerdings der PC-Markt. Die Analysten von Gartner gehen beispielsweise davon aus, dass der PC-Absatz in Deutschland um 6,5 % sinkt. Gleichzeitig rücken im B-to-B-Segment dieses IT-Teilmarktes neue Anbieter in den Vordergrund. Nach aktuellen Umsatzzahlen liegen heute Hersteller wie Acer oder Lenovo weit vorne. Insofern müssen sich die angestammten PC-Giganten, wie Dell, HP oder Fujitsu, auf neue Herausforderer einstellen. Inwieweit sich die Verkaufserfolge der Newcomer im B-to-B-Geschäft bereits auf die Bestände im PC-Markt ausgewirkt haben und welche der großen Anbieter sich aktuell auf dem noch relativ jungen Markt für Thin Clients tummeln, ermittelte Analyst ama aus Waghäusel bei Karlsruhe in einer breit angelegten Befragung.

Präsenz der Thin-Client-Hersteller in deutschen Anwender-Unternehmen.
Foto: ama

Für die Analyse „PCs: Desktops und Thin Clients – Marktstrukturen im Detail“ befragte ama insgesamt 6.146 deutsche Anwenderunternehmen und Behörden mit über 50 Mitarbeitern nach den Herstellern ihrer eingesetzten Arbeitsplatzrechner. Insgesamt wurden auf diese Weise 821.916 Desktops sowie 98.062 Thin Clients ermittelt. Axel Hegel, ama-Geschäftsführer und Leiter der Marktanalyse: „Studien nach aktuellen Verkaufszahlen der Hersteller sind spannende Momentaufnahmen des derzeitigen PC-Marktes. Die durch direkte Befragung erhobenen Zahlen zeigen dagegen den Marktanteil der einzelnen IT-Hersteller aufgrund des erreichten PC-Bestands in den Unternehmen.“ Beide Betrachtungsweisen zusammengenommen verdeutlichen nach seiner Einschätzung die eigentliche Struktur und die extreme Dynamik dieses IT-Teilmarktes.

Laut Gartner liegen beispielsweise die Anbieter Acer und Lenovo aufgrund der verkauften Desktop-PCs im zweiten Quartal 2012 noch vor Dell, HP oder Fujitsu. Interessanterweise hat sich der aktuelle Verkaufserfolg von Acer oder Lenovo noch nicht in großem Umfang auf die Desktop-Bestände in den Unternehmen ausgewirkt. Acer hält laut ama einen Anteil von 2,2 und Lenovo einen Anteil von 6,9 % an allen ermittelten Systemen. Damit haben beide IT-Anbieter in Deutschland noch ein recht geringes Gewicht, jedenfalls im direkten Vergleich zu den angestammten PC-Riesen Dell, HP und Fujitsu. Können Acer und Lenovo ihre derzeitigen Verkaufszahlen halten, müssen sich Dell & Co. künftig warm anziehen.

Noch beherrschen Dell und HP den deutschen PC-Markt

Nach den Erhebungen von ama stammen derzeit 26,3 % der insgesamt ermittelten 821.916 Desktops aus dem Hause des US-amerikanischen Herstellers Dell. Während Dell damit nach Bestandszahlen Marktführer ist, liegt der Hersteller nach aktuellen Verkaufserfolgen des zweiten Quartals 2012 laut Gartner dagegen nur auf dem fünften Platz. Dies deutet auf eine insgesamt schwächer werdende Position von Dell hin. Doch arbeitet der Global Player bereits an einem neuen Standbein. Neben Desktops und Notebooks will das Unternehmen die PC-Produktpalette in Richtung „Cloud Client Computing“ erweitern.

Jüngst kündigte Dell die Übernahme des Thin-Client-Spezialisten Wyse an. Das nach eigenen Angaben stark wachsende Unternehmen hat bereits heute einen Anteil von 11,3 % an den von ama ermittelten 98.062 Netzwerk-PCs in deutschen Unternehmen. Weltweit versteht sich der Spezialist als Marktführer für Cloud Client Computing und bietet auf Thin und Zero Client Computing basierende Produkte an. Sollten die Aufsichtsbehörden zustimmen, kämen Wyse (11,3 %) und Dell (1,5 %) durch den Zusammenschluss auf einen Anteil von 12,8 % im deutschen Thin-Client-Business-Markt.

Die Vertriebspartnerschaft Dells mit dem Wyse-Konkurrenten IGEL Technology dürfte dann allerdings zu Ende gehen. Aus dem ehemaligen Vertriebspartner wird künftig wohl der größte Konkurrent auf dem deutschen Markt für Thin Clients. 35,3 % der ermittelten Thin Clients kommen derzeit aus dem Hause IGEL Technology, nach eigenen Angaben seit Jahren führender Anbieter derartiger Arbeitsplatzrechner in Deutschland. Doch zurzeit herrscht auf dem jungen Markt für Thin Clients insgesamt, wie Analyst ama feststellt, noch kein Gedränge.

Thin-Clients-Markt bietet noch viel Wachstumspotenzial

Noch bilden die Desktops bei den Arbeitsplatzrechnern unangefochten die Mehrheit. Auf 8,3 in den Unternehmen installierte PCs kommt laut Analyst ama derzeit ein Netzwerk-PC. Auch hat erst rund jedes fünfte befragte Unternehmen Netzwerk-PCs im Einsatz. Vor diesem Zahlenhintergrund und angesichts des zunehmenden Trends zu Cloud-Client-Computing oder Server-based-Computing hat dieses Segment für die PC-Hersteller offensichtlich großes Potenzial. Denn die heute üblicherweise mit Festplatte und CD-ROM-Lesegeräten ausgestatteten Desktop-PCs (Fat-Clients) dürften als Standard-Arbeitsplatzgeräte, langfristig gesehen, im B-to-B-Geschäft massiv an Bedeutung verlieren.

Hegel: „Bisher haben sich neben IGEL und Wyse von den großen PC-Global-Playern in diesem Teilmarkt allerdings nur Fujitsu und HP etabliert.“ Fujitsu-Systeme stellen laut ama 17,2 % des gesamten ermittelten Bestands. Auf zehn Fujitsu-Desktops an deutschen Arbeitsplätzen kommt heute ein Thin Client. HP liegt mit 16,0 % nur knapp dahinter.

Im PC-Markt ist die Reihenfolge genau umgekehrt. In 25,6 % der Fälle stammen die Desktops von HP. Damit ist der kalifornische Großkonzern seinem Wettbewerber Dell in Deutschland dicht auf den Fersen, während Fujitsu mit einem Abstand von 5 Prozentpunkten folgt (20,6 %). Zum Vergleich: Laut Gartner liegt HP nach verkauften Stückzahlen derzeit hinter Acer und Lenovo. Ebenso ermittelte der Analyst für den IT-Riesen im deutschen PC-Segment insgesamt rückläufige Verkaufsanteile.

Lenovo-Desktops haben derzeit zwar nur einen Anteil von 6,9 % am PC-Bestand an deutschen Arbeitsplätzen. Der chinesische Marktführer (ehemals Legend Group) ist jedoch seit der Übernahme der IBM PC-Division einer der größten PC-Hersteller weltweit und dürfte schon aufgrund seiner attraktiven Preisgestaltung auch auf dem deutschen Markt weiter wachsen.

Dell dominiert die großen – HP die kleineren Unternehmen

Interne Marktschwerpunkte der Desktop-Hersteller
Foto: ama

Die hohen Fallzahlen aus den Bestandserhebungen ermöglichen ama auch herstellerbezogene Auswertungen nach Betriebsgrößen und Branchen. So zeigen die Zahlen, dass die Hersteller unterschiedliche Marktschwerpunkte setzen. Beispielsweise entfallen 30,7 % der insgesamt in deutschen Unternehmen eingesetzten Dell-Desktops auf mittelständische Unternehmen mit 200 bis 499 Mitarbeitern. Bei den kleineren Unternehmen in der Größenklasse 50 bis 99 Mitarbeiter ist Dell dagegen nur mit 7,2 % vertreten. Ein anderes Bild zeigt HP. Der Hersteller ist mit 10,5 % in diesem Segment im direkten Vergleich zu Dell stärker vertreten.

Präsenz der Desktop-Hersteller in Mittelstand und Großunternehmen
Foto: ama

Schaut man sich die Verteilung der insgesamt ermittelten Desktop-Systeme auf die einzelnen Betriebsgrößenklassen an, so zeigen die einzelnen PC-Hersteller signifikante Unterschiede. So liegt etwa Dell vor allem in den Unternehmen mit 50 bis 99 Mitarbeitern mit einem Wert von 17,3 % deutlich unter dem HP Anteil von 24,7 %. Bemerkenswert ist, dass in diesem Segment Desktops die von ama nicht namentlich genannten „Sonstigen Hersteller“, besonders stark vertreten sind. Deren Anteil liegt hier bei 30,5 %. Zum Vergleich: In den größeren Unternehmen mit 500 bis 999 Mitarbeitern sind 87,1 % aller eingesetzten Desktop-PCs von einem der von ama ermittelten Top-5-Anbieter.

In den Großunternehmen und Konzernen haben auch Lenovo (8,8 %) und Acer (4,2 %) relativ hohe Anteile. In allen anderen kommen die beiden Hersteller lediglich auf Werte unter 7 % beziehungsweise unter 3 %.

Fujitsu in deutschen Behörden stark vertreten

Präsenz der Desktop-Hersteller in den einzelnen Wirtschaftszweigen
Foto: ama

Bei der Betrachtung der ermittelten Desktopbestände in deutschen Anwenderunternehmen nach Wirtschaftszweigen wird die dominante Stellung von Dell, HP und Fujitsu ebenfalls mehr als deutlich. Dell-Desktops werden anteilig vor allem in Industrie (32,5 %), Handel (30,6 %), Gesundheitswesen (32,4 %) und in der Aus- und Weiterbildung (31,0 %) eingesetzt. Bei den Dienstleistern (28,5 %) und in der Transportbranche (34,4 %) zählte ama vor allem HP-Rechner. In den Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung hat HP mit 44,0 % gegenüber den Wettbewerbern sogar einen deutlichen Vorsprung.

Im Segment Finanzdienstleister sind anteilig beinah ebenso viele Fujitsu-Systeme (37,1 %) wie HP-Desktops (38,9 %) im Einsatz. Hier kommt Konkurrent Dell nur auf einen Anteil von 6,4 %. In Behörden ist Fujitsu mit einem Anteil von 31,2 % häufiger vertreten als die Konkurrenz. Lenovo hat mit 14,2 % seinen größten Anteil in Unternehmen des Straßen-, Luft- und Seetransports. In allen anderen Branchen kommt der Hersteller auf unter 10 %. Acer ist demgegenüber nur in einer Branche nennenswert vertreten. Von den in den befragten Behörden ermittelten Systemen waren zum untersuchten Zeitraum 6,4 % von Acer. In den anderen Branchen waren das knapp 2,0 % und weniger. Die Top-5-Anbieter stellen gemeinsam in allen Branchen über 70 % der PCs. Bei den Finanzdienstleistern sogar über 90 %.