McKisey

McKinsey: Programmierer unerwünscht

22.01.2001 von in Ingrid
Vor drei Jahren gründete McKinsey als neuen Beratungsbereich das Business-Technology-Office (BTO). In Frankfurt und an zwölf weiteren Standorten beraten derzeit weltweit 400 Consultants Unternehmen in IT-Strategiefragen. Genommen werden Informatiker mit einem überdurchschnittlich gutem Abschluss, die bereit sind, sich fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse anzueignen.

Die Aussicht von der 21. Etage des Japan-Towers ist imposant. Aus der Vogelperspektive erscheinen die Hochhäuser der Deutschen Bank und der Commerzbank wie gleichwertige steinerne Giganten. Allerdings kann Peter Leukert vom Frankfurter Business-Technology-Office nur selten den Blick aus seinem Bürofenster genießen, denn zum Job des Consultant gehört die Arbeit vor Ort beim Kunden.

Stefan Spang

Das Beratungsgeschäft des BTO unterscheidet sich in dieser Hinsicht keineswegs von dem anderer Unternehmensberatungen. „Der Fokus liegt auf der Technologie, die Arbeitsweise entspricht der klassischen Top-Management-Beratung”, so Leukert. Für den 30-jährigen Physiker bot die Gründung einer eigenen Unternehmenseinheit, die sich ausschließlich um die technologische Beratung von Unternehmen kümmert, eine ideale Möglichkeit, innerhalb von McKinsey das Aufgabengebiet zu wechseln. „Damit wir unsere Kunden in IT-Fragen strategisch beraten können, müssen die Berater fundierte Kenntnisse auf diesem Gebiet mitbringen”, erklärt Leukert.

McKinsey erkannte den großen Bedarf an neuen Beratungsdienstleistungen, etwa E- und M-Commerce und begleitendes Projekt-Management. Weltweit arbeiten 400 Berater für das BTO, und in diesem Jahr möchten sie weitere 200 neue Kollegen mit an Bord nehmen. Jan Malemdier gehört seit Oktober zum 50-köpfigen Team in Frankfurt. Der Wirtschaftsingenieur studierte in Darmstadt sowie in den USA und hat bereits den so genannten Mini-MBA hinter sich. In dem speziell auf Naturwissenschaftler und Informatiker zugeschnittenen vierwöchigen Crash-Kurs lernen die Neueinsteiger die wichtigsten betriebs- und volkswirtschaftlichen Grundlagen, die Klienten von ihnen als Berater neben ihrem technischen Wissen erwarten. Aber der Einarbeitungsmarathon ist für den Young Professional damit noch nicht zu Ende. Hinzu kommen weitere fachliche Trainings und Rhetorikkurse. Der 26-jährige Malemdier ist glücklich, dass er das Berufsleben bei seinem Wunsch-Arbeitgeber starten konnte. Attraktiv

war für ihn auch die Möglichkeit einer Promotion. Ständige Weiterbildung wird bei McKinsey groß geschrieben. „Schließlich ist Wissen unser einziges Kapital; die Berater sind immer auf dem Laufenden und kennen den Stand der Technik”, erläutert Leukert die Bildungsstrategie.

Peter Leukert

Den BTO-Consultants steht wie allen McKinsey-Beratern das so genannte Fellow-Programm offen. Nach zwei Jahren Beratertätigkeit können sich die Mitarbeiter eine einjährige Auszeit für ihre berufliche Weiterbildung bei vollem Lohnausgleich gönnen. “Manche schreiben in dieser Zeit eine Doktorarbeit, andere machen ihren MBA”, weiß Leukert. Allerdings gibt es kein Jahr frei für die persönliche Selbstverwirklichung in Form einer Weltreise. Ein zusätzlicher Titel sollte nach dem dritten Jahr schon die neue Visitenkarte schmücken. Vor knapp zwei Jahren brachte McKinsey das Schlagwort vom “War of Talents” ins Spiel. Die Prognose der Berater, dass der Wirtschaft die Experten ausgehen, hat sich mittlerweile bewahrheitet. “Wir bekommen zwar immer noch viele Initiativ-Bewerbungen, und wir sehen uns als attraktiven Arbeitgeber, aber beim BTO suchen wir Fachleute aus den Naturwissenschaften und der Informatik; hier ist der Wettbewerb um die

Absolventen besonders hart”, räumt Leukert ein. Trotzdem möchte das Beratungshaus von seinen strengen Auswahlkriterien nicht abweichen.

Das einzige Zugeständnis an den engen Arbeitsmarkt und die speziellen Anforderungen ist die Bereitschaft, auch Mitarbeiter mit Berufserfahrung in das Team aufzunehmen. “Wir legen viel Wert auf unsere Unternehmenskultur, die Teil unseres Verständnisses von Beratung darstellt. Aber gerade im IT-Sektor merken wir, dass wir auch Leute mit Berufserfahrung aus anderen Bereichen brauchen”, so Stefan Spang, der gemeinsam mit Frank Mattern das Frankfurter Büro leitet. „Die fachliche Expertise, die neue Kollegen für das BTO mitbringen müssen, ist höher. Gleichzeitig müssen unsere Berater ihren Wissensvorsprung beibehalten”, ergänzt Spang. „Bei den Vorstellungsgesprächen versuchen wir, gemeinsam mit den Bewerbern deren Stärken herauszufinden”, erklärt Leukert die Auswahlstrategie, “denn nur derjenige, der das Potenzial für eine langfristige Zusammenarbeit und Entwicklung mitbringt, passt zu uns.” Zum

Auswahlverfahren gehören deshalb vier bis fünf Gespräche mit Senior-Beratern.

Um ein Büro in luftiger Höhe des Japan-Towers zu beziehen, sollten die Bewerber neben einem naturwissenschaftlichen Studium und informationstechnologischem Fachwissen jede Menge kommunikativer und kreativer Fähigkeiten mitbringen. Einzelgänger und Programmierer-Typen sind in Frankfurt nicht gefragt, denn das BTO übernimmt keine Implementierungen, sondern berät die Unternehmen bei der Auswahl und Optimierung von Systemen. Derzeit hat das Team in Frankfurt mehr mögliche Projekte als Mitarbeiter, die sich um die Umsetzung kümmern könnten. Regelmäßige Rekrutierungsveranstaltungen an Universitäten und Workshops in interessanten Ländern sollen die Bewerber auf die Angebote aufmerksam machen. Allerdings musste der für Israel geplante Workshop “Mosaic” im Oktober vergangenen Jahres aufgrund der brisanten Situation kurzfristig nach Stockholm verlegt werden. Für die 23-jährige Alena Brunn hat sich die Teilnahme allemal

gelohnt. Die BWL-Studentin mit dem Nebenfach Informatik hat nach dem Wochenende in einem Projekt die Arbeitsweise der Berater kennen gelernt. Aus dem ersten Kontakt könnte sich durchaus mehr entwickeln. “Ich muss jetzt nur noch Termine für die Vorstellungsgespräche vereinbaren”, erzählt sie. “Mosaic” war für das BTO eine erfolgreiche Recrutierungsveranstaltung. “Wir hatten über 350 Bewerbungen, davon 80 von sehr guter Qualität, und mussten uns für 30 Teilnehmer entscheiden. Das war eine schwierige Aufgabe, denn wir hätten gerne doppelt so viele eingeladen”, so Susanne Mauthner, die als Beraterin nach Stockholm flog und bei der fachlichen Organisation mitarbeitete. Da gute Leute knapp sind und McKinsey keinem talentierten Bewerber absagen wollte, veranstaltete das Unternehmen kurzentschlossen im November einen zweiten Workshop in der Nähe von Frankfurt.