Microsofts ERP-Geschäft fehlt die Linie

24.02.2005 von Eberhard Heins
Die Unternehmenseinheit Microsoft Business Solutions (MBS) wächst nur langsam. Der Softwareriese trägt einen Bauchladen an Produkten vor sich her. Vertrieb und Marketing gestalten sich schwierig.

Hier lesen Sie …

  • warum der MBS-Produktbauchladen ein Problem für Microsoft ist und wie sich dieses lösen lässt;

  • welche Schwierigkeiten das Unternehmen mit dem Verkauf von Microsoft CRM hat;

  • warum SAP trotz schwachen Starts von "Business One" ein ernsthafter Konkurrent im Mittelstand ist.

Wir haben im Vertrieb, Marketing und im Bereich Forschung und Entwicklung keinen tollen Job gemacht", räumte kürzlich der scheidende Finanzchef von Microsoft, John Connors, ein. Die Integration der verschiedenen Softwarelinien, darunter die Pakete der beiden übernommenen ERP-Spezialisten Great Plains und Navision, habe sich in den vergangenen 18 Monaten schwieriger gestaltet als gedacht.

In seiner Juli 2002 entstandenen Geschäftseinheit Business Solutions hat Microsoft für kleine und mittelständische Kundenbetriebe allein elf Produktlinien zusammengefasst. Mindestens vier davon weisen große Redundanzen auf: Die Softwarepakete "Solomon" und "Great Plains" stehen "Axapta" und "Navision" gegenüber, die nahezu identische Zielgruppen adressieren und in den USA, Großbritannien und einer Reihe anderer Länder im Wettbewerb stehen. "Es kann keinem Anbieter gefallen, wenn er für ein Marktsegment mehrere sich teilweise überlappende Produkte pflegen und vermarkten muss", kommentiert Nils Niehörster, Analyst bei Raad Consult in Münster.

Microsoft CRM kommt bei ERP-Basis nicht an

Regional vermarktete Pakete wie "XAL" in Deutschland oder "C5" in Dänemark lassen das Produktportfolio von MBS weiter anschwellen. Hinzu kommt, dass die ERP-Pakete Axapta und Navision mit eigenen Funktionen für das Customer-Relationship-Management (CRM) ausgestattet sind. Dadurch wird der Verkauf der seit gut einem Jahr auch in Deutschland verfügbaren reinen CRM-Lösung "Microsoft CRM" nicht leichter. Das Unternehmen zählt nach eigenen Angaben weltweit 3500 Microsoft-CRM-Installationen, in Deutschland aber nur 200. Bei 12500 Navision-Anwendern hierzulande wird deutlich, dass weder die Kunden noch Microsofts Vertriebspartner sonderlich am Verkauf der reinen CRM-Lösung interessiert sind.

Auch scheint das Kalkül, Anwendern der ERP-Suites auch System- und Infrastruktursoftware zu verkaufen, nicht aufzugehen. Zwar können Navision-Kunden seit 1999 den "SQL Server" verwenden, doch kaum ein Anwender sieht einen Sinn darin, die zur ERP-Lösung gehörende Datenbank "C/Side" abzulösen. In Deutschland liegt die Zahl der Navision-Installationen mit SQL Server nach Angaben von Microsoft bei etwa 15 Prozent.

Bislang hat die Gates-Company noch nicht viel unternommen, um den Gemischtwarenladen aufzuräumen. Getrennt hat sich das Unternehmen nach seinen Zukäufen bislang nur von "E-Enterprise" von Great Plains, das aber keine nennenswerten Installationen vorweisen konnte, und von "Apertum", das den Vertriebspartnern der Navision-Software im Weg stand. Inzwischen haben einige Apertum-Partner das einst von der SCI GmbH entwickelte Softwarepaket wieder zum Leben erweckt. Die N-Group darf den Quellcode von Apertum nutzen und entwickelt das Produkt jetzt unter dem Namen "E-Evolution" weiter.

Microsoft hat im Bereich der Business-Software für Kleinunternehmen unter anderem in der Sage Group einen größeren Konkurrenten. Die Briten leisten sich in Deutschland mit der "Office Line" und der "Classic Line" auch zwei ERP-Pakete mit ähnlichem Zielmarkt und dazu noch eine Reihe anderer kaufmännischer Lösungen. Doch die von Sage mit dem deutschen Softwareanbieter KHK übernommene Classic Line verschlingt nur vergleichsweise geringe Entwicklungskosten. Alle anderen Produktlinien adressieren abgegrenzte Märkte.

Gefahr droht Microsoft im Mittelstandsgeschäft zudem von SAP. Den Walldorfern gelang es mit Business One zwar noch nicht, im unteren Mittelstand Fuß zu fassen, doch nach Angaben von AMR Research sind 20 Prozent der Navision-Kunden Tochtergesellschaften oder Niederlassungen von Konzernen, die Enterprise-Lösungen der Walldorfer wie R/3 oder Mysap einsetzen. Mit zunehmender Funktionalität von Business One steigen SAPs Chancen, bei dieser Klientel Navision abzulösen.

Microsoft sitzt somit in der Zwickmühle. Der Softwaregigant muss einen erheblichen Entwicklungsaufwand für redundante und konkurrierende ERP- und CRM-Pakete betreiben und dabei die jeweiligen Partner bei Laune halten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits sind die Redmonder gezwungen, "Project Green" voranzutreiben, in dessen Rahmen auf Basis der .NET-Architektur eine neue, zukunftsfähige ERP-Suite entwickelt wird.

Die verschiedenen Baustellen gleichermaßen zu bedienen gelingt auch einem so starken Unternehmen wie Microsoft nicht immer. Produktverspätungen sprechen hier eine deutliche Sprache. Allein im Februar 2005 musste das Unternehmen zwei geplante Ankündigungen verschieben. Das neue Axapta-Release 4.0 kommt nicht im dritten Quartal dieses Jahres, sondern erst im Frühjahr 2006, und das neue Release 2.0 von Microsoft CRM verschob die Company auf Ende 2005. An der insgesamt schwierigen Situation im Bereich Business-Software wird sich für das Unternehmen so schnell nichts ändern. Bis mindestens 2013 will Microsoft nicht nur Support für seine vielen ERP-Pakete leisten, sondern diese auch weiterentwickeln. Mit dem ERP-.NET-Paket bastelt das Unternehmen zwar an einer einheitlichen Unternehmenssoftware, doch auch deren Launch steht noch in den Sternen. "Wir gehen frühestens von 2010 aus", räumt Frank Hassler, Leiter Produkt-Management bei MBS, ein. Geplant war schon mal 2008.

Trotz der garantierten Weiterentwicklung für die Produktlinien verunsichern die vielen Verspätungen und die ungewisse .NET-Perspektive potenzielle Neukunden, und die Bestandskunden beschränken sich auf das Nötigste. Da wundert es nicht, dass Microsoft in der Unternehmenseinheit MBS vergleichsweise kleine Brötchen backt. Nur um eine Million Dollar weltweit stiegen die Umsätze im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2004/05 im Vergleich zum Vorjahr. Der Gesamtumsatz der MBS betrug in diesem Zeitraum 211 Millionen Dollar.

Deutsche MBS hält Navision auf Kurs

Detaillierte Zahlen zu den einzelnen MBS-Produkten hält Microsoft unter Verschluss, doch zumindest für vier Softwarepakete benannte die deutsche Tochter in Unterschleißheim gegenüber der computerwoche jetzt Installationszahlen (siehe Grafik: "Microsofts Business-Software"): 1000 Navision- und 100 Axapta-Installationen kamen den Angaben zufolge im Jahr 2004 in Deutschland dazu. Weitere 500 Installationen konnte laut Microsoft das ERP-Päckchen Navision für kleine Unternehmen (NFKU) seit dem Bestehen des Angebots im Februar 2004 gewinnen.

Allein mit diesen Neukunden dürfte die hiesige Business Unit einen signifikanten Anteil zum weltweiten Umsatzwachstum beigetragen haben. Für die Schwäche der gesamten Geschäftseinheit kann es nur zwei Erklärungen geben: "Entweder sinken die Preise massiv, oder die anderen Produkte und andere Regionen verlieren deutlich", vermutet Frank Naujoks, Analyst bei der Hewson Group.

Microsoft hat schon einige Manager verschlissen

Das unter den Erwartungen gebliebene Wachstum von MBS hat bereits einige Köpfe in der Führungsetage der Geschäftseinheit rollen lassen. Der Däne Mogens Elsberg ersetzte Rene Stockner als General Manager für Navision. In Deutschland übernahm Peter Ruchatz die Verantwortung als Direktor Microsoft Business Solutions von Jürgen Baier. Der ehemalige Peoplesoft-Manager Brad Wilson kam in diesem Monat als neuer General Manager für Microsoft CRM und löste Holly Hunt beziehungsweise Dave Batt ab, der den Job übergangsweise erledigt hatte.

Neue Manager alleine werden allerdings nicht reichen, das schleppende Geschäft anzukurbeln: Es müssen konkrete Maßnahmen in Vertrieb, Marketing und Entwicklung folgen. Raad-Geschäftsführer Niehörster geht davon aus, dass noch vor 2010 große Teile der Einzelkomponenten in den jeweiligen Produktlinien baugleich sein werden. "BMW entwickelt für seine Fahrzeugreihen auch nicht jede Technologiekomponente neu", so der Analyst.

Was die Vertriebskanäle angeht, hat sich zumindest in Deutschland das Modell der Navision Solution Centers (NSCs) mit seiner starken Vertikalisierung bewährt. Im CRM-Umfeld fehlt dagegen bislang ein erfolgreiches Konzept: Die Redmonder vertreiben ihre Lösung auch über Partner, die sich zwar für Microsoft CRM zertifizieren müssen, nicht aber für die ERP-Produkte von Microsoft. Das ist vor allem den qualifizierten Axapta-Partnern und NSCs ein Dorn im Auge. Microsoft wird sich etwas einfallen lassen müssen, damit die Konkurrenz unter den Partnern nicht kontraproduktiv wirkt.