Nokia bringt Mini-Computer mit Telefoniefunktion

Mit dem N900 wird vieles besser

23.11.2009 von Manfred Bremmer
Kann Nokia der Konkurrenz mit dem neuen N900 das Wasser reichen? Unser Kurztest gibt Auskunft.

Im Kampf um die Krone im Smartphone-Markt greift der finnische Hersteller Nokia nun auf Know-how von seinen Mobile Internet Devices (MID) zurück. So läuft das neue Flaggschiff N900 - im Gegensatz zum N97 - nicht mit dem mühsam an die Touchscreen-Welt angepassten Symbian-Betriebssystem. Nokia rekrutierte stattdessen das in seinen Internet-Tablets "N800" und "N810" genutzte Linux-System Maemo 5. Die COMPUTERWOCHE hatte die Möglichkeit, das neue N900 genauer unter die Lupe zu nehmen.

Obwohl Nokia schon seit Jahren seine Highend-Smartphones als Multimedia-Computer bezeichnet, treibt der Hersteller diesen Vergleich beim N900 noch einmal auf die Spitze. So stellt das 181 Gramm schwere Gerät im Großen und Ganzen ein geschrumpftes N810 mit Telefoniefunktionen dar - voll gepackt mit modernster Technik, aber mit nur wenigen Kompromissen in Richtung Handlichkeit.

Mit Abmessungen von elf mal sechs mal zwei Zentimetern ist das N900 nicht gerade klein ausgefallen und eignet sich nur bedingt für Hemd-, Jacken- oder Hosentasche. Schuld daran ist nicht zuletzt die unter dem Display verborgene Tastatur. Anders als beim N97 oder N97 mini hat Nokia dabei auf einen aufwändigen Klappmechanismus verzichtet, das Keyboard wird vielmehr wie beim E75 herausgezogen und rastet sicher ein. Obwohl vom darüber liegenden Display stark eingeengt, lässt sich die Tastatur relativ gut nutzen und ist dem ebenfalls vorhandenen virtuellen Keyboard überlegen. Störend ist allerdings, dass die meisten der 38 Tasten doppelt belegt sind.

Nokia N900
Nokia N900
Anstelle von Symbian kommt im N900 das ressourcenschonende Linux-Betriebssystem Maemo 5 zum Einsatz. Den verbauten 600 Megahertz-Prozessor unterstützen 256 MB RAM sowie 768 MB virtueller Speicher.
Nokia N900
Der berührungsempfindliche 3,5-Zoll-Bildschirm besitzt eine Auflösung von 800 mal 480 Bildpunkten und kann gut mit den Fingern bedient werden. Sollte es dennoch einmal zu eng werden, ist ein Stift (unten) zur Hand.
Nokia N900
Obwohl das darüberliegende Display den Platz stark einschränkt, lässt sich die Tastatur leidlich nutzen. Störend ist allerdings, dass die meisten der 38 Tasten doppelt belegt sind.
Nokia N900
Die Übersichtsanzeige gibt Auskunft über parallel geöffnete Anwendungen (Multitasking) und erlaubt einen schnellen Wechsel.
Nokia N900
Ein merklicher Leistungsabfall ist durch den Betrieb mehrerer Anwendungen nicht zu registrieren.
Nokia N900
Wie beim N96 oder N86 lässt sich der Ring um die Kamera als Standfuß nutzen.
Nokia N900
Um das N900 auch als Handy nutzen zu können, wurde die Maemo-Plattform um eine Telefonie-Anwendung ergänzt.
Nokia N900
Mit Nokias wachsenden Fokus auf Services über die Ovi-Plattform spielen Multimediaanwendungen auf auf dem N900 eine wichtige Rolle.
iPhone 3GS
Mit seinem pummeligen Abmessungen ist das N900 nur bedingt ein iPhone-Killer.
Nokia N97
Auch dem eleganten Nokia N97 ist das N900 - rein nach der Optik betrachtet - unterlegen.
Motorola Droid
Das N900 kann jedoch Geräten wie dem neue Motorola Droid, bei denen primär die Technik zählt, leicht Paroli bieten.

Die inneren Werte zählen

Im Ganzen gesehen ist das neue Smartphone-Flaggschiff von Nokia mit den abgerundeten Ecken und der glatten schwarzen Hülle nicht unbedingt unansehnlich. Dennoch werden die meisten Nutzer das Pummelchen primär wegen seiner inneren Werte lieben. Zu den größten Trümpfen zählt dabei das von der Pieke an für Fingerbedienung und Multitasking konzipierte Linux-Betriebssystem. Neu ist außerdem die von anderen Herstellern und Plattformen bekannte Möglichkeit, mehrere Homescreens zu verwenden. Beim N900 können vier solcher Flächen individuell mit Icons oder Widgets bestückt werden können. Anders als beim N97 sind die Felder dabei nicht festgelegt. Selbst einzelne Kontakte lassen sich mit Bild auf dem Homescreen anlegen - nach einfachem Klick öffnet sich ein Fenster, das sämtliche Kommunikationsmöglichkeiten mit der Person vorhält. Dazu zählen neben Telefonie und SMS auch Skype, Instant-Messaging oder E-Mail.

Der auf Mozilla basierende Browser unterstützt Flash und Ajax und stellt Web-Seiten übersichtlich dar. Die vom Apple iPhone und einigen Android-Smartphones bekannte Multitouch-Funktion fehlt jedoch, stattdessen kann der Nutzer über die Lautstärketasten oder eine kreisförmige Bewegung auf dem Display (je nach Drehrichtung) in eine Website hinein- oder hinauszoomen. Alternativ wird der Inhalt einer Spalte durch ein doppeltes Klopfen auf die komplette Display-Breite vergrößert.

Multitasking par Excellence

Erwähnenswert ist außerdem die Übersichtsanzeige am oberen Rand des Displays, die nicht nur Auskunft über eingegangene Nachrichten oder verpasste Anrufe gibt. Als eine Art Task Manager stellt sie außerdem alle geöffneten Anwendungen (Multitasking) in Miniaturansicht dar. Dieses Feature verleitet den Nutzer fast automatisch dazu, Programme im Hintergrund weiterlaufen zu lassen - was dank des verbauten 600-Megahertz-Prozessors und gut einem GB Arbeitsspeicher (256 MB RAM und 768 MB virtueller Speicher) auch kein Problem ist. Lediglich der mit einer Kapazität von 1320 Milliamperestunden nicht übermäßig groß ausgefallene Akku büßt vermutlich etwas an Laufzeit ein - länger als einen Arbeitstag wird das Smartphone wohl nicht durchhalten.

Auch die übrige Hardware kann sich sehen lassen, allen voran das klare 3,5-Zoll-Display mit 800 mal 480 Bildpunkten (WVGA), das - obwohl resistiv - durch seine schnelle Reaktion überrascht. Daneben unterstützt das Nokia-Smartphone HSPA mit bis zu 10 Mbit/s im Up- und 2 Mbit/s im Downstream sowie WLAN. Weitere Features sind unter anderem 32 GB fest verbauter Speicher (erweiterbar durch MicroSD-Karten mit bis zu 16 GB), eine videofähige 5-Megapixel-Kamera mit doppeltem LED-Blitz, (A)-GPS und ein FM-Transmitter.

Fazit

Wer von Nokia den ultimativen iPhone-Killer erwartet hat, wird auch vom N900 enttäuscht sein. Das Linux-Gerät stillt mit seiner technischen Ausstattung in erster Linie die gestiegenen Bedürfnisse der bestehenden Nokia-Fangemeinde, während nicht vorbelastete Nutzer wegen des Form- und Hype-Faktors vermutlich das Apple-Handy bevorzugen werden. Bessere Karten hat das N900 im Vergleich zu Konkurrenten aus dem Windows-Mobile- und Android-Lager - einziges (behebbares) Manko ist die noch geringe Zahl von Drittapplikationen. Zusammengefasst befindet sich der finnische Hersteller mit dem Wechsel auf die Maemo-Plattform auf dem richtigen Weg, das N900 ist jedoch nur ein Zwischenschritt.